Nachruf:Spiel mit Fäden und Farben

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Starb kurz vor ihrem 90. Geburtstag: Textilkünstlerin Else Bechteler-Moses. (Foto: Marianne Franke)

Die Malerin und Textilkünstlerin Else Bechteler-Moses ist mit 89 Jahren gestorben.

Von Sabine Reithmaier

Else Bechteler-Moses redete nicht gern über sich und ihre Erfolge. Das sei in ihrer Familie nicht üblich, wehrte sie vor knapp zwei Jahren bei einem Besuch in ihrer Schwabinger Wohnung entsprechende Fragen ab. Überhaupt: "Mich kennt doch keiner mehr. Und so richtig bekannt bin ich eh nie gewesen." Eine Aussage, die bestenfalls im direkten Vergleich mit dem Bekanntheitsgrad ihres Mannes, des Fotografen Stefan Moses (1928-2018), zutrifft. Ansonsten entkräftet ein Blick auf die Fülle ihrer Werke oder die zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen diese Behauptung.

Die Münchner Künstlerin schuf höchst eigenwillige Bildwerke von suggestiver Strahlkraft, meist nicht mit dem Pinsel, sondern mit dem Webstuhl. Geboren wurde sie 1933 in Berlin als Tochter des Bildhauers Theo Bechteler und der Textilwerkerin Elfriede Kristeleit. Nach dem Krieg zog die Familie nach Immenstadt, dem Geburtsort des Vaters. 1949 begann sie, 16-jährig, eine Lehre in einer Allgäuer Handweberei, fertigte Fleckerlteppiche, lernte Stoffe färben und weben. "Die Grundfeste für all mein späteres Tun", wie sie sagte.

Nur mit dem Handwerk begnügte sie sich aber nicht. Nach der Gesellenprüfung ging sie nach Berlin, besuchte die Meisterschule für Kunsthandwerk, arbeitete in diversen Werkstätten und entschied sich dann, in München Malerei bei Franz Nagel zu studieren. Als sie die Akademie 1964 als Meisterschülerin verließ, ahnte sie schon, dass sie ihre Gemälde nicht mit dem Pinsel, sondern mit dem Webstuhl erschaffen würde.

Anfangs begnügte sie sich mit kleinen, abstrakt gestalteten Wandteppichen. "Licht" nannte sie ihre erste raumbezogene Arbeit, eine Tapisserie für die Hauskapelle des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren. Langsam tastete sie sich voran. Begeistert von den ineinander übergehenden Blau- und Grüntönen der Landschaft in Schweden, die sie im Sommer 1968 für sich entdeckte, entwickelte sie den "Fahnenwald", eine Werkgruppe aus langen schmalen, fast transparent wirkenden Stoffbahnen. Die lichtdurchflutete, begehbare Rauminstallation stellte für die Textilkunst einen ganz neuen Ansatz dar, wurde zu vielen Ausstellungen eingeladen.

Das Thema Landschaft ließ Else Bechteler nicht mehr los. Sie schuf großflächig komponierte Wandteppiche mit klaren Farbflächen und schwingenden Umrissen. Keine strenge rechteckige Form, wie man bis dahin von Tapisserien gewohnt war, sondern völlig frei gestaltete, oft organisch anmutende Gewebe, in denen die Künstlerin mit Lücken und freien Stellen experimentierte, die Kettfäden sichtbar ließ.

In den Achtziger- und Neunzigerjahren wurde die kleine, zierliche Frau mit öffentlichen Aufträgen überhäuft. Weben ist eine körperlich sehr anstrengende Arbeit, zumal manche ihrer Werke eine wahrhaft monumentale Größe haben. Für die Sankt-Hedwigs-Kathedrale im Berlin webte sie drei Jahre lang den "Erhöhten Herrn", eine dreiteilige Tapisserie, mehr als zehn Meter hoch, fast fünf Meter breit. Während der Arbeit an diesem Auftrag lernte sie Stefan Moses kennen, der sie eines Tages in ihrem Atelier in der Preysingstraße besuchte. 1985 heirateten die beiden.

Das letzte große Werk, das sie 1995 noch eigenhändig am großen Webstuhl webte, war "Schwebender Flügel". Wie der Fahnenwald hängt er frei im Raum, nur dann entfalten die fein abgestuften Rottöne ihre warme Kraft. Als 2004 ihr Kooperationspartner, die Nürnberger Gobelin-Manufaktur, schloss, wurde es schwierig, große Arbeiten zu realisieren. Eine Weile entstehen noch kleine Webereien, famose Farbstudien. Doch von 2010 an widmet sie sich ausschließlich den "Strickbildern", lauter kleinen lockermaschigen Teilen, die sie zu feinen Collagen fügt.

Am 26. Januar ist Else Bechteler-Moses gestorben, wenige Wochen vor ihrem 90. Geburtstag. Sie hinterlässt ein großes Werk, das nicht vergessen werden sollte.

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