Kultur in Vaterstetten:Corona-Verbote sind passé, die Marktmusik bleibt

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Die tolle Sandtner-Orgel in der Pfarrkirche Vaterstetten ist der Grund, dass Beatrice Menz-Hermann einst in die Gemeinde kam. (Foto: Christian Endt)

Eigentlich war die Veranstaltungsreihe ein kleines Schlupfloch, um auch während der Pandemie ein bisschen Kultur bieten zu können. Heute möchte Initiatorin Beatrice Menz-Hermann die kleinen, hochkarätigen Konzerte in der Vaterstettener Pfarrkirche nicht mehr missen.

Von Anja Blum, Vaterstetten

Wenn Beatrice Menz-Hermann sich etwas in den Kopf gesetzt hat, kann sie offenbar nichts bremsen, nicht einmal eine Pandemie. Als im Frühjahr 2020 plötzlich alle Konzerte verboten waren, nutzte die Vaterstettener Kirchenmusikerin kurzerhand ein Schlupfloch, um die Fahne der Kultur weiterhin hochzuhalten: Gottesdienste und andere geistliche Veranstaltungen waren - unter Auflagen freilich - erlaubt, also ersann Menz-Hermann einfach eine neue Reihe, eine regelmäßige Andacht mit dem Namen "Marktmusik". Ziel war es, den Menschen trotz Corona Impulse in Wort und Ton zu geben sowie freiberufliche Kolleginnen und Kollegen, deren Einnahmequellen weggebrochen waren, zu unterstützen.

Bei der ersten Ausgabe gab Menz-Hermann selbst ein Solo an der Orgel, in den Bänken saßen gerade mal drei Zuhörer. Doch die Kirchenmusikerin ließ sich nicht beirren - und hatte das neue Format mit ihrem Engagement und Geschick bald in eine echte Institution verwandelt. "Heute kommen jeden Donnerstag 30 bis 50 Menschen", sagt sie, "bei hier bekannten Künstlern wie der Familie Graf ist es proppenvoll." Sogar ganze Schulklassen hätten die Marktmusik schon besucht. Der treueste Fan aber sei jedes Mal dabei, erzählt die Kirchenmusikerin: einer ihrer Gesangsschüler, Mitte 80 schon, und von den kleinen Konzerten derart begeistert, dass er alle Programmzettel sorgsam daheim aufbewahre.

Freut sich über jeden, der zur "Marktmusik" in die Kirche kommt: Initiatorin Beatrice Menz-Hermann. (Foto: Christian Endt)

Das Konzept der Konzertreihe ist denkbar einfach: Immer donnerstags um um 10.15 Uhr, parallel zum Vaterstettener Wochenmarkt, daher der Name, gibt es in der Pfarrkirche zum kostbaren Blut Christi eine halbe Stunde niveauvolle Musik, garniert mit spirituellen Texten und meist einer Bildbetrachtung. Zusammengestellt wird das Programm von Menz-Hermann selbst, jedes Mal setzt sie ein anderes überwölbendes Thema. Zuletzt hießen diese "Klangreise", "Geschwisterliebe", "Freudiges Erwachen" oder "Tanz und Lebensfreude". Der Eintritt ist frei, doch es werden Spenden für die Musiker erbeten. Ein Konzept, das in Vaterstetten gut funktioniere, so die Initiatorin.

"Eigentlich dachte ich, so eine kleine Reihe zu organisieren wäre wenig aufwendig, aber mittlerweile habe ich das schon ziemlich perfektioniert", sagt die 44-Jährige und lacht. Die Akquise der Musikerinnen und Musiker, die Programmgestaltung, die Flyer, die Öffentlichkeitsarbeit, der Aufbau in der Kirche und nicht zuletzt die Finanzen: Trotz ihrer überschaubaren Dauer steckt hinter der Marktmusik doch einiges an Arbeit. Doch Menz-Hermann ist der bunte Reigen mittlerweile derart ans Herz gewachsen, dass sie ihn offenbar nicht mehr missen möchte: Obwohl inzwischen wieder alle Formate von Veranstaltungen erlaubt sind, gehen die Mini-Konzerte weiter. Die Termine sind bereits bis Ende Dezember vergeben. "Ich genieße das einfach sehr, egal, ob ich selber spiele oder nur zuhöre", schwärmt Menz-Hermann.

Sogar der bekannte Filmkomponist Enjott Schneider (rechts) war schon bei der Marktmusik zu Gast, der Organist Jürgen Geiger spielte dessen Werke. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ganz besonders freut sich die Organistin, dem Publikum "echt gute Musiker" präsentieren zu können. "Mittlerweile melden sich die Kollegen selbst bei mir und fragen, wann sie spielen können." Für viele sei die kleine Marktmusik eine schöne Gelegenheit, neue Stücke oder Besetzungen auszuprobieren, außerdem werde die meditative Atmosphäre in der Kirche sehr geschätzt. Und falls ein Solist Begleitung benötigt, steht Menz-Hermann an Klavier, Orgel oder Cembalo parat. Ein weiterer Aufwand, der nicht zu verachten ist: "Ich spiele zwar relativ gut vom Blatt, aber bei einer Opernarie mit sechs Kreuzen muss ich schon üben", sagt sie.

Überhaupt: Obwohl ausgewiesener Bach-Fan, schätzt Menz-Hermann die stilistische Vielfalt der Marktmusik sehr. Oper, Tango, Filmmusik, Zeitgenössisches - sie spiele und höre gerne auch mal etwas anderes als den großen Barock-Meister. Doch ganz ohne ihn geht es auch nicht: Am Donnerstag, 29. September, spielt Menz-Hermann, die ihr Examen im Konzertfach Orgel und A-Kirchenmusik in München und Prag absolvierte, mal wieder ein Solo. Auf dem Programm stehen zwei größere Werke: "Präludium und Fuge über B-A-C-H" von Franz Liszt und die Große Fantasie und Fuge in g-Moll von Johann Sebastian Bach.

Nach Vaterstetten kam Menz-Hermann einst übrigens wegen eines Instruments, wegen jener Sandtner-Orgel, die heuer 20. Geburtstag feiert. Fast genauso lange ist die Kirchenmusikerin aus Faistenhaar nun schon in der Gemeinde und glänzt schon lange nicht mehr nur mit ihrem ausgezeichneten Spiel. Mittlerweile hat sie zusätzlich zum Kirchenchor diverse Nachwuchsensembles aufgebaut, pflegt fruchtbare Kooperationen mit Kindertagesstätten sowie Schulen, organisiert immer wieder Konzerte und ist für die musikalischen Belange des gesamten Pfarrverbands von Neufarn über Baldham bis Neukeferloh zuständig. "Das hat sich alles echt gut entwickelt", sagt sie, merklich zufrieden. Doch mal abwarten, was sich die 44-Jährige als nächstes in den Kopf setzt.

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