Neues Experiment:Handel durch Annäherung

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Der Handel soll auch in der City weiterhin florieren. (Foto: dpa)
  • Ein Start-up versucht, Kunden weg von reinen Online-Händlern wieder in die Läden in der City zu bringen.
  • Für den Münchner Handel ist es die erste Plattform dieser Art.
  • In München sind derzeit knapp 120 Geschäfte dabei, mit 650 000 Produkten.

Von Katja Riedel, München

Der edelstahlgebürstete Toaster ist ein echtes Schmuckstück - und fünfmal in München vorrätig, zu recht unterschiedlichen Preisen. Mal soll der Edeltoaster 55, mal 45 Euro kosten. So sagt es zumindest das Einkaufsportal "Locafox". Ein Start-up, das seit dieser Woche auch in München versucht, Kunden weg von reinen Online-Händlern wie Amazon oder Zalando und zurück in die Läden vor Ort zu bringen. Die Läden in der Münchner Innenstadt sollen nicht ohne das Internet belebt werden, sondern gerade mit ihm und mit dessen Vorteilen.

In bisher acht deutschen Großstädten können lokale Händler ihre digital erfassten Waren seit dieser Woche auf der Plattform einstellen. In München sind derzeit knapp 120 Geschäfte dabei, mit 650 000 Produkten. Darunter große Ketten wie Hugendubel, Conrad Elektronik oder die Kaufhäuser Karstadt und Galeria Kaufhof. Dabei sind aber auch kleinere Händler, ein Fitnessanbieter etwa oder ein Hausgeräteladen in der Isarvorstadt. An den Start geht das Unternehmen zunächst vor allem mit Elektronikartikeln, als nächstes sollen schon in den kommenden Wochen Bücher und Spielzeug folgen. Am Ende, so hoffen die Investoren, soll die Plattform einmal die gesamte Produktpalette erfassen, sagt Thilo Grösch, der Sprecher des 2013 gegründeten Berliner Start-ups.

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Erste Plattform ür Münchner Händler

Für den Münchner Handel ist es die erste Plattform dieser Art. Verkäufe über mehrere Kanäle, also über Internet wie Ladentheke, sind für den Handel der Innenstädte das Gebot der Stunde. Die großen Münchner Händler, von Ludwig Beck über Sport Schuster bis zu Konen, bieten ihre Waren inzwischen auch in eigenen Internet-Shops an, manche mit Lieferservice, manche mit Abholung. Die internationalen Filialisten tun das ohnehin. Aber: "Damit ein selbständiger Shop im Internet funktioniert, brauchen Händler eine starke Marke", sagt Joachim Stumpf von der BBE Handelsberatung in München. Für den Handelsexperten haben Angebote wie das von Locafox den Charme, dass sie auch mittelständischen Händlern gemeinsame Relevanz im Internet bringen können: dass sie also die Chance haben, in Suchmaschinen besser gelistet zu werden und unter den vorderen Suchergebnissen aufzutauchen. Allein habe es ein lokaler Anbieter da schwer. "Ich halte solche Ansätze für wertvoll - wenn sie funktionieren", sagt er.

Allerdings hätten bisher vor allem die Großen ihr Sortiment digitalisiert. Denn dieses zu erfassen, verbraucherfreundlich aufzubereiten und immer aktuell zu halten, sei teuer und zeitaufwendig, sagt Branchenexperte Stumpf. Gerade im Bekleidungsbereich und bei kleineren Läden wird der Wareneingang oft noch mit Stift und Papier organisiert. Auch Wolfgang Fischer von der Münchner Innenstadtvereinigung City Partner ist darum skeptisch, wie viel Plattformen wie Locafox bringen können. "Wir beobachten das mit Interesse - und mit Realismus", sagt er.

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Eine Frage des Überlebens

Der digitale Wandel ist für die Händler eine Frage des Überlebens, und er hat auch die Art verändert, wie Menschen an das Thema Einkauf herangehen: "Im herkömmlichen Handel hat man sich den besten Händler gesucht, das beste Schuhgeschäft etwa, dort ist man hingegangen. Im Internet suchen die Kunden stärker nach Produkten und dem günstigsten Angebot", sagt Experte Stumpf. Das ist auch Kern der Geschäftsidee von Locafox: Der Kunde gibt seine Postleitzahl an, dazu das Produkt, für das er sich interessiert. Er kann die Ware online reservieren und im Laden seiner Wahl selbst abholen. Zum Kauf verpflichtet er sich nicht; die Ware schon auf der Plattform zu erstehen, sei in einer künftigen Variante denkbar, sagt Locafox-Sprecher Grösch. Das Start-up verdient sein Geld mit der Vermittlung: Der Händler zahlt an Locafox für die Reservierung eine kleine Gebühr, "Centbeträge", sagt Grösch. Auch für Klicks auf die Öffnungszeiten des Ladens gebe es Geld. Noch könne sich das Unternehmen ohne die Finanzierung seiner Investoren aber nicht tragen. Und die verfolgten eine langfristige Strategie.

Das scheint auch nötig zu sein, denn der Wandel des Innenstadthandels ist weltweit ein großes Versuchslabor. Welche der Projekte und Ideen sich am Ende durchsetzen werden, ist völlig offen. München ist die spannendste, weil lukrativste deutsche Innenstadt, mit vielen lokalen Händlern. Im Auftrag des bayerischen Wirtschaftsministeriums nimmt die BBE Handelsberatung deshalb gerade bundesweit den entstehenden Markt für Schnittstellen-Portale wie Locafox oder ähnliche, regional organisierte Projekte wie "Online-City Wuppertal" unter die Lupe. Sie alle wollen Gräben zwischen Online- und Offlinehandel schließen. In Wuppertal übernimmt dies gar die städtische Wirtschaftsförderung.

© SZ vom 26.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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