SZ-Adventskalender:Ein Leben auf 12,5 Quadratmetern

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Seit knapp einem Jahr lebt Rentnerin Anni S. in einer Pension. Ihre Wohnungssuche war bislang ohne Erfolg. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Anni S. hat ihre Wohnung verloren und findet keine neue. Nun wohnt sie seit fast einem Jahr in einem Pensionszimmer.

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Seine Wohnung aufzugeben, ist etwas, dass man sich heutzutage gut überlegen sollte. Das hatte Anni S. (Name geändert) auch gar nicht vor. Sie hat ihre Wohnung verloren und sucht jetzt seit einem Jahr nach einer neuen. Einer, die sie sich leisten kann mit ihrer Rente. Große Sprünge kann sie damit nicht machen, auf die 60 Quadratmeter, die sie zuvor hatte, hofft sie nicht mehr. Aber Hauptsache, eigene vier Wände und eine Tür, die sie hinter sich zumachen kann, sagt sie.

"Heute waren es 17 Grad in meinem Zimmer"

Mittlerweile lebt Anni S. in einer Pension im Landkreis auf 12,5 Quadratmetern zwischen Spüle, Zweiplattenherd, Kühlschrank und einem riesigen Heizkörper - der aber nicht richtig heizt. "Heute waren es 17 Grad im Zimmer, ich hatte aber auch schon 15 oder 16", erzählt sie. Der Vermieter habe vergeblich versucht ihn zu reparieren. So vergeblich wie ihre Suche nach einer neuen Bleibe, einer, in der sie wohnen und die sie trotz einer alten Verletzung am Bein gut erreichen kann. Sie kann schlecht Treppen steigen, vor einigen Jahren hat sie sich den Fuß sechsfach gebrochen, eine Steifheit ist zurückgeblieben, und wenn das Wetter so feuchtkalt ist wie in diesen Tagen, dann "möchte ich das Bein am liebsten in eine Eistonne stecken, so weh tut es!"

Trotz eines Wohnberechtigungsscheins für eine Sozialwohnung, trotz aller Kontakte zu Wohnungsbaugenossenschaften und trotz der Unterstützung durch die Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit werde sie wohl auch diesen Winter in ihrem "Kabuff" verbringen, fürchtet Anni S.. "Ich sitze, wie in einem Warenlager", erzählt sie, "so habe ich noch nie gewohnt."

Pech hatte Anni S. schon viel früher im Leben

Anni S., heute ist sie 74 Jahre alt, gehört zu jenen Menschen, die immer wieder Pech haben im Leben. 25 Jahre habe sie in der Gastronomie gearbeitet, erzählt sie, dann sei ihre Mutter schwer krank geworden. Sie musste nach Österreich, wo sie geboren ist, um die Mutter zu pflegen. Anschließend fand sie Arbeit in einem Immobilienbüro, das sich aber auflöste. "Und dann wurde es schwierig für mich." Eine Zeitlang half sie in einem Café, bei dem dann aber der Besitzer wechselte. Ein nochmaliger Anlauf, wieder in der Immobilienbranche zu arbeiten, scheiterte, "wenn du nicht eingerichtet bist mit einem Computer und was man so braucht, dann schaffst du den Aufsprung nicht." Zumal dann, wenn man die 60 schon überschritten hat. Pech hatte Anni S. aber schon viel früher, wie sie erzählt. Der Lebensgefährte, bei dem sie in den 90er Jahren gewohnt hatte, habe sie um zigtausend Mark geprellt, die sie ihm geliehen hatte, um sie dann binnen drei Wochen aus dem Haus zu werfen.

Auf ausstehendes Geld, diesmal die Kaution, bezahlt für ihre ehemalige Wohnung, alles in allem etwa 5000 Euro warte sie nun erneut, erzählt sie. Nicht eingehaltene Zusagen der Ex-Vermieterin - so hatte die ihr einen Platz in der Waschküche für ihre eigene Waschmaschine zugesagt, als sie eingezogen war -, und eine exorbitante Erhöhung der vertraglich vereinbarten Nebenkosten um etwa 400 Prozent innerhalb von vier Jahren hätten sie veranlasst, ihre Miete zu mindern. Um zehn Prozent auf Anraten ihres Anwalts. Daraufhin flatterte ihr ein Schreiben in den Briefkasten mit der Ankündigung der Zwangsräumung. Ihre Möbel, Bücher, CDs, Teppiche hat sie in zwei Containern eingelagert, für die sie monatlich ebenso viel zahlt wie für ihr Pensionszimmer, die Rente ist damit weg. Ohne Aufstockung käme sie nicht zurecht. Dennoch wünscht sich Anni S. kein Geld - sondern nur, dass irgendjemand möglichst in Grafing, Aßling oder Umgebung eine Wohnung hat, die sie mieten kann.

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