Grafinger VolksfestEs ist friedlicher geworden

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Anzapfen in Grafing.
Anzapfen in Grafing. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Das Grafinger Volksfest ist berüchtigt, wer schlägern und saufen will, war hier stets richtig: Ist das mit dem neuen Konzept von Stadt und Polizei vorbei? Ein Streifzug durchs erste Festwochenende.

Reportage von Korbinian Eisenberger, Grafing

Sie haben den Wodka in Wasserflaschen gefüllt, nicht die schlechteste Tarnung. Sechs Buben sitzen auf der Tischtennisplatte im Stadtpark, als ein Polizeiauto anhält. Zwei Beamte steigen aus. Die Buben müssen ihre Rucksäcke öffnen, drei Flaschen Wodka, zwei Flaschen Fruchtschnaps. Eine ruhige, aber klare Ansage: Sie sollen den Proviant entleeren und ihre Personalien angeben.

"Ihr könnt Tischtennis spielen, aber Alkohol ist hier verboten", sagt einer der Polizisten zum Abschied. Das stimmt, es steht auf einem Schild am Parkrand. Die Buben haben keine Tischtennisschläger dabei, sie gehen jetzt woanders hin. "Die verderben einem den ganzen Spaß", sagt einer. "Gut, dass wir die Hälfte schon ausgetrunken haben", sagt ein anderer. Und dass sie alle aus Kirchseeon kommen, Realschule, Gymnasium, 16 und 17 Jahre alt, zu jung für Schnaps.

Die Szene trägt sich am Freitagnachmittag zu, um kurz nach fünf, eine gute Stunde bevor Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) anzapft. Daran sieht man, was in Grafing dieses Jahr anders läuft: Ein neues Konzept von Stadt und Polizei soll das Volksfest zu einem sichereren Ort machen. Bisher zählte es ja zu den berüchtigten Festen der Region. Wer saufen und schlägern wollte, war hier genau richtig, was sich an den Polizeimeldungen gut bemessen lässt. Vor allem das erste Festwochenende hatte es stets in sich, kaum ein Jahr, wo eine Bierzeltschlägerei ausblieb. Nun aber meldet die Polizei Ebersberg "ein ruhiges und friedliches erstes Wochenende". In Grafing hat sich was getan.

Am Freitagabend sieht das so aus: Im Zelt spielt wie sonst auch die Musi, an den Eingängen stehen nun aber jeweils zwei Männer vom Sicherheitsdienst und kontrollieren Taschen und Ausweise. Am Abend darf keiner unter 18 Jahren ohne Eltern rein, erklärt einer der Securitys. Drinnen sind deswegen mehr Plätze frei als sonst. Die Stimmung ist ausgelassen aber nicht überschwänglich. Die Polizei teilt mit, dass "etliche Minderjährige, teilweise 13 Jahre alt, durch den Sicherheitsdienst aufgegriffen und der Polizei überstellt" wurden. Während drin die Krüge klirren, warten sie in der Stadthalle auf ihre Eltern.

Die Polizei ist vor allem außerhalb des Zelts unterwegs. Um halb sechs fährt eine Streife auf den Grafinger Rewe-Parkplatz. Dort hat sich eine Gruppe Jugendlicher hinter dem Laden versammelt. Ein 15-Jähriger muss seine Bierflasche ausleeren, die anderen haben Speziflaschen in der Hand, das ist erlaubt, beinahe zumindest. Die Beamten sind weg, da kommt ein Mann von der Security. Er zeigt auf ein Schild an der Ladenwand, Aufenthalt nicht gestattet, steht da. Das haben die Buben und Mädchen verstanden. Sie ziehen weiter.

Security Hans Becher. In der Volksfestwoche hat der Grafinger Rewe-Markt eigens eine Sicherheitsfirma engagiert.
Security Hans Becher. In der Volksfestwoche hat der Grafinger Rewe-Markt eigens eine Sicherheitsfirma engagiert. (Foto: Korbinian Eisenberger)

Der Suff der Jugend wird auch in Grafing von Erwachsenen vorgelebt

Für Hans Becher vom Sicherheitsdienst ist es das dritte Grafinger Volksfest. "Die Volksfeste in Rosenheim oder in Erding sind dagegen deutlich harmloser", sagt der 63-Jährige, auch dort ist er im Einsatz. Der Grafinger Rewe-Markt hat die Firma 2016 beauftragt, weil es immer schlimmer wurde. "Letztes Jahr sind am ersten Wochenende 30 Jugendliche zum Vorglühen hier gesessen", sagt er. Einer kaufte Schnaps und schenkte dann den Jüngeren in Bechern aus. Jetzt sitzen vereinzelt Trachtler auf den Stühlen am Haupteingang und trinken Bier. Drinnen müssen sie ihren Ausweis herzeigen, dann ist das okay. "Solange sie sich ordentlich aufführen", sagt Becher.

Anders als sonst landen dieses Jahr die wenigsten in der Ausnüchterungszelle. Im Polizeibericht ist von der "hohen Präsenz der Polizei Ebersberg mit Unterstützungskräften" die Rede, "so dass die meisten Auseinandersetzungen im Keim erstickt wurden". Es erwischt lediglich einen 34-Jährigen, der per Haftbefehl gesucht ist. Ihn nehmen Polizisten auf dem Volksfest fest. Zum neuen Sicherheitskonzept gehört auch ein Container, wo Caritas-Mitarbeiter Getränke und Snacks bereithalten, kostenlos und alkoholfrei. Dort stehen die Jugendlichen am Nachmittag Schlange, auch weil die Caritas ein Promille-Messgerät dabei hat, zur Selbstkontrolle.

Die volle Kontrolle gibt es aber nie, das sieht man am Stadtbahnhof, wo schon um halb fünf Jugendliche rumgrölen. Einer wankt so sehr, dass ihn seine Spezln stützen müssen, er ist 16. Ein anderer kommt in den Kiosk, er bittet lallend um Eis zum kühlen. Sein Kumpel hat im Suff zu fest gegen den Boxautomaten geschlagen, er ist 15 und hält sich die Hand. Ein paar Meter weiter sitzt ein Mädchen, den Kopf in den Händen vergraben. Ihr Begleiter erklärt, dass er sie jetzt heimbringt.

Der Suff der Jugend wird von Erwachsenen vorgelebt, so ist das schon immer in Bayern. Ein Laden in Grafing wirbt dieser Tage mit "Erdbeerlimes vom Fass", zum Anstich prosten sich die Kreispolitiker mit Masskrügen zu, am Freitag spielt die Partyband 7 Promille. Man kann auf dem Grafinger Volksfest aber auch andere Dinge machen als im Zelt sitzen oder davor rumliegen. Weil es Autoscooter gibt, Karussells und Dosenwerfen. Am Donnerstag kommen die Steinheber, am Samstag wird der Schafkopfmeister gekürt, einen Tag später wird gekämpft, nicht mit Masskrügen, sondern mit Boxhandschuhen: Bavaria Rosenheim gegen eine ungarische Auswahl.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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:Flüssiger Ablauf am Grafinger Volksfest

Es läuft wieder in Grafing. Eindrücke vom ersten Festabend.

Von Christian Endt (Fotos) und Korbinian Eisenberger (Texte)

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