Podiumsdiskussion in Vaterstetten:Der Wald ist nur der Anfang

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Um autark von fossilen Brennstoffen zu werden, ist weit mehr als die bisher genannte Anzahl an Rotoren notwendig

Karin Kampwerth

VaterstettenWenn der Wind über dem Wald ausreicht, wird es wohl kaum bei fünf oder sechs Windkraftanlagen im Ebersberger Forst bleiben. Das ist das Ergebnis des SZ-Forums am Dienstagabend in Vaterstetten zu dem geplanten Windpark am westlichen Rand des Waldgebietes. Während der gut zweistündigen Diskussion wurde deutlich, dass weder diese Anlagen noch die bislang für den Landkreis vorgesehenen 16 Windräder ausreichen, um die Energiewende 2030 zu schaffen. Mehr als hundert Leser setzten sich im Festsaal des GSD-Seniorenwohnparks mit den Argumenten von Kritikern und Befürwortern des Projektes auseinander. Für die Windparkgegner ergriffen Catrin Dietl vom Verein Landschaftsschutz Ebersberger Land und Kerstin Mertens von der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst das Wort. Die Befürworter vertraten Max Maier (Grüne) vom Arbeitskreis Bürgerakzeptanz Windenergie und Martin Wagner, zweiter Bürgermeister von Vaterstetten und Sprecher der CSU-Fraktion im Kreistag. Für den Betreiber Green City Energy war Bereichsleiter Jürgen Hoffmann nach Vaterstetten gekommen. Den Fokus auf die Landschaftsplanung legte TU-Professor Sören Schöbel aus Glonn. Moderiert wurde die Runde von SZ-Ressortleiter Ulrich Schäfer. Dieser erläuterte eingangs, dass Windkraft im Münchner Raum das beherrschende Thema der vergangenen Monate gewesen sei. "Allerdings sind die Planungen nirgendwo so weit fortgeschritten wie im Landkreis Ebersberg", sagte Schäfer, der die provokante Frage stellte: Warum, um Himmels Willen, sollen ausgerechnet im Forst Windenergieanlagen gebaut werden? Schließlich gehöre das Waldgebiet laut Windatlas bei weitem nicht zu den windreichen Gegenden Bayerns. Genau diese Frage beschäftigt auch viele Leser, wie auf den Kärtchen zu lesen war, die das Publikum während der Veranstaltung ausfüllen und an das Podium weitergeben konnte. Jürgen Hoffmann erklärte die Entscheidung für den Forst mit dessen Topographie und der dichten Besiedelung des Landkreises Ebersberg, in dem sich sonst nur wenige Standorte finden ließen. Dem schloss sich Martin Wagner an. Anhand eines Schaubildes erläuterte Vaterstettens zweiter Bürgermeister, dass für seine Gemeinde lediglich Standorte im Parsdorfer Hart übrig blieben, wenn ein Abstand von tausend Metern zur nächsten Wohnbebauung zugrunde gelegt würde (siehe Bericht unten). Wagner machte darüber hinaus erstmals deutlich, dass 16 Windräder, die das Energiemix-Konzept für einen von fossilen Brennstoffen autarken Landkreis bis 2030 vorsieht, möglicherweise nicht ausreichen werden. "Das hängt von den restlichen Möglichkeiten ab, regenerative Energie zu erzeugen", sagte Wagner. Im Ebersberger Raum sei neben der Windenergie nur noch Photovoltaik oder Biomasse zur Stromerzeugung denkbar, weil sich für die teure Geothermie bislang keine Investoren finden ließen. Unproblematisch sei das aber auch nicht, weil der Anbau von Biomasse in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehe. "Wenn es der Wind hergibt, dann müssen wir auch mehr bauen." Max Maier teilte die Ansicht Wagners: "Ich glaube, wir brauchen mehr als 16 Windräder." Der Grünen-Kreisrat befürchtet deshalb, dass der jüngste Vorschlag der Bürgermeister von Vaterstetten, Anzing und Zorneding, die Zahl der Anlagen im Forst von sechs auf fünf zu reduzieren und diese 500 Meter weiter in den Wald hineinzulegen, es noch schwerer mache, Windenergie zu etablieren. "Es wird schwierig werden, Flächen mit einem Abstand von mehr als 800 Metern zu finden", sagte Maier. "Wir werden aber alle geeigneten Flächen brauchen." Catrin Dietl vom Verein Landschaftsschutz Ebersberger Land argumentierte anders als bisher nicht mehr mit gesundheitlichen Gefahren durch Windkraftanlagen. Stattdessen machte sie deutlich, dass auch ein Hineinrücken in den Forst um 500 Meter inakzeptabel sei, weil man grundsätzlich Windräder im Wald ablehne. Einerseits, damit Purfing nicht "in die Zange" genommen werde, wenn auch Windräder weiter westlich im Parsdorfer Hart entstehen. Andererseits, um den Wald zu schützen, "in dem man Kraft und Erholung tanken kann". Eine Haltung, die Martin Wagner überraschte. So habe er die Forderungen der Kritiker immer dahingehend verstanden, die Windräder weiter in den Wald hineinzurücken. Ein Vorschlag, den Jürgen Hoffmann von Green City Energy befürwortet. "Wir können mit fünf Anlagen leben", sagte er. Das gilt nicht für Kerstin Mertens von der Schutzgemeinschaft Ebersberger Forst, die sich grundsätzlich gegen Bauprojekte im Wald aussprach und das mit der Bedeutung des Forstes für Natur und Umwelt begründete. "Wir wollen den Forst uneingeschränkt schützen", sagte sie. Schließlich sei der Wald auch ein wichtiger Klimafaktor für München. Eine ästhetisch-philosophische Sichtweise brachte TU-Professor Sören Schöbel in die Diskussion ein. Windräder könnten seiner Ansicht nach eine gewachsene Landschaft durchaus positiv betonen, wenn man sie entsprechend sinnbringend aufstelle. Das sei notwendig, "denn wir haben ein neues Kulturelement, das verflixt groß ist". Seiner Ansicht nach sollten die Bürger einer Region gemeinsam erarbeiten, wohin sie Windräder haben wollten. "Der Forst darf dabei nicht tabu sein", so Schöbel. Eine landkreisweite Standortanalyse forderte auch Catrin Dietl. "Warum können wir das nicht vor einer Entscheidung machen?", fragte sie. Die Antwort gab Max Maier: "Dazu fehlt uns schlichtweg die Zeit."

© SZ vom 17.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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