Ausstellung im Zorneding:Engel, Schafe und viele andere Typen

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Viel zu entdecken: "Hafenstadt" heißt dieses Gemälde von Frauke Schreiner. (Foto: Christian Endt)

Linie trifft Fläche, Plan trifft Zufall: Frauke Schreiner zeigt im Rathaus ihrer Heimatgemeinde Ölgemälde und Grafiken, die den Betrachter suchen und rätseln lassen.

Von Anja Blum, Zorneding

Frauke Schreiner ist eigentlich Innenarchitektin. Deswegen hat sie wenig übrig für Feuerlöscher, Hinweisschilder auf den Notausgang und dergleichen mehr. Doch den Betrachter ihrer Werke wird das in öffentlichen Gebäuden gewohnte, sicherheitstechnische Interieur wohl wenig stören: Darüber geht das Auge hinweg - an Schreiners Gemälden hingegen bleibt es hängen.

Im Rathaus ihrer Heimatgemeinde Zorneding stellt Frauke Schreiner nun aus - und ist trotz aller Kompromisse mit Feuerlöscher und Co. sehr glücklich über diese Möglichkeit, ihre Arbeiten zu zeigen. "Alle Zornedinger dürfen das, das finde ich ganz toll!" Vernissage wird gefeiert an diesem Freitag, 10. März, um 19 Uhr. Zu sehen gibt es Werke der vergangenen vier bis fünf Jahre, und zwar Ölbilder sowie Grafiken. Denn Schreiner liegt sowohl die Fläche, als auch die Linie am Herzen: Das Zeichnen war Grundlage ihres Studiums der Innenarchitektur, später kam auch noch die Malerei hinzu. "Zunächst arbeitete ich mit Acrylfarbe, inzwischen bevorzugt mit Öl."

Frauke Schreiner sieht in ihren teils rätselhaften Formen häufig Köpfe, Gesichter und Profile. (Foto: Christian Endt)

Dies ist allerdings nicht der einzige Dualismus im Schaffen der Zornedingerin. "Ach, es wohnen zwei Seelen in meiner Brust", sagt sie und seufzt. Gerade ist Schreiner dabei, das Foyer des Rathauses mit ihren Bildern zu bestücken, auf der Treppe liegt ein ausgefeilter Plan, wo welches Werk hängen soll. "Beruflich bin ich einfach dazu gedrillt, ganz exakt zu arbeiten", sagt Schreiner. "Doch beim Malen nervt das manchmal ganz schön."

Sehnsuchtsort "Ingelsberg". Dort bestellt die Künstlerin einen eigenen kleinen Acker. (Foto: Christian Endt)

Insofern gibt es bei dieser Künstlerin zwei Wege, wie Bilder entstehen: Manches Mal hat sie eine konkrete Vorstellung, eine Idee, welches Thema, welches Motiv sie bearbeiten möchte, oft nach einer Fotovorlage. In diesen Fällen gilt es, dieses Ziel von Beginn an zu verfolgen und dem gedachten Ideal möglichst nahe zu kommen. Da gibt es zum Beispiel das Bild "Ingelsberg", wo Schreiner Teil einer solidarischen Landwirtschaft ist. "Wie liebevoll sich dort alle um ihre Parzellen kümmern, diese wahnsinnige Stimmung, dieser Ausblick: All das musste ich einfach festhalten."

Hier hat der Zufall einen Fuchs versteckt - sehr zur Freude der Künstlerin. (Foto: Christian Endt)

Auf der anderen Seite sucht Schreiner immer wieder nach Möglichkeiten, intuitiver an die Kunst heranzugehen. Etwa, indem sie Seidenpapier mit Farbresten bestreicht, es dann in kleine Stücke reißt und willkürlich auf eine Leinwand klebt. So erhält sie eine quasi absichtslose Struktur, die ihr als Inspiration dient. Die sie mit frischer Farbe und groben Pinselstrichen weiter bearbeitet. "Was da dann daraus wird, ist meistens noch offen. So ein Bild entsteht im Tun." Und wenn der Zufall ihr dann zum Beispiel einen kleinen Fuchs schenkt, dann hat sie den besonders gern.

