Hans Vollhardt:"Ganz habe ich die Schwelle noch nicht überschritten"

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Hans Vollhardt ist zwar Altlandrat, aber alt fühlt er sich nicht. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Hans Vollhardt war in Ebersberg Landrat und Bürgermeister. Als Schirmherr der Seniorenthementage spricht der 81-Jährige über den Übergang von älteren hin zu alten Menschen.

Interview von Johanna Feckl

Nach fast fünf Jahrzehnten als Mitglied in der CSU hat Hans Vollhardt im vergangenen Jahr sein Parteibuch zurückgegeben. Viele Jahre, in denen ebenso viel passiert ist: 22 Jahre war der heute 81-Jährige Bürgermeister in Ebersberg, von 1994 an für acht Jahre Landrat. 2001 gründete er die Senioren-Union im Kreis und war bis 2009 deren Vorsitzender. Und nun hat er die Schirmherrschaft für die Seniorenthementage übernommen: Von 26. September an gibt es im Landkreis Ebersberg vier Wochen lang zahlreiche Veranstaltungen und Workshops für Seniorinnen und Senioren. Im Interview mit der SZ Ebersberg hat Vollhardt über das Altwerden und das Altsein gesprochen.

SZ: Herr Vollhardt, sind Sie alt?

Hans Vollhardt: Nun ja, das kommt ja auf die Definition von "alt" an . . . aber im Grunde genommen: Ja. Mit meinen 81 Jahren kann ich dieser Erkenntnis gar nicht ausweichen. Wobei: Früher, in der Generation meiner Eltern, da galt man schon mit 65 Jahren als alt. Heutzutage hingegen gibt es diese Schwelle von älteren Menschen hin zu alten Menschen. Und dabei kann die eigne Einschätzung von einer fremden durchaus abweichen - da gibt es keine allgemeingültige Grenze. Mein ganz persönliches Gefühl: So ganz habe ich diese Schwelle dann auch noch nicht überschritten. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel Gewohntes und Geliebtes in meinem Alter noch möglich ist. Deshalb ist "alt" wohl doch nicht ganz treffend (lacht).

Sie lachen zwar jetzt, aber es hat Überwindung gekostet, diese Frage so direkt zu stellen. Die Zuschreibung "alt" empfinden viele Menschen als eine negative - makelhaft oder despektierlich könnte man wohl sagen. Und Sie selbst haben nun letztlich auch gesagt, dass Sie eher älter und nicht alt sind.

Das stimmt! Aber es ist ja so: Wenn man etwas wegwirft, dann sagt man: "Ach, das ist alt, das brauche ich nicht mehr." Der Begriff "alt" ist also in unserem Sprachgebrauch grundsätzlich eher negativ besetzt.

Hans Vollhardt hat im Kreistag das erste umfassende seniorenpolitische Gesamtkonzept beantragt. Dass ältere Menschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, ist ihm ein Anliegen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein interessanter Punkt ! Da erscheint doch eine Sprache wie Spanisch praktischer: Dort gibt es zwei Wörter für "alt", je nachdem, ob auf man einen Menschen oder ein Ding Bezug nimmt.

Oh, da muss ich gleich mal meinen elfjährigen Enkel fragen! Meine Schwiegertochter kommt nämlich aus Spanien und deshalb wächst er zweisprachig auf.

Dieses Despektierliche ist wohl auch der Grund, weshalb man viel häufiger "der Senior" oder "die Rentnerin" liest, anstatt "der alte Mensch".

Das denke ich auch. Man weiß ja nie, wie das Gegenüber diesen Begriff "alt" bewertet.

Was verstehen Sie denn darunter?

