Prozess:Grafinger Volksfest: Oans, zwoa, gschlägert

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Das Grafinger Volksfest ist bekannt dafür, dass dort häufiger Gäste aneinandergeraten. Daher ist die Polizei meist in der Nähe. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf dem Grafinger Volksfest kommt es zu einem Gerangel mit mehreren Männern. Dann landet eine Faust im Gesicht - und es kommt zum Prozess.

Von Clara Lipkowski, Ebersberg

Wer vier Leute fragt, bekommt fünf Meinungen - nach dieser Devise ist eine Verhandlung am Dienstagnachmittag im Amtsgericht verlaufen. In der Sache ging es um Fausthiebe, Platz- und Schürfwunden, eine Frau, die zu Boden ging, Bier und einen Bauzaun, an dem jemand festgehalten wurde, nur wer und von wem - da wurde es schon knifflig. Auch sonst fiel es dem Angeklagten und den Zeugen schwer, sich an den Abend zu erinnern. Zahlen, so viel vorweg, muss der junge Mann am Ende dennoch.

Aber von vorne. Am 5. Mai verließen zwei Männer und zwei Frauen gegen Mitternacht das Grafinger Volksfest Richtung Bahnhof - bis auf eine der Frauen alle ziemlich betrunken. Während die zwei Frauen noch Schokofrüchte kauften, gingen die beiden Männer vor. Sie sahen ein Paar, das sich offenbar laut stritt. Einer der Männer näherte sich und fragte, was los sei, ob alles passe. Darauf habe der nun Angeklagte, ein 22-jährige Auszubildender aus dem südlichen Landkreis, den Schlichter angeschrien und sei ihm "bedrohlich nahe" gekommen, wie dessen 26-Jähriger Freund, der daneben stand, nun in der Verhandlung aussagte. Der Schlichter selbst war nicht als Zeuge geladen worden.

Der Aussage seines Freundes nach, bekam er es aber offenbar mit der Angst zu tun und versetzte seinem Gegenüber einen Fausthieb ins Gesicht. Der taumelte und fiel mit Platzwunde am Kopf zu Boden. Kurz darauf lag auch dessen Freundin am Boden, ob er sie unbeabsichtigt mitgerissen hatte oder sie von einem der Männer aus der Vierergruppe geschubst wurde, darüber gingen die Meinungen im Gerichtssaal auseinander.

Nach dem Fausthieb und der möglichen Schubserei stand der 22-Jährige wieder auf, um seine Freundin "zu schützen", und holte seinerseits zum Schlag aus. Allerdings nicht in das Gesicht des Täters, sondern in das Gesicht des 26-Jährigen aus der Vierergruppe, der daneben gestanden hatte. Der Grund: Die mit Schürfwunden und zwei Promille Blutalkoholgehalt am Boden liegende Freundin des Angeklagten, soll auf ihn gezeigt und gerufen haben: "Er war's!"

Wegen dieses Schlags fand sich der Azubi nun auf der Anklagebank wieder. Was genau das für ein Hieb war, wollte dessen Anwalt vom Zeugen wissen. "Also eine Watschn war's nicht", so der 26-Jährige, sondern ein Faustschlag, ganz eindeutig. Er warf dem Azubi außerdem vor, ihn anschließend mehrmals auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen zu haben, während mindestens zwei weitere unbekannte Männer, die dazu gekommen seien, ihn an den Armen gegen einen Bauzaun gedrückt haben sollen. Zehn Schläge etwa will eine der Frauen aus der Vierergruppe gesehen haben, der 26-Jährige spricht von "mehr als drei Schlägen". Fotos der Polizei zeigten nachher unter anderem eine Platzwunde im Gesicht.

Der Angeklagte schüttelte darüber im Gerichtssaal nur den Kopf, an die Szene am Bauzaun erinnere er sich nicht. Als eine Frau der Vierergruppe dann noch gar nicht den 26-Jährigen, sondern den anderen Mann aus ihrer Gruppe am Bauzaun gesehen haben will, wie er festgehalten und geschlagen wurde, stutzten Staatsanwalt, Verteidiger und Richterin Vera Hörauf kurz.

Wie genau sich diese Schlägerei zugetragen hat, blieb ungeklärt, es sei dunkel gewesen und man sei eben betrunken gewesen, so der Tenor. Fest steht, dass die Polizei die Situation auflöste. Die unbekannten Männer, die offenbar "aus dem Nichts" aufgetaucht waren, sollen mit der Bemerkung: "Achtung, Polizei!" die Flucht ergriffen haben. Der angeklagte 22-Jährige wollte die Unbekannten allerdings gar nicht gesehen haben; auch dessen Freundin konnte sich angeblich nur daran erinnern, dass sie im Krankenwagen wieder aufgewacht sei. Die drei aus der Vierergruppe hielten dagegen: "Drei bis fünf Männer" seien zu dem Gerangel dazu gekommen, die Vierte im Bunde nannte sogar acht Unbekannte.

Diese Ungereimtheiten ließen den Anwalt des Angeklagten nach der Beweisaufnahme etwas ratlos zurück. Er forderte, den jungen Mann der Vierergruppe vorzuladen, der den Angeklagten mit der Faust geschlagen hatte. Doch so weit kam es gar nicht. Da der Mann, der den Angeklagten geschlagen hatte, bereits zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden war, bot der Staatsanwalt dem Angeklagten eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage in gleicher Höhe an. Der Azubi, der bereits mehrfach wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz aufgefallen war, nahm an. Er muss nun 2400 Euro an die Ebersberger Fachambulanz für Suchterkrankungen zahlen. Und das solle er auch tun, mahnte die Richterin, denn täte er es nicht, käme auf ihn eine Wiederauflage des Verfahrens zu und damit auch die Summe, die sie im Sinne hatte - und die sei "deutlich höher" gewesen.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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