Waldunfälle:Wenn es im Holz um Leben und Tod geht

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Zu acht tragen die Helfer einen Mann aus dem Ebersberger Forst. Es ist eine Simulation, die jedoch echt wirkt. (Foto: Mathilde Wicht/oh)

Mehr als die Hälfte aller schweren Waldunfälle in Deutschland ereignen sich in Bayern. Unterwegs bei einer Rettungsübung im Ebersberger Forst.

Von Mathilde Wicht, Ebersberg

Der Verletzte: ein Rettungssanitäter in Ausbildung, der für diesen speziellen Anlass als Schauspieler fungiert. Er hat nicht wirklich eine Kopfverletzung. Und auch keine Schnittwunde am Bein. Doch es wirkt sehr echt. Lautstark macht er auf sich aufmerksam. Gruppe eins kümmert sich um den Verletzten, sie fangen an ihn zu versorgen: Ein Druckverband. Als er das Bewusstsein verliert, die stabile Seitenlage. Währenddessen ruft Gruppe zwei den Krankenwagen.

Astrid Fischer, die zuständige Revierförsterin am Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten Ebersberg. (Foto: Mathilde Wicht/oh)

Freitagmorgen, 9 Uhr, und in Ebersberg scheint die Sonne. Treffpunkt ist der Parkplatz des Ebersberger Waldmuseums, denn von hier aus ist der Ebersberger Forst nicht mehr weit. Hier findet die erste Rettungsübung für Forstleute statt, die von Astrid Fischer, der zuständigen Revierförsterin am Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten Ebersberg, organisiert wurde. "Das wird heute sehr spannend, viele von denen, haben so etwas länger nicht mehr gemacht", sagt Astrid Fischer.

Die Teilnehmer stehen bereit, dabei sind insgesamt zwölf Männer und eine Frau. Ebenfalls anwesend ist die Leiterin des Rettungsdienstes im Kreis Ebersberg, Martha Stark. Sie wird die Erste-Hilfe-Aspekte der Rettungsübung koordinieren und überwachen. Rettungssanitäter und ein Krankenwagen stehen bereit. Es soll alles so echt wie möglich gestaltet werden, um die Situation realitätsnah durchspielen zu können.

2020 wurden in Bayern 75 tödliche Waldunfälle gemeldet

Schnell wird klar, warum genau diese Stelle im Ebersberger Forst für die Übung auserkoren wurde: Sie eignet sich gut, um Extremfälle zu simulieren. Der Ort ist für Rettungskräfte kompliziert zu erreichen. Die Hänge sind steil, was die Rettungsaktion riskant und schwierig macht. Zudem muss man einige Minuten gehen, um den Waldausgang zu erreichen. "Die Situation soll möglichst echt wirken", sagt Fischer.

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Die Übung beginnt mit einer kurzen Einführung. Fischer bedankt sich bei den Teilnehmern, denn es ist nicht selbstverständlich, dass so viele Förster kommen. "Die Zeit für so eine freiwillige Übung am Freitagmorgen hat man nicht, die nimmt man sich", sagt Fischer. Es sei wichtig, solche Übungen durchzuführen, denn es würden zu viele Unfälle passieren, die tödlich enden, sagt Fischer. Sie zeigt die Statistiken der Forstunfälle: Mehr als die Hälfte aller schweren Waldunfälle in Deutschland ereignen sich in Bayern. 2020 wurden in Bayern 75 tödliche Unfälle gemeldet.

Die Ursachen sind vielfältig, aber klar ist: Die schwersten Unfälle passieren erfahrenen Förstern nach 15 Uhr, denn je länger der Tag - und je erschöpfter die Arbeit einen macht, desto mehr entstehen Konzentrationsschwächen und Unachtsamkeiten. Die können tödlich sein. Deswegen soll heute der Ernstfall simuliert werden und die wichtigen Erste-Hilfe Techniken aufgefrischt werden. Die Idee kam Fischer während der Pandemie und so hat sie es selbst in die Hand genommen und zusammen mit dem Roten Kreuz diesen Vormittag organisiert.

Zum Glück nur eine Übung, aber wenn im Forst ein Unfall passiert, muss man eventuell weit laufen, bis man die Retter alarmieren kann. (Foto: Mathilde Wicht/oh)

Die Übung beginnt und die Teilnehmer werden in vier Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe soll den Verletzten versorgen und die zweite Gruppe den Notruf absetzen. Gruppe drei und vier sind Beobachter und sollen im Anschluss Feedback geben. Es wird ein Arbeitsauftrag ausgeteilt, wie es sonst auch bei Waldarbeit gang und gäbe ist, den sich jeder durchliest, bevor alle sich auf den Weg zur Unfallstelle machen.

"Die Wartezeit ist immer das unangenehmste"

Fischer und Stark beobachten das Geschehen, machen Fotos und Videos. Die Beobachter sind aufmerksam und machen sich hin und wieder Notizen. Der Verletzte ist versorgt, der Krankenwagen gerufen- was jetzt? Die Zeit, bis der Krankenwagen eintrifft und die Sanitäter vor Ort sind, kommt den Teilnehmern lang vor. Was kann man machen? "Die Wartezeit ist immer das unangenehmste", sagt Stark. Gut: mit dem Verletzten sprechen, auch wenn er bewusstlos ist. "Und ansonsten kann man nur warten."

Nach ganzen 45 Minuten wird der Verletzte von den Teilnehmern und den Rettungssanitätern auf einer Trage abtransportiert. Eine anstrengende Aufgabe, denn der Krankenwagen kann nicht sehr weit in den Wald vordringen. Der Verletzte muss von acht Helfern drei Minuten bis zum Waldausgang getragen werden.

Im Anschluss wird besprochen, wie die Übung gelaufen ist. Schwierig ist es, zu erkennen, welche Verletzungen vorliegen und wie schwer diese sind. Auch der Zeitraum zwischen Erstversorgung und Abtransport ist sehr lang: Was macht man nach der Erstversorgung und dem gewählten Notruf? Die Warterei fängt an und die kann unter anderem, je nachdem wie tief im Wald man ist, lang sein. Alle sind sich aber einig, dass so eine Übung sinnvoll ist, um das Wichtigste für den Ernstfall aufzufrischen. Wichtig ist, wenn möglich nicht nur zu zweit unterwegs zu sein, denn verletzt sich der eine, muss der zweite Erstversorgung, Notruf, und Lotsen der Sanitäter selbstständig schaffen, eine Aufgabe, die je nach Verletzung nicht zu meistern ist.

Für den Fall eines Unfalls, ist es ratsam, die App "Hilfe im Wald" herunterzuladen und bei langen Waldspaziergängen oder eben bei der Forstarbeit das Handy griffbereit zu haben. Die App kann im Falle eines Unfalls Leben retten. Sie verfügt derzeit über mehr als 59 000 Rettungspunkte in fast allen Bundesländern Deutschlands und bietet die Möglichkeit, auf Knopfdruck den Rettungsdienst zu rufen.

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