Konzert:Bigband rollt den Jubiläums-Teppich aus

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Ausnahme-Trompeter Matthias Schriefl zeigt bei seinem Auftritt in Vaterstetten, warum er zu Recht als Multiinstrumentalist gilt. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Die Musikschule Vaterstetten feiert ihr 50-Jähriges mit einem ersten "Jazz Meeting", das zum Standard werden soll.

Von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Filmreifer Hollywood-Sound füllt am Sonntagabend das Atrium des Humboldt-Gymnasiums. Die noch junge Bigband Vaterstetten, ein Projekt der Musikschule, setzt gerade zur vierten Nummer ihres Auftritts an: "Pacific Rainbow" von Peter Herbolzheimer, einem der kreativsten und spannendsten Musiker in Bigband-Deutschland. Bernd Kölmel, Leiter der Schule und an diesem Abend auch Bandleader, hat früher mit ihm zusammengearbeitet und bewusst dessen anspruchsvolle Arrangements für die Premiere seines Ensembles ausgesucht.

Einer Premiere, bei der sich die Band selbst musikalisch den roten Teppich ausrollt. Denn was sie sich in den vergangenen vier Monaten erarbeitet, angeeignet, verinnerlicht hat, braucht den Vergleich mit den Großen der Zunft nicht zu scheuen - zumal in einem Landstrich, der in Sache Spitzen-Jazz verwöhnt ist.

Das Repertoire ist noch begrenzt - die Begeisterung der Zuhörer riesengroß

Da fällt es Kölmel auch leicht, nach dem Set und sieben Stücken den Wunsch nach Zugabe mit einem augenzwinkernden "Mehr haben wir nicht. Wir könnten nur von vorn anfangen" das noch limitierte Repertoire einzuräumen. Doch sowohl die lautstarken Rufe "Nur zu!" aus dem vollbesetzten Haus, das sich zum stehenden Applaus erhebt, als auch die gelieferte Qualität lassen erwarten, dass früher oder später weitere Auftritte mit erweitertem Repertoire folgen werden. Was zum eigentlichen Effekt des Wochenendes führt, das erstmals das "Jazz Meeting Vaterstetten" im Kalender hatte: Die schon reiche Szene im Landkreise hat Zuwachs bekommen und wird das Leben der Jazzfans noch erfüllter machen.

Gerade einmal seit vier Monaten spielen die Musikerinnen und Musiker der "Bigband Vaterstetten" zusammen - was sie seitdem geschafft haben, ist mehr als beachtlich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
Matthias Schriefl steigt beim einen oder anderen Titel als Solist ein und zieht die Aufmerksamkeit auf sich. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit sechs Saxofonen, vier Posaunen, vier Trompeten, einem Waldhorn und einer kompletten Rhythmusgruppe konnte Kölmel nicht nur eine bestens bestückte Band aufbieten - ergänzende Klarinetten seien absehbar, so bestätigte er auf Nachfrage - sondern eben auch genau jenen Ballroom-Sound abrufen, der seit Jahrzehnten das Bigband-Klangbild prägt und schon ganze Fernsehstudios hat swingen lassen.

Herbolzheimers Erbe liegt dabei als Blaupause nahe, weitere Titel wie sein Arrangement des "Mercy, Mercy" machen die Geschichte rund. Vor allem aber erlauben sie den exquisiten Solisten der Bigband nach vorne zu treten und dem Publikum zusätzlichen Genuss zu bereiten. Johanna Jacobi am Altsax und Benedikt Günther an der Trompete zum Beispiel liefern ein formidables, von Hingabe und Spielfreude getragenes Duett, an dem man sich gar nicht satthören will. Gitarrist Markus Lipp wiederum schaltet bei "Stormy Monday" so elegant den Blues-Mood an, wie es nicht im Lehrbuch steht, sondern nur aus dem Gespür für die Tiefen und Fantasien dieses Stils gelingt.

Man kann nur staunen über das Netzwerk von Bernd Kölmel, das so etwas möglich macht

Die Spitzenleistung der Bigband hat indes auch einen mitreißenden Grund. Ausnahme-Trompeter Matthias Schriefl, der mit 2 Generations of Trumpet das zweite Set des Meetings bestreitet, gibt schon vorher gelegentlich den Ton an und lässt im Sog seiner Bläserkunst die anderen mit nach oben fliegen. Beim einen oder anderen Titel steigt er als Solist ein, zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Rotzfrech duelliert er sich mit dem Klavier, schwebt in feinsinnigen Pianissimi durchs Königreich der Andeutung, bevor er bei einem musikalischen Striptease der Extraklasse mit vibrierender Kraft die Schwerkraft verlässt. Warum er zu Recht als "Multiinstrumentalist" gilt, beweist er bei einem Soloauftritt, den er mit dem virtuosen Einsatz der Loop-Technik, mit diversen Quietsch-, Quetsch-, Blasinstrumenten plus Ziach und Gesang bestreitet, dabei unglaubliches Gespür für Rhythmus und Klangwirkung zeigt und alle im Saal in atemloses Staunen und Wundern beim Zuhören treibt.

Wer ihn schon länger kennt, zum Beispiel durch seine Konzerte mit der Unterbiberger Hofmusik, weiß, was man erwarten darf - und ist dann doch stets aufs Neue verblