Ebersberger Kreistag:Schluss nach 27 Jahren

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Albert Hingerl war 21 Jahre Mitglied des Ebersberger Kreistages, das Amt des Bürgermeisters von Poing hatte er 20 Jahre lang inne. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

SPD-Kreisrat und Poings Altbürgermeister Albert Hingerl zieht sich überraschend aus der Kreispolitik zurück. Im Dezember wurde er von Landrat Robert Niedergesäß offiziell verabschiedet.

Von Johanna Feckl und Andreas Junkmann, Poing/Ebersberg

Als Albert Hingerl vor der vergangenen Kommunalwahl bekanntgab, nicht mehr für das Bürgermeisteramt in Poing zu kandidieren, da sagte er: "Ich möchte nicht mit 71 aufhören." So alt wäre er gewesen, wenn er ein weiteres Mal angetreten wäre und die Wahl für sich entschieden hätte - wohl zu alt in seinen eigenen Augen. Die Kreispolitik wollte der heute 69-Jährige zwar noch nicht an den Nagel hängen. Von heute auf morgen auf einmal ganz ohne politisches Mandat, der Schritt war dann doch zu groß. Nun aber, fast vier Jahre später, ist es soweit: Albert Hingerl hört auf, endgültig - in der Dezembersitzung des Kreistags wurde der SPD-Politiker offiziell verabschiedet. Nachfolgen wird ihm dort Ursula Bittner, ehemalige Bürgermeisterin von Kirchseeon.

"Die Nachricht hat uns alle sehr überrascht", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) während der Sitzung. Bei der Diskussion darüber, ob das Gymnasium Poing in diesem Jahr von der Warteliste genommen werden soll, hätte sich Hingerl noch mit "Engagement und Herzblut eingebracht" - deshalb sei der Rückzug zum aktuellen Zeitpunkt sehr unerwartet gekommen. "Ich war mir sicher, wir werden mindestens bis zum Ende dieser Wahlperiode zusammen erleben und gestalten", so der Landrat weiter. Dazu fehlen jetzt gut zwei Jahre.

Wegen der Corona-Pandemie hat es etwas gedauert: Im Juli 2022, zwei Jahre nach Beendigung seiner 20-jährigen Bürgermeisterkarriere, wurde Hingerl die Altbürgermeisterurkunde vom aktuellen Poinger Bürgermeister Thomas Stark verliehen - Stark war viele Jahre Hingerls Geschäftsleiter im Rathaus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Aber warum nun das überraschende Aus? Während der Kreistagssitzung sagte Hingerl: "Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem man glaubt, dass Schluss ist." Die spätere SZ-Anfrage für ein Interview zu seinem Abschied lehnte er ab und bat dafür um Verständnis. Aber vielleicht ist das Warum auch gar nicht so wichtig. Wichtiger scheint, dass die SPD-Fraktion durch Hingerls Rückzug eine immer starke und soziale Stimme verliert.

Aufgewachsen in Taufkirchen an der Vils im Nachbarlandkreis Erding ging Hingerl mit 17 Jahren zur Polizei, das war 1971. Nach seiner Ausbildung arbeitete er ab 1974 als Polizist beim Bundeskriminalamt in München. Ein Jahr später zog er zusammen mit seiner Frau von München nach Poing, damals noch mehr ein großes Dorf als die am schnellsten wachsende Gemeinde im Landkreis Ebersberg, die sie heute ist. 1991 dann begann er einen neuen Job im Innenministerium - da saß er schon seit einem Jahr für die SPD im Poinger Gemeinderat und hatte das Amt des Zweiten Bürgermeisters inne. In die Partei eingetreten ist er 1980. Im Jahr 2000 dann, bei seinem zweiten Anlauf, wurde er Poings Erster Rathauschef - und blieb es bis zur vergangenen Kommunalwahl 2020, also 20 Jahre lang.

Im Kreistag war Hingerl eine laute Stimme für einen schnellen Bau des Poinger Gymnasiums

Etwas länger nun, nämlich ganze 27 Jahre und ein paar Monate lang, vertrat der 69-Jährige seine Partei im Kreistag - seit Mai 1996 hatte er ein SPD-Mandat inne, zuletzt war er Fraktionssprecher. 52 Anträge hat seine Fraktion unter Hingerls Vorsitz im Kreistag gestellt, wie Landrat Niedergesäß sagte. Dabei setzte er sich nicht nur für das Poinger Gymnasium ein - Niedergesäß hob vor allem Hingerls Herz für den sozialen Wohnungsbau hervor. Weitere Anträge während seiner Zeit drehten sich etwa um den Familienstützpunkt, ambulante Pflegedienste, einen freien Zugang zum Kastensee, das geplante eigene Frauenhaus für den Landkreis oder die Optimierung des MVV-Tarifsystems.

Hingerl setzte sich im Kreistag für einen freien Zugang zum Kastensee ein - hier bei einer Veranstaltung im Reiterstüberl am Gut Kastensee im Winter 2019. (Foto: Christian Endt)

"Sich in einem Kreis-Gremium demokratisch zu engagieren, ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig", sagte Niedergesäß weiter. Durch seine diskussionsfreudige Art habe Hingerl selbst einen sehr besonnenen Sitzungsleiter - also den Landrat selbst - immer wieder an die Grenzen der emotionalen Ruhe gebracht. Aber gleichwohl war sich Niedergesäß sicher: "Du wirst eine Lücke hinterlassen."

Damals, als er sich vor bald vier Jahren von der Poinger Kommunalpolitik zurückgezogen hat, sprach er bei einem Treffen viel über die Menschen am Ort. Bei einem Spaziergang durch Poing hob er immer wieder die Hand zum Gruß, wenn jemand vorbeiging. Manchmal blieb er auch stehen und wechselte ein paar Worte mit demjenigen, der ihm da gerade gegenüber war.

Hingerl widmet sich nun anderen Projekten, etwa der neuen Gruppe "Poing for Peace"

Das scheint der Schlüssel für Hingerls langjährigem politischem Erfolg: für alle da zu sein. Wie das gelingt? "Das Wichtigste ist eigentlich, dass man die Menschen mag, wie sie sind - die wird man nämlich nicht ändern können", sagte er damals beim Spaziergang. "Nicht nur akzeptieren, sondern wirklich mögen."

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Und heute? "Ich bin nicht aus der Welt", sagte er bei der jüngsten Kreistagssitzung zu seinem Abschied, "sondern habe auch noch andere Projekte." Eines davon ist vielleicht "Poing for Peace", eine neu gegründete überparteiliche und unabhängige Gruppe. Nur wenige Tage nach seinem offiziellen politischen Abschied veranstaltete der Altbürgermeister zusammen mit Christina Tarnikas, Gemeinderätin und Sprecherin der Aktionsgruppe "Respekt@Poing", eine stille Gedenkfeier am Mahnmal für den Poinger Todeszug - ein Zeichen gegen jede Art von Religionsfeindlichkeit. Mit Kerzen wurde der Toten in Israel und in Gaza gedenkt sowie all derer, die von Krieg und Vertreibung im Nahen Osten betroffen sind.

"Ich wünsche mir, dass Landkreis und Kommunen immer gute Lösungen finden", sagte Hingerl zum Abschied im Kreistag noch. Auch wenn man nicht immer einer Meinung sei, so der 69-Jährige mit Blick auf seine nun ehemaligen Kolleginnen und Kollegen im Kreistag weiter: "Das Wichtigste ist, dass man sich am Schluss die Hand gibt - und ich gebe Ihnen allen die Hand."

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