SZ-Serie: Kuriose Geschenke:Alle Jahre wieder ... kommt neu das Christuskind

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Das ist Christuskind Nummer eins. Im Lauf von mehr als 35 Jahren folgten ihm ebenso viele weitere Vertreter seiner Zunft. (Foto: privat)

Vor 35 Jahren schuf der kleine Neffe der Poinger Künstlerin Inge Schmidt einen höchst eigenwilligen Jesus-Ersatz für eine neapolitanische Krippe. Das wurde zur Tradition.

Von Michaela Pelz, Poing

Der eine verschenkt traditionell selbst gestrickte Schafwollpullover - und sorgt damit bei den Empfängern für gemischte Gefühle, die andere wurde als Veganerin schon mal mit einem Metzgerei-Abo bedacht ... Die SZ Ebersberg hat für ihre Serie "Kuriose Geschenke" Menschen aus dem Landkreis nach ihren Erfahrungen mit unerwarteten Gaben gefragt.

Gut 35 Jahre ist es her, dass Inge Schmidt eine neue Krippe unter ihren Christbaum stellte: ein dreidimensionales Set mit kunstvoll gestalteten, handbemalten Pappmaschee-Figuren, etwa 15 Zentimeter hoch. Ein italienischer Freund hatte der Künstlerin aus Poing die filigrane neapolitanische Papierarbeit geschenkt.

Diese wunderschöne Papier-Krippe hatte nur ein Manko: Es fehlte das Jesuskind. Seit 35 Jahren hat Inge Schmidt das Ensemble an Weihnachten immer im Gepäck. (Foto: privat)

Auch die anwesende Familie erfreute sich an dem Ensemble - bis der sechsjährige Neffe feststellte, dass zwar Maria, Josef und die Könige anwesend waren, doch die Hauptperson fehlte: das Jesuskind. "Das machte alle traurig - aber Alex hatte gleich einen Plan", erinnert sich die Malerin und Bildhauerin, deren tiefe Zuneigung und enormer Tantenstolz, gemischt mit leichtem Amüsement, noch heute deutlich zu spüren ist.

"Eine Nussschale war die Krippe, zwei Styroporkügelchen hielten her für Kopf und Körper, das Gesicht war gemalt mit Filzstift: Augen, Nase und ein großer, lachender Mund. Als Frisur gab's ein paar weiße Wollfäden und schon war das schönste aller Christkinder geboren."

An dieser Stelle hätte die Geschichte zu Ende sein können, wenn, ja wenn dieses eine Ur-Werk nicht zum Auftakt einer Tradition geworden wäre, die seit jenem legendären Tag in Schmidts Familie gepflegt wird: Jedes Jahr gibt es eine neue, weihnachtliche Bastelarbeit vom inzwischen längst erwachsenen Neffen - im Brotberuf Kripobeamter, Abteilung Cyberkriminalität.

1989 entstand dieses Exemplar. Die Haarpracht ist eher minimalistisch. (Foto: privat)
Auch bei diesem etwa zehn Zentimeter großen Fimo-Exemplar aus dem Jahr 1992 lag der Fokus weder auf der Frisur noch auf einem modischen Outfit. (Foto: privat)
Ganz anders 2003. Mähne und Armschmuck erinnern an einen Rockstar. Außerdem ist die Figur fast doppelt so hoch wie der größte König des Ensembles. (Foto: privat)

Der Ablauf ist dabei seit 35 Jahren gleich, denn egal, wo die Familie auch feiert, die Papierkrippe ist immer dabei. Und so folgt auf festliches Essen, gemeinsames Singen, Gedichtvortrag und das Auspacken der Geschenke stets der von allen mit Spannung erwartete Höhepunkt: ein neues Jesuskind. "In den ersten Jahren lagen die Christkinder noch konventionell in der Krippe oder einem Körbchen. Dann wurden sie aber immer verwegener und passten weder proportional noch gestalterisch mehr in die klassische Krippe. In der Kunst nennt man das den Weg in die Abstraktion", erklärt Schmidt.

Das Exemplar aus gefärbtem Salzteig, das 2006 unter dem Baum lag, hätte man dank der Liebesperlen wahrscheinlich sogar essen können - aber natürlich wurde es wie alle anderen aufbewahrt. (Foto: privat)
2007 sind die Schuhe ein absoluter Hingucker. Nicht im Bild: Die 20 Zentimeter große Glocke, von der die Figur herabhängt. (Foto: privat)
Im Diorama von 2010 steht das Christkind mit dem Kussmund inmitten einer gemalten Kulisse. (Foto: privat)
Die Gesichtszüge des 2016er-Christkinds, das aus einer Astgabel gefertigt wurde, haben sich im Vergleich zu den Anfängen definitiv verändert und auch modisch hat es eine Entwicklung gegeben. (Foto: privat)

Im Lauf der Zeit kamen auf diese Weise zahlreiche Figuren zusammen, mit eigenwilligen Gesichtszügen, gewagten Frisuren, modisch überraschend. Die 20 Zentimeter große Variante von 2007 war gar als Installation auf einer Eisenglocke befestigt.

Inge Schmidt ist Malerin und Bildhauerin - die naive Kunst ihres Neffen schätzt sie vor allem ob ihrer Originalität und Kreativität. (Foto: privat)

Inge Schmidt hat sämtliche Exemplare aufbewahrt - sie lagern im Keller. Und so unterschiedlich alle sind, eint sie doch die Tatsache, Teil der Familiengeschichte geworden zu sein. Und weil niemand dieses Ritual missen will, übergibt der mittlerweile 42-jährige Alex den Staffelstab nun an seine Tochter. Und alle sind schon gespannt, womit die Fünfjährige ihre Familie demnächst überraschen wird.

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