Realschule Markt Schwaben:"Verbessern kann man immer was"

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Die Schüler Benedikt Sedlmeir, Oliver Henkel, Tim Scheller und Leon Ladan (von links) mit ihren Landwirtschaftsrobotern. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit einer gehörigen Portion Perfektionismus bauen und programmieren junge Konstrukteure der Lena-Christ-Realschule Markt Schwaben autonome Miniatur-Landmaschinen. Sie erreichen damit das Finale eines bayernweiten Robotikwettbewerbs.

Von Jakob Heim, Markt Schwaben

Man spürt wie sehr sie dieses eine, scheinbar kleine Problem beschäftigt haben muss, wenn die drei Konstrukteure die Funktionsweise ihres Roboters erläutern. Dieser sieht auf den ersten Blick aus wie ein Lego-Technik-Bausatz für Fortgeschrittene, und im Grunde ist er das auch. Und doch kann er so viel mehr als ein handelsübliches Spielzeug. Seinen Baumeistern stand keine Anleitung zur Verfügung. Sie hatten nur eine Aufgabe und ein gewisses Portfolio an Teilen, um diese Aufgabe zu lösen. Ihrer Kreativität waren dabei fast keine Grenzen gesetzt. Und so improvisierten sie eben, als dieses eine Zahnrad einfach nicht an seinem Platz bleiben wollte: Sie verwendeten ein Kugellager, eigentlich bestimmt um die Bewegungsfähigkeit des Fahrzeugs zu verbessern, als Gegengewicht. Damit ließ sich das Zahnrad entlasten, das Problem hatten die Ingenieure gelöst.

Ausgebildete Ingenieure sind die drei Tüftler natürlich noch nicht. Ebenso wenig wie ihr etwas älterer Kollege Benedikt Sedlmeir, der einen eigenen Roboter gebaut hat. Noch gehen alle vier zur Schule. Oliver Henkel, Tim Scheller und Leon Ladan besuchen die siebte und achte, Benedikt Sedlmeir die neunte Klasse der Lena-Christ-Realschule in Markt Schwaben. Aber wie sich das für Ingenieure gehört, scheinen die vier fasziniert zu sein von der Lösung technischer Probleme. Geschichten wie die des eigenwilligen Zahnrads haben sie unzählige zu berichten. Ständig versuchten sie ihren Roboter zu optimieren, ihn fit zu machen für den anstehenden Wettbewerb.

161 Teams nehmen an den Robotikmeisterschaften der Realschulen teil

Anfang Juli war es dann so weit: Das große, bayernweite Finale stand an. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Anja Sundhaus traten die Schüler eine Reise in die Oberpfalz an. In Amberg wurden die besten Roboterkonstrukteure an Bayerns Realschulen gesucht. Mit im Gepäck: Natürlich die Meisterwerke schulischer Ingenieurskunst, die ihnen den Einzug ins Finale beschert hatten.

Jährlich richten die "Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft", das "Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft" und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Robotikmeisterschaften der bayerischen Realschulen aus. Der Wettbewerb solle die digitalen, technischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler stärken, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums. 50 Schulen nahmen mit 161 Teams an der diesjährigen Auflage teil.

Seit zwei Jahren bietet die Mathematik- und IT-Lehrerin Anja Sundhaus das Wahlfach Robotik an. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Um so beeindruckender das Abschneiden der Markt Schwabener: Oliver Henkel, Tim Scheller und Leon Ladan belegten bayernweit den sechsten Platz in der Einsteigerklasse, Benedikt Sedlmeir wurde zwölfter bei den Fortgeschrittenen. Benedikt gibt sich damit nicht zufrieden, immerhin lief es im Vorentscheid, der bei ihnen in Markt Schwaben stattfand, noch deutlich besser. Mit seinem damaligen Ergebnis wäre er bayernweit sechster geworden. "Beim Wettbewerb funktioniert's manchmal einfach nicht", sagt seine Lehrerin Anja Sundhaus. Kein Grund jedoch zu resignieren.

Akribisch erledigen die kleinen Landmaschinen ihre Aufgaben

Dass er eigentlich in der Lage ist, seine Aufgabe zu meistern, beweist sein Roboter, als Benedikt Sedlmeir ihn vorführt. Einen nahezu perfekten Lauf legt er auf das circa ein auf zwei Meter große, weiße Spielfeld. Darauf dreht er selbstständig seine Runde entlang einer schwarzen Linie, die zwei Sensoren an seiner Unterseite erkennen und die ihm auf diese Weise hilft, seinen Weg zu finden. Aufgabe ist es verschiedenfarbige Legosteine zu identifizieren und unterschiedlich zu behandeln. Der Wettbewerb stand in diesem Jahr unter dem Motto "Power Bauer". Die Steine stellen unterschiedliche Gegenstände aus dem landwirtschaftlichen Bereich dar. Braune Kühe zum Beispiel dürfen nicht verletzt werden, sonst droht ein saftiger Punktabzug. Erkennt der seitlich verbaute Sensor einen blauen Stein, der eine Energiequelle imitiert, öffnet der Roboter seinen Greifarm und sammelt ihn ein. Handelt es sich um rotes Unkraut, schmeißt er ihn um, zu grünen Pflanzen lässt er über ein Förderband kleine blaue Wassersteine herab.