Linie trifft Fläche, Plan trifft Zufall: Nicht ohne Grund hat Schreiner, Beirätin beim Ebersberger Kunstverein, ihre Ausstellung mit dem Titel "Dialog" überschrieben. Zumal ihr auch der Austausch zwischen Gemälde und Betrachter sehr viel bedeutet: Was sehen wir da? Sind das bloß Farbflächen, Linien und Strukturen, oder schon Figuren? Was spricht uns an? Schreiners Bilder sollen dazu einladen, unterschiedliche Entdeckungen zu machen. "Es berührt mich, wenn beim Betrachter persönliche Erinnerungen oder Gefühle ausgelöst werden, oder meine bildnerische Absicht in einen ganz neuen Kontext gestellt wird", sagt die Künstlerin.

Ihre grafischen Arbeiten präsentiert Frauke Schreiner als kleinformatige Quadrate. (Foto: Christian Endt)

Sie achtet jedenfalls die Freiheit des Betrachters hoch - und macht ihm ganz unterschiedliche Angebote: Manche Bilder sind, wenn auch frei in der Gestaltung, sehr gegenständlich, andere wiederum vollkommen abstrakt, was gerade für die kleinen grafischen Serien gilt. Aber auch die Klaviatur dazwischen bespielt Schreiner so gerne wie gekonnt: Viele Bilder lassen einen suchen und rätseln, wozu sich all die Flächen und Linien im Geiste wohl formen ließen.

Häufig kreisen Schreiners Themen um den Menschen und sein Lebensumfeld, etwa die Familie als kleinste Einheit von Gemeinschaft. "Ich sehe häufig Köpfe und Profile", sagt die Künstlerin und lacht. So manches ist dabei stark biografisch geprägt, etwa das Bild "Auf großer Tour" - entstanden aus jenem Moment, in dem Schreiners Sohn das erste Mal alleine quer durch Europa geradelt ist. "Das Loslassen, das Bangesein - all das hat mich sehr bewegt." Ja, ihre Gemälde sind fast wie ein Tagebuch des Erlebten.

In die Kategorie "gemaltes Tagebuch" gehört auch dieses Bild mit dem Titel "Silberhochzeit". (Foto: Christian Endt)

Aber auch Typen aus dem Arbeitsalltag, die vermutlich jeder kennt, sind zu finden: Unter dem Titel "Wer hat den Hut auf?" hat die Malerin eine kleine Herde Schafe porträtiert. Hinzu kommen traumartige Szenerien, besondere Naturstimmungen oder spirituelle Motive, Engel etwa, oder ein Gekreuzigter. "Ich mache immer bei den ökumenischen Exerzitien mit, und diese Impulse wirken teils sehr lange nach", erklärt Schreiner. Aber auch Humor und Ironie könnten Keim für kreative Produktivität sein, sagt sie. Gewissermaßen beiläufig entstünden dann skurrile Figuren, Fabelwesen wie das freundliche "Pandemie-Monster", die ihre eigene Geschichte im Bild erzählen.

Fast schon comichafte Figuren zeigt das Bild "Insekten mit Zitrone". (Foto: Christian Endt)

Um ihren Ideen Ausdruck zu verleihen, pinselt, spachtelt und kratzt Schreiner, mischt die Ölfarbe auch mal mit Tusche und Beize, oft bestehen ihre Werke aus mehreren Schichten. Ihre Farbigkeit übrigens lebt Schreiner, die Mitglied der Ateliergemeinschaft von Maja Ott in Moosach ist, in Phasen aus. Manche ihrer Werke sind heiter-sonnig, andere eher düster gehalten. Und wieder andere liegen irgendwo dazwischen. Eine malerische Aufarbeitung des Artensterbens zum Beispiel, "Insekten mit Zitrone", erscheint freundlich und bedrohlich zugleich.

Gelegentlich übermalt Schreiner auch frühere Motive und übt sich so im Loslassen. "Ein Trost dabei ist: Es ist noch alles da, unter dem Neuen, nur nicht mehr sichtbar." So wie der "Familienengel", der lange Zeit das Wohnzimmer schmückte. Nun hat ihn seine Schöpferin auf den Kopf gestellt und neue malerische Formen hinzugefügt. Wer das weiß, dessen Auge bleibt an diesem Bild besonders lange hängen.

Ausstellung "Dialog" von Frauke Schreiner im Zornedinger Rathaus, Vernissage an diesem Freitag, 10. März, um 19 Uhr. Zu sehen bis Donnerstag, 20. April, zu den üblichen Öffnungszeiten des Rathauses.

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