SZenario:Rollenstudium mit der Axt

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Bei der Premiere: Schauspieler Stefan Gorski (links) und Regisseur Hans Steinbichler in München. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Schauspieler Stefan Gorski hat sich auf die Dreharbeiten für "Ein ganzes Leben" gründlich vorbereitet. Im Arri feiert die Verfilmung des Romans von Robert Seethaler Premiere.

Von Josef Grübl

Wer ein ganzes Leben in knapp zwei Stunden erzählen will, sollte keine Zeit verlieren. Das wissen die Premierenorganisatorinnen des neuen Films von Hans Steinbichler, in Sachen Zeitmanagement macht ihnen niemand etwas vor. Auch wenn es anfangs nicht danach aussieht: Es ist Montagabend, um 19.30 Uhr soll im größten Saal des Arri-Kinos die Filmvorführung beginnen. 32 Minuten zuvor ist dieser aber noch menschenleer. Dafür füllt sich das Foyer immer mehr mit Premierengästen, es wird eng.

Die Verfilmung von Robert Seethalers Roman "Ein ganzes Leben" ist offensichtlich ein Ereignis, das sich viele nicht entgehen lassen wollen. Als "Jahrhundertroman" wird die recht unsentimental erzählte Geschichte eines Arbeiterlebens in den Alpen oft bezeichnet - ob daraus ein Jahrhundertfilm geworden ist, werden die Gäste am Ende des Abends selbst beurteilen können. Dafür müssen sie aber erstmal rein ins Kino, doch die Organisatorinnen behelfen sich mit einem Trick: Sie stellen einen jungen Mann an den Eingang, der exakt eine halbe Stunde vor Beginn einen Gong schlägt - und danach alle paar Minuten wieder. So etwas nennt man wohl Gästemanagement.

Wie es sich für eine Filmpremiere gehört, sind auch prominente Gäste da, die Schauspielerinnen Ulrike Folkerts und Lisa Bitter etwa, die Entertainerin Gloria Gray oder der Kabarettist Sigi Zimmerschied. Mit dem Film haben sie nichts zu tun, sie sind ganz normale Gäste, fotografiert werden sie trotzdem. 23 Minuten vor Filmstart richten sich alle Fotoobjektive in Richtung eines jungen Mannes: Stefan Gorski ist der Hauptdarsteller - und da es seine erste große Kinorolle ist, wird er von den Organisatorinnen sicherheitshalber vorgestellt. Künstlermanagement könnte man das nennen. Der gebürtige Wiener spielt in Düsseldorf Theater, im Interview bringt er die Unterschiede auf den Punkt: "Im Theater betont man, im Film reduziert man." Für die Filmrolle des Holzfällers, Knechts und Seilbahnbauers Egger hat er sich gut vorbereitet, ist auf Berge gestiegen, hat Bäume gefällt und sich durch Schneemassen gegraben.

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Ein paar Minuten später stehen drei Eggers vor den Kameras: Da der Film ja ein ganzes, in diesem Fall 79-jähriges Leben zeigt, wird die Hauptfigur von drei Schauspielern verkörpert, dem zwölfjährigen Ivan Gustafik, dem 32-jährigen Stefan Gorski und dem 67-jährigen August Zirner. Auf dem roten Teppich braucht man schon etwas Fantasie, um in ihnen ein und dieselbe Person zu erkennen, auf der Leinwand funktioniert es aber ganz gut. Bei Andreas Lust verhält es sich ähnlich: Der Österreicher ist ein sympathischer Zeitgenosse, im Film spielt er aber einen brutalen Bergbauern. Das nennt man Schauspielkunst. Mit Bergen habe er wenig am Hut, sagt Lust lachend. "I bin a Weaner Bazi."

Mittlerweile ist es 19.26 Uhr, die meisten Gäste sind im Kinosaal. Der Regisseur beantwortet aber noch ein paar Fragen. Nein, es sei kein Männerfilm, sagt Hans Steinbichler zu einem Fotografen, "die Frauen sind leider krank." Damit meint er Marianne Sägebrecht, die eine Bauersfrau spielt und für den Premierenabend kurzfristig abgesagt hat. Und ja, mit Bergen habe er sehr viel am Hut. "Als Sohn eines Bergjournalisten sah ich viele Jahre lang kein Meer." Sein Film kommt bereits diesen Donnerstag in die Kinos, Steinbichler wird in den kommenden Wochen durch Bayern reisen und ihn dem Publikum vorstellen. Jetzt muss er aber ins Kino. Es ist drei Minuten nach halb acht, es kann losgehen.

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