Bei meiner Frau und mir ist es zum Beispiel so, dass wir uns vor elf Jahren entschieden haben, mit anderen älteren Menschen eine Hausgemeinschaft zu gründen. Neben dem altersgerechten Wohnen war es uns allen wichtig, uns dort gegenseitig zu unterstützen. Wir spüren, dass wir durch die laufenden Gruppenkontakte in sozialer und kultureller Hinsicht sozusagen anders altern, intensiver leben. Wir entscheiden selbst, wie wir das Älterwerden erleben, wir können da vieles autonom gestalten, weil wir uns rechtzeitig gemeinsam darum kümmern.

Sie sprechen von einer Art Handlungsfreiheit im Alter?

Ja, für mich gibt es da die geistige Komponente: Wenn das Interesse an geistiger Betätigung im Vergleich zu früher deutlich nachlässt, dann ist das schon ein Indiz für mich, dass jemand alt ist. Demgegenüber steht aber zum Beispiel ein begeisterter Theatergänger, der nicht mehr gut zu Fuß ist und deshalb nicht mehr wie früher jede Woche eine Vorstellung besuchen kann - obwohl er geistig völlig frisch ist . . .

Hans Vollhardt ist zwar Altlandrat, aber alt fühlt er sich nicht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gehen wir doch mal zum Gegenbegriff "jung". Hier gibts viele positive Attribute: fit, vital, leicht - die Kurve zeigt nach oben. Treffen aber in Wahrheit nicht genausoviele negative Komponenten auf "jung" zu? Junge Menschen sind häufig naiv, unsicher, planlos, oder leichtsinnig.

Absolut! Das ist schon ein Phänomen unserer modernen Gesellschaft: Jungsein soll der Normalzustand sein. Nur die jungen Menschen können was erleben, so behauptet es die Werbung, und dementsprechend brauchen nicht mehr ganz junge Menschen auch "Anti-Aging". Und dabei spüren sie gar nicht, wie vergeblich diese Versuche sind und dass sie damit das tatsächliche Altern nicht aufhalten können.

Sie kommen ja gerade vom Sport - zweimal in der Woche machen Sie das. Was treiben Sie denn für eine Sportart?

Als junger Mensch habe ich zehn Jahre Rennrudern betrieben. Der Drang, mich zu bewegen, ist bestimmt auch deshalb immer noch da. Jahrelang hatte ich aber mit Rückenschmerzen zu kämpfen. Ein Arzt wies mich dann einmal darauf hin, dass möglicherweise meine Muskulatur zu schwach ist. Also habe ich angefangen, mit physiotherapeutischer Anleitung wieder Sport zu machen - und gemerkt: Mensch, das wird ja besser, wenn ich da was tue (lacht)!

Bei den bevorstehenden Seniorenthementagen stehen auch zahlreiche Fitness- und Gesundheitsangebote auf dem Programm. Sie sind der Schirmherr dieser Veranstaltung. Wie kam es denn dazu?

Mich hat dort jemand vorgeschlagen und daraufhin hat mich das Organisationskomitee gefragt. Genaueres weiß ich gar nicht. Aber das ist ein schöner Zufall: Ich glaube, die Initiatoren wussten gar nicht, dass ich mich in meinem kommunalpolitischen Engagement für ältere Menschen eingesetzt habe. Zum Beispiel habe ich 2007 im Kreistag das erste umfassende seniorenpolitische Gesamtkonzept beantragt, das später auch Vorlage für die Gemeinden wurde. Ziel war, dass ältere Menschen uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Heute sind viele der damals beschlossenen Maßnahmen umgesetzt.

Und warum haben Sie zugesagt?

Schirmherrschaften für Veranstaltungen und Ähnliches zu übernehmen, das kenne ich bereits aus meiner Zeit als Bürgermeister und Landrat. Da geht es einmal darum, die Bedeutung des jeweiligen Anlasses hervorzuheben, aber auch um die Anerkennung der Arbeit von Menschen, die sich für das Gemeinwohl engagieren: Das, was ihr dort tut, ist wichtig für die Gesellschaft! Deshalb habe ich diese Aufgabe für die Seniorenthementage gerne übernommen.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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