Tourismus und Einzelhandel:Der Rubel rollt nicht mehr

Tourismus und Einzelhandel: In der Münchner Maximilianstraße sind inzwischen weniger russische Kunden unterwegs als noch vor einigen Monaten.

In der Münchner Maximilianstraße sind inzwischen weniger russische Kunden unterwegs als noch vor einigen Monaten.

(Foto: Robert Haas)
  • Jahrelang verzeichnete das Referat für Arbeit und Wirtschaft einen Rekord nach dem anderen, was Gäste aus dem russischen Raum anbelangt. Seit einigen Monaten sind die Geschäfte von Münchner Firmen mit russischen Gästen regelrecht eingebrochen.
  • So verzeichnete München Tourismus zwischen Januar und November vergangenen Jahres 7,7 Prozent weniger Übernachtungen russischer Gäste.

Von Thomas Anlauf

Das Bild vom schwer mit Einkaufstüten bepackten Russen, der viele tausend Euro in Münchner Boutiquen lässt: Es ist nur noch ein Klischee. Jahrelang verzeichnete das Referat für Arbeit und Wirtschaft einen Rekord nach dem anderen, was Gäste aus dem russischen Raum anbelangt. Waren es 1993 gerade mal 9200 Besucher jährlich, verzehnfachte sich die Zahl bis ins Jahr 2010 auf knapp 100 000 Gäste. Danach verdoppelte sich die Zahl der Russen in München noch einmal innerhalb von fünf Jahren.

Doch seit einem Dreivierteljahr bricht das Geschäft regelrecht ein. So verzeichnete München Tourismus zwischen Januar und November vergangenen Jahres 7,7 Prozent weniger Übernachtungen russischer Gäste. "Eine Entspannung der Situation auf dem russischen Markt ist derzeit nicht absehbar", sagt Susanne Mühlbauer vom Wirtschaftsreferat.

Knapp acht Prozent weniger Hotelgäste aus Russland - das klingt zunächst nicht dramatisch. Allerdings fehlt insbesondere die zahlende Kundschaft aus der russischen Mittelschicht. Im Hotel Cristal an der Schwanthalerstraße etwa waren im Januar 2014 insgesamt 260 Zimmer mit Gästen aus der ehemaligen Sowjetunion belegt, im vergangenen Monat waren es nur noch 142 Zimmer. "Die Mittelschicht ist die erste, die schnell wegbricht", sagt Kathrin Wickenhäuser, Geschäftsführerin des Vier-Sterne-Hotels.

Rubel-Verfall und Ukraine-Krise als Ursache

Der massive Verfall des Rubels, aber auch die anhaltende Ukraine-Krise macht den Hoteliers zu schaffen. "Wenn im Januar die Baumesse nicht gewesen wäre, hätten wir eine richtige Flaute gehabt." In den vergangenen Jahren waren Russen verstärkt im Januar nach München gereist, dann hat die ganze Nation offiziell wegen der Neujahrs-Feiertage zwei Wochen frei.

Das Neujahrsgeschäft mit den Russen nehmen auch Münchner Juweliere gerne mit. "An Weihnachten waren sie schon da", sagt ein leitender Angestellter der Wempe-Filiale an der Maximilianstraße. Es seien in diesem Jahr allerdings weniger geworden, und einige Kunden entschieden sich jetzt für günstigeren Schmuck. Doch auch teure Stücke, etwa eine Uhr von Van Cleef & Arpels für 22 100 Euro, gehen noch über den Ladentisch. Schließlich kaufen nicht nur neureiche Russen in der Maximilianstraße ein. "Auch Chinesen kommen nun schon seit Längerem nach München", sagt der Wempe-Mitarbeiter. Auch sie lassen viel Geld da.

12,3 Millionen Gäste

übernachteten zwischen Januar und November 2014 in Münchner Hotelbetten. Damit zeichnet sich ein Rekord ab: 2013 waren es im gesamten Jahr 12,9 Millionen Übernachtungen. Vor allem viele neue Gäste aus den Golfstaaten, aber auch aus Brasilien und China besuchten im vergangenen Jahr München. Allerdings gelten insbesondere russische Gäste als sehr kauffreudig. Deren Besucherrückgang von knapp acht Prozent schmerzt deshalb viele Einzelhändler.

Trotzdem hatte sich der russische Markt für viele Münchner Unternehmen zu einem wichtigen Standbein entwickelt. "Gerade in der Innenstadt gibt es zum Teil nicht unerhebliche Rückgänge", hat Wolfgang Fischer von City Partner festgestellt. Das würden nicht nur die Händler "im Premiumbereich an der Maximilianstraße" spüren. Auch große Warenhäuser wie Oberpollinger am Stachus und andere seien vom Ausbleiben vieler Russen betroffen, sagt der Geschäftsführer des Vereins für Innenstadt-Unternehmen.

Schweizer als neue Zielgruppe

Auch kleinere Firmen sind von der Entwicklung kalt erwischt worden. Die speziellen russischen Stadtführungen von "Munich Walk Tours" mussten wegen mangelnder Nachfrage eingestellt werden. "Wir haben letztes Jahr sogar noch russische Stadtführer ausgebildet", sagt Ralph Lünstroth, einer der Inhaber von "Munich Walk Tours". In der Vergangenheit hatte das Unternehmen Führungen für russische Reisegruppen angeboten, doch die blieben nun aus. "So lange die Ukraine-Krise anhält, wird das wohl auch so bleiben", glaubt Lünstroth. Auch das Leben in München sei für russische Gäste deutlich teurer geworden. Die Eltern seiner Schwägerin, beides Russen, seien bislang zwei bis drei Mal jährlich nach München gekommen. "Die können sich das jetzt kaum noch leisten." Tatsächlich haben sich laut Wirtschaftsreferat die Kosten für eine Reise ins Ausland seit dem Verfall des Rubels verdoppelt.

Davon merkt Nina Stowasser nicht viel. Sie bietet seit 2010 gemeinsam mit ihrer Schwester Lena Frank für Russen spezielle Shopping-Touren in München an. "Wir haben 20 bis 30 Prozent Stammkunden", sagt die Betreiberin von "Kultur & Shopping". Zwar geben einige derzeit weniger Geld aus, aber "die Leute müssen sich ja trotzdem einkleiden". Stowasser glaubt sogar, dass die Krise in Russland etwas Gutes für ihr Geschäft haben könnte. "Das Angebot dort wird immer knapper" - und einen Flug ins drei Stunden entfernte Shoppingparadies München gibt es schon ab 200 Euro.

Andere setzen eher auf andere Kunden: Schweizer. Kathrin Wickenhäuser vom Hotel Cristal hat sogar schon den Online-Auftritt speziell für Schweizer Hotelgäste optimiert. "Es sind zahlungsfreudige Kunden", sagt sie, "und solide." Zuletzt hat sich die Zahl der Übernachtungen von Schweizern in ihrem Hotel nahezu verdoppelt. Und der Trend wird anhalten, glaubt Wolfgang Fischer von City Partner. "Allerdings müsste die ganze Schweiz in München Urlaub machen", um das Ausbleiben der Russen wettzumachen, sagt er.

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