Etwas weniger komplex ist die Aufgabe, der sich Oliver, Tim und Leon in der Einsteigerkategorie widmeten. Ihr Roboter musste gelbe Strohballen aufsammeln, ohne dabei herumstehende Tiere und Pflanzen zu verletzen. Für jeden aufgesammelten Ballen, der am Ende im Start- und Zielfeld abgelegt wurde, gab es zwei Punkte. Lagen jedoch mehrere Mannschaften gleichauf, kam es auf die Geschwindigkeit an. Um möglichst schnell zu sein, orientiert sich ihr Roboter nicht entlang einer Linie, sondern fährt kreuz und quer über das Spielfeld. Seine Route mussten die Schüler exakt programmieren. Trotzdem erreichten die drei Einsteiger im Finale zwar die optimale Punktzahl, jedoch waren fünf ihrer Konkurrenten schneller im Ziel. Hier sehen sie deshalb den größten Nachholbedarf, wenn sie im nächsten Jahr erneut antreten. Dann wird es zwar neue Aufgaben geben, die ihnen erst im Oktober mitgeteilt werden, Geschwindigkeit bleibt aber das Zünglein an der Waage. Sie sammeln schon jetzt Ideen, wie sich Gewicht einsparen lässt.

Die Schüler versuchen permanent ihre Roboter zu verbessern

Die innovative Lösung ihres Zahnradproblems steht bereits wieder auf dem Prüfstand: "Das Gegengewicht ist natürlich unnötiger Ballast", sagt Oliver, "aber es gibt kein anderes Zahnrad, das passt", wendet Leon ein. Auf der Suche nach technischen Lösungen wird den Schülern einiges an Spielraum gewährt. Lediglich eine Maximalgröße ist vorgeschrieben und nur eine Recheneinheit darf verbaut werden. Die stammt, wie alle Teile, von der Firma Lego, die auch die Software liefert, mit der sich die Roboter programmieren lassen. Das funktioniert nicht, wie man es sich vielleicht vorstellt, mit vielen Einsen und Nullen, sondern blockbasiert, in einer übersichtlichen Bedienungsoberfläche. Die Schüler können Handlungsabläufe einstellen, in dem sie an ihren Tablets Blöcke aneinanderketten, die für einzelne Befehle stehen. Diese Art des Programmierens vereinfache die Materie erheblich, sagt Anja Sundhaus. So werde schon Schulkindern ein Einstieg in die Programmiersprache ermöglicht. Ab dem nächsten Jahr solle blockbasiertes Programmieren in allen siebten Klassen auf dem Lehrplan stehen, erzählt Sundhaus, die neben IT auch Mathematik lehrt.

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Auch in diesem Bereich galt es für die vier jungen Tüftler die richtige Feinabstimmung zu finden. Langsam mussten sie sich an den Punkt herantasten, bei dem ihre kleinen Landmaschinen schnellstmöglich zurück im Start- und Zielfeld waren, aber dennoch ihre Aufgaben fehlerfrei bewältigten. "Überhaupt ist man nie fertig", sagt Anja Sundhaus, "verbessern kann man immer was." So sehen das auch ihre Schüler: Häufig hätten sie nach den eineinhalb Stunden, die der Robotikunterricht wöchentlich eigentlich dauerte, noch freiwillig weitergebastelt, bestätigt Sundhaus. In zahlreichen Testläufen hätten sie immer wieder Worstcase-Szenarien durchgespielt, erzählt Leon, um auf alle Möglichkeiten vorbereitet zu sein.

Trotz des zeitlichen Mehraufwands möchten alle vier das Wahlfach auch im nächsten Jahr wieder belegen und erneut bei den Meisterschaften antreten. Für weitere interessierte Schüler, vielleicht auch einige Schülerinnen hätte Lehrerin Sundhaus durchaus noch Kapazitäten: Fünf Roboter-Baukästen besitzt die Lena-Christ-Realschule, daran könnten bis zu zehn Schülerinnen und Schüler werkeln, sagt sie. Außerdem solle demnächst die Umwandlung eines Physikraums in ein "Lernlabor", mit idealen Bedingungen für den Roboterbau, abgeschlossen sein. Vor zwei Jahren rief Sundhaus das Wahlfach Robotik ins Leben und fördert seitdem den Erfindergeist ihrer Schülerinnen und Schüler. Offenbar ist man an der Lena-Christ-Realschule entschlossen diesen Weg weiterzuführen.

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