Trainer bei Forst United Ebersberg:Klaus Bergmann, der Jupp Heynckes des Handballs

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Hier kommen die Spielerinnen mit ihrem Coach zur Besprechung zusammen. (Foto: Christian Endt)

Er hatte den Trainerjob schon abgehakt. Dann kam er zurück zum Frauenteam des TSV Ebersberg - und mit ihm der Erfolg.

Porträt von Viktoria Spinrad, Ebersberg

Die Mädels stehen am Kreis, den man im Handball nicht betreten darf. Spielzugtraining, zweiter Anlauf. "Auf geht's", ruft Klaus Bergmann und klatscht in die Hände. Der 1,90-Mann geht ein paar Schritte rückwärts, da stolpert er fast über das Küken der Mannschaft. Die 16-jährige Theresa Lettl und ihr 63-jähriger Trainer lachen ausgelassen, bevor er ihr noch eine Anweisung gibt. Seine Hände malen Kreise in die Luft. Theresa nickt. Beide sind Linkshänder, rechte Rückraumspieler, die dem Team maßgeblich zum vorzeitigen Aufstieg verholfen haben. Dabei ist es fast ein Wunder, dass beide überhaupt im Team sind.

Ein normales Training am Donnerstagabend: Das Bild zeigt Theresa Lettl beim Torwurf. (Foto: Christian Endt)

Ein Donnerstagabend in der Dr.-Wintrich-Halle, Training der ersten Frauen-Mannschaft des TSV Ebersberg Forst United. Die Handbälle knallen mal an die Latte und immer wieder ins Tor. Und der Mann, der vor 27 Jahren bereits die erste Herrenmannschaft des TSV erstmals in die Landesliga führte, geht kaugummikauend an der Linie auf und ab. Er ruft "Tempo", wenn eine Mannschaft im Trainingsspiel den Ball erobert.

Noch einmal Gas geben vor dem letzten Heimspiel am kommenden Sonntag, das scheint hier in der Halle trotz des bereits gesicherten Aufstiegs keinen zu stören. "Die Mädels wollen gepusht werden, mit ihnen kann man als Trainer nichts falsch machen", sagt Bergmann. "Er hat hier viel zur guten Stimmung beigetragen", sagen die Mädels.

Klaus Bergmann trainiert mittlerweile die erste Frauenmannschaft der Handdballerinnen vom TSV Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Denn dass die erste Frauenmannschaft den historischen Aufstieg in die Landesliga schaffen würde, war so nicht abzusehen. In der Hinrunde gab es ein Remis und eine Niederlage, aber nur der Tabellenführer steigt auf. Die Mädels warfen zwar reihenweise Tore, kassierten aber noch zu viele; zudem gab es Probleme mit dem damaligen Coach, sodass der Co-Trainer zwischenzeitlich ran musste. Da genoss Klaus Bergmann bereits seit drei Jahren den Ruhestand. Vorbei die Zeiten, in denen sich der ehemalige Bundesligaspieler des TSV Milbertshofen und zweifache Europameister mit der Polizeimannschaft mit Schiedsrichtern rumärgern oder quer durch die Weltgeschichte fahren musste.

Von den Spielerinnen ist kaum eine über 20

Jetzt aber steht der frühere Bundesligaspieler mit den weißen Haaren und den weichen Gesichtszügen im "Forst United"-Shirt in der Halle, Hände in den Hüften, Blick auf die Mädels, deren Väter er früher als Spielertrainer zu einer Hochphase im Männerhandballs beim TSV antrieb. Er schwärmt von den spielerischen Qualitäten der Spielerinnen, von denen kaum eine älter ist als 20 Jahre.

Dass sich die Wege mit seinem früheren Heimatverein wieder kreuzen würden, das war so nicht geplant. "Eigentlich wollte ich gar nicht mehr in den Leistungsbereich", sagt Bergmann mit Blick auf die Mädels, die schnelles Passspiel üben. Wirklich weg aus Ebersberg war er aber sowieso nie: Seine Tochter Michelle spielt bei den Frauen; er wusste also, was für eine Mannschaft ihn erwartete. Wusste, dass er mit diesem Team das "Projekt 2020" angehen sollte.

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So ließ sich der pensionierte Bundespolizist an Weihnachten breitschlagen, "zum Glück", wie er grinsend sagt. Er kehrte zurück zu seinen sportlichen Wurzeln - genau wie FC-Bayern-Trainer Jupp Heynckes. Bergmann, der "Abwehrfanatiker", wie sie ihn hier nennen, stellte die Verteidigung auf ein offensives System um. Seitdem hat die Truppe aus Schülerinnen, Studentinnen und Auszubildenden alle Spiele gewonnen.

Das Team schaffte den Durchmarsch durch zwei Ligen

Trinkpause, schwer atmend unterbrechen die Spielerinnen ihr Trainingsspiel, an der Sitzbank wird getratscht, gekichert, gelacht. Viele kennen sich hier seit der Kindheit, sind zusammen großgeworden - und haben einige Trainer kommen und gehen sehen. "Wir sind manchmal hektisch, aber Klaus strahlt einfach viel Ruhe aus", sagt Theresa Lettl. Auch sie ist eine Ausnahmeerscheinung im Team: Mit einer Sondergenehmigung spielte sie bereits mit 15 Jahren in der Damenmannschaft, für die man eigentlich mindestens 16 sein muss - und verhalf dem Team so mit zum Aufstieg.

Damit ist sie ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Professionalisierung des Frauenhandballs in Ebersberg: Neue Trainer, ein eigener Mannschaftsbus, Kraftraum, Sportarzt, Sponsorenkonzept - mittlerweile spielen alle weiblichen Jugendteams mindestens auf Landesliga-Ebene. Und nun auch die "Erste", direkt durch zwei Ligen durchmarschiert, zuletzt mit dem gebürtigen Oberpfälzer, auf den man in Ebersberg gerne hört.

Dafür gibt es gute Gründe. "Klaus Bergmann hat hier zu seiner Zeit wesentliche Fußstapfen hinterlassen", schildert einer, der es wissen muss: Peter Feddern, 74, der Trainer, der Bergmann einst in die Bundesliga holte. "Er hat einen sehr starken Willen", so Feddern. Dieser dürfte dem Team bei dem nächsten Langzeitprojekt - dem Aufstieg in die Bayernliga - zugutekommen. Als nächstes aber soll erst einmal gefeiert werden - mit einem Saisonfinale in der Halle am Sonntag von 15 Uhr an mit dem letzten Heimspiel gegen den abstiegsbedrohten TSV Brannenburg.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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