Ebersberg:"Ich bin schon als Kind im Alten Kino rumgesprungen"

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Der neue Stern am Himmel des Alten Kinos in Ebersberg: Violetta Ditterich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Violetta Ditterich ist das neue Gesicht der Ebersberger Kleinkunstbühne. Wie die 29-Jährige von der Teamassistentin zur Moderatorin wurde.

Von Anja Blum, Ebersberg

Wird sie etwa die neue Babsi Schöneberger? Oder vielleicht Ina Müller? Wer weiß. Frech, spontan und schön ist sie jedenfalls jetzt schon, die junge Moderatorin des Corona-gebeutelten Alten Kinos. Violetta Ditterich heißt das frische Gesicht der Ebersberger Kleinkunstbühne, an diesem Donnerstag, 19. November, ist sie wieder in dessen neuem Onlineformat zu sehen. Die Reihe "Vollbremsung - das Alte Kino spielt mit" ist eine Eigenproduktion, ein Abend aus Liveszenen, Quiz und Einspielern, geboren aus der Not, aber durchaus geneigt, zu höchster Tugend zu avancieren.

Das gleiche gilt für Ditterich, die alle nur "Vio" nennen. Die Erfordernisse eines Streamingprogramms haben die 29-Jährige ans Mikrofon gespült, erstmals im Mai. Da begann das Alte Kino, seine Liveübertragungen mit einem hauseigenen Vorprogramm zu veredeln. "Also kam Markus (Geschäftsführer Markus Bachmeier, Anm. d. Red.) zu mir und fragte, ob ich nicht ein paar Quizfragen stellen wolle, zusammen mit seiner Tochter Marilena." Auch Ditterich selbst ist übrigens mit dem Chef der Bühne verwandt, Bachmeier ist ihr Onkel. "Deswegen bin ich schon als Kind öfter im Alten Kino rumgesprungen." Es ist also eine nostalgische, emotionale Bindung, die sie zu der Kleinkunstbühne pflegt.

Dort zu arbeiten, kam Violetta Ditterich trotzdem lange nicht in den Sinn, ihr bisheriger Lebensweg ist vielmehr ein gutes Beispiel dafür, wie verschlungene Pfade zu einem Ziel führen können, das man zunächst überhaupt nicht vor Augen hatte. Ihre Kindheit verbrachte Ditterich in Oberpframmern, als sie sieben Jahre alt war, zog die Familie um nach Italien. Erst als es aufs Studium zuging, kehrte die junge Frau nach Deutschland zurück, lebte anfangs in Passau, dann in Weimar, wo sie Medienwissenschaften studierte. Mit der Familie in der bayerischen Heimat aber hielt sie stets engen Kontakt, auch in kreativer Hinsicht:

Für Sunspiration, die Band von Cousin Lenny Bachmeier, schrieb Violetta Ditterich die Texte. Als sie dann Ende 2017 ihren Master in der Tasche hatte, gab es ein "langes, sehr gutes Gespräch" mit dem Ebersberger Onkel - und das Angebot, im Alten Kino einzusteigen. Ditterich war angetan und sagte zu, obwohl ein Job im Kulturmanagement eigentlich nicht ihr Plan gewesen war. Eine Bauchentscheidung, könnte man das wohl nennen. "Auch Markus scheint es nicht so wichtig zu sein, welche Zeugnisse man hat, er schaut sich lieber den Menschen an", sagt die 29-Jährige. Überdies habe, im Nachhinein besehen, schon ihre Masterarbeit in Richtung Ebersberger Kulturfeuer und Co. gewiesen, Thema: "Der Körper als Medium des Rauschs in der Festivalkultur".

Ihr Mädchentraum: Schriftstellerin, Journalistin oder Radiomoderatorin

Doch was wollte Ditterich denn ursprünglich einmal werden? "Geheimer Mädchentraum: Schriftstellerin ", sagt sie, "offiziell: Journalistin, oder auch Radiomoderatorin". Lesen, Sprache, Formulierungen - das alles habe sie immer fasziniert. Die Arbeit als Teamassistentin im Alten Kino aber war davon zunächst einmal relativ weit entfernt. Eine Veranstaltung dort zu verantworten, verlange zwar vieles, erklärt Ditterich, sei aber nicht unbedingt kreativ.

Es gehe um jede Menge Büroarbeit wie Verträge, Rechnungen oder Abstimmungen über Technik, sowie Präsenz am Abend. Der Chef vom Dienst übernimmt alles von der Bestuhlung über die Einweisung des Personals bis hin zum Kassensystem. Und gibt es irgendein Problem, muss er es lösen - sei es nur eine vergessene Nachspeise, oder gar ein kollabierter Zuschauer. "So ein Notfall ist mir schon zwei Mal passiert, in nur einem Monat", erzählt Ditterich, die mittlerweile übrigens wieder in Oberpframmern lebt.

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Doch dabei sei deutlich geworden, dass sie ganz gut Ruhe bewahren könne, selbst wenn es reichlich hektisch werde, sagt sie. Eine Eigenschaft, die auch vor laufender Kamera extrem nützlich ist. "Es hilft ja nichts, wenn man bei einer Panne nervös wird, da muss man einfach offen damit umgehen. Vor Problemen, gerade bei der Technik, ist doch niemand gefeit." Und überhaupt brauche es viel mehr Formate mit Making-Of-Charakter: "Das ist doch schön!"

Ein paar Quizfragen also. Violetta Ditterich freute sich auf die kreative Herausforderung, sprang ins kalte Wasser - und machte eine außergewöhnliche Erfahrung: "Es hat mir sofort mega Spaß gemacht", erzählt sie, "ich hab einfach drauf los geplappert und es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, dabei beobachtet zu werden!" Auch das Team sei ziemlich überrascht gewesen: Man habe gar nicht geahnt, dass sie so eine "Kamerasau" sei. "Es ist einfach eine große Umschulung, die im Alten Kino wegen Corona gerade stattfindet, das ist für alle sehr spannend", sagt Ditterich.

Plötzlich ist "Vio" in ihrem Element

Für sie jedenfalls ist nun klar, dass das Moderieren eine Richtung sein könnte, die sie weiterverfolgt. Vor allem in diesem professionellen, aber doch lockeren Rahmen der Ebersberger Kleinkunstbühne genieße sie diese neue, kreative Aufgabe sehr, sagt sie. Der Chef lasse ihr dabei freie Hand, sie sei in den ganzen Ablauf der Show eingebunden und formuliere jede ihrer Karten selbst: Überleitungen zur jeweils nächsten Nummer im Programm, diverse Quizfragen, Organisatorisches. Zu wissen, was als nächstes kommt, verleiht die nötige Sicherheit.

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Der schönste Moment aber sei, sagt die 29-Jährige, wenn sie vor der Kamera "in einen Flow komme" - wenn irgendein Einfall oder Zufall sie wegführe vom Skript und sie zu improvisieren beginne. Denn dann sei die ganze Nervosität, die sie freilich noch immer bei jedem Auftritt plage, mit einem Mal wie weggeblasen, dann sei da nur noch pure Euphorie.

Man kann diese Veränderung sehr schön beobachten vor dem Bildschirm: Plötzlich ist "Vio" in ihrem Element - dann quasselt sie einfach drauf los, ohne Punkt und Komma, manchmal auch in unvollständigen Sätzen, aber unvergleichlich charmant, locker und witzig. Als säße man einfach an der Bar bei einem Bier mit ihr. Und für das Publikum ist ja auch fast so: Besonders viele Anregungen für Spontaneität biete der Chat, sagt die junge Moderatorin, in dem sich die Zuschauer und Zuschauerinnen während der ganzen Sendung mit ihr, aber auch untereinander austauschen. "Das ist toll, als hätte man ganz viele Gesprächspartner."

Auch in ihrem privaten Umfeld seien die Reaktionen durchweg positiv, sagt Ditterich - Tenor: "Du bis wie gemacht dafür!". Nur die Mama habe ihr mal einen kleinen Ratschlag erteilt: "Sie würde das Wort Scheiße in dieser Situation doch lieber aus ihrem Wortschatz verbannen", erzählt die junge Moderatorin und lacht. Ja, Authentizität vor der Kamera ist Dittrichs große Stärke - und sie hofft, sich diese auch beibehalten zu können.

Mehr, beziehungsweise konkretere Pläne hat die Oberpframmernerin nicht - steht doch momentan die Zukunft der ganzen Kulturbranche in den Sternen. Im Alten Kino rechne man jedenfalls damit, dass die Bühnenschließung nicht so schnell aufgehoben wird, es könnte also gut sein, dass die "Vollbremsung" als Onlineformat noch weitergeht. "Letztens haben wir tatsächlich schon über eine mögliche Weihnachtsshow gesprochen", sagt Ditterich.

Fest steht: Die 29-Jährige würde es genießen, wenn ihr Engagement vor der Kamera in Ebersberg noch ein wenig länger andauern würde als bis Ende November. "Das Alte Kino ist einfach eine super Spielwiese, auf der ich mich austoben kann." Hoffen wir, dass sie ihr nicht allzu bald zu klein wird.

Livestream: "Vollbremsung - Teil 2", Eigenproduktion des Alten Kinos, am Donnerstag, 19. November, um 20.30 Uhr. Tickets unter (08092) 255 92 05 oder www.kultur-in-ebersberg.de, Preis frei wählbar.

© SZ vom 19.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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