Umstrittenes Projekt bei Nettelkofen:Bund Naturschutz und CSU geraten wegen Eiche aneinander

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Der Streit dreht sich um die Verkehrssicherheit und rechtliche Folgen eines Straßenumbaus zur Rettung des alten Baums

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

In mehreren Protestaktionen haben sich Naturschützer gegen die Fällung der alten Eiche stark gemacht. (Foto: Christian Endt)

Die Auseinandersetzung um die 300 Jahre alte Eiche an der Kreisstraße zwischen Nettelkofen und dem Seeschneider Kreisel geht in die achte Woche. Auf der reinen Sachebene war das emotional besetzte Thema noch nie angesiedelt, seit der Bund Naturschutz und die Kreis-Grünen es durch Protestaktionen und Anträge ins öffentliche Bewusstsein gerückt haben. Bereits zweimal ist das Thema im Umweltausschuss (ULV) behandelt worden, in der vergangenen Woche sollte eigentlich in einer Sonderaussitzung die endgültige Entscheidung über das Ob und Wie zu Neu-Planungen getroffen werden.

Nun hat sich an der Verwaltungsvorlage zu jener Sondersitzung ein Streit zwischen der CSU-Fraktion und dem Bund Naturschutz, respektive dessen Kreisvorsitzenden Olaf Rautenberg entwickelt, der das Potenzial hat, die Sachebene vollends zu verlassen. Um Verkehrssicherheit, die Aufrechterhaltung der staatlichen Förderfähigkeit für die neue Straße und die Haftung für Unfälle war es schon in der ersten Sitzung gegangen, Unfälle also, die sich aus einer nicht richtlinienkonformen Neuplanung mit einer nicht behobenen Engstelle im Wald ergeben könnten. Eine solche Engstelle würde wohl bei jeder der nun diskutierten Planungsvarianten erhalten bleiben. Den haftungsrechtlichen Folgen im privat- wie im strafrechtlichen Bereich waren in der Sitzungsvorlage vier von zehn Seiten gewidmet und mit der Empfehlung versehen, die Kreisräte namentlich abstimmen zu lassen.

Der BN-Vorsitzende spricht von "Psycho-Druck"

Schon in der Sitzung war vereinzelt Unmut darüber zu spüren gewesen, nun aber hat Bund-Naturschutz-Vorsitzender Rautenberg mit einem an die Mitglieder des Umweltausschusses adressierten Schreiben unter dem Betreff "Psycho-Druck für ULV-Ausschuss" nachgelegt. In der Vorlage schlage der juristische Berater des Landrats einen weiten Bogen vom Artikel 2 des Grundgesetzes, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, über Ausführungen von Professoren und Gerichtsurteile bis zu einer Unfallstatistik von 1998, der zufolge 1810 Menschen bei Baumunfällen gestorben sind.

Nicht genannt worden seien aber jene Unfallopfer, die etwa aufgrund von überhöhter Geschwindigkeit, Alkohol oder unerlaubter Überholmanöver gestorben seien. "Man könnte meinen, Unfallursachen seien die Bäume am Straßenrand", so Rautenberg, und "die Mandatsträger, die das Abholzen solcher Bäume verweigern, seien mit schuld am Tod dieser Unfallopfer." Er habe in 16 Jahren als Mitglied des Grafinger Stadtrats nie erlebt, "dass bei zweifelhaften kritischen Bauvorhaben mit dem dezenten Hinweis auf die private und strafrechtliche Haftung psychologischer Druck auf die ,Abweichler' ausgeübt wurde".

Bei der CSU findet man die Vorwürfe "anmaßend"

Für die CSU-Fraktion im Ausschuss hält Martin Lechner den Vorwürfen nun ebenfalls schriftlich entgegen, mit dem Verwaltungsschreiben sei nichts anderes getan worden, als dem Auftrag aus der vorherigen Ausschusssitzung Folge zu leisten: nämlich, Haftungsfragen zu klären. Rautenbergs Betreff empfinde er als "anmaßend, um nicht zu sagen unverschämt". Wenn der Ausschuss beschließen sollte, "das Teilstück, entgegen den Rechtsnormen und den vom Ingenieurbüro dargestellten Notwendigkeiten, so zu bauen wie wir als ,Straßenbau-Laien' uns das wünschen" und es passiere dort ein Unfall, werde jeder findige Anwalt Schuldige suchen und finden. "Genau davor warnt der Sachvortrag." Womöglich dürfe gar ein solcher Beschluss gar nicht erst vollzogen werden.

Lechners Erwiderung schloss sich Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in einer eigenen Stellungnahme an. Psycho-Druck erzeuge vielmehr der Bund Naturschutz selbst durch Mailings an sämtliche Kreisräte. "So ein Dauerbeschuss kann auch mal ins Knie gehen." Er lasse sich in seinem Handeln "lediglich vom dem gewonnenen Respekt der altehrwürdigen Eiche gegenüber leiten", nicht von der "politisch grenzwertigen Agitation einzelner Mitglieder" des BN. Im Übrigen erhalte er hierzu sehr viele Rückmeldungen mit diametral anderer Auffassung.

© SZ vom 17.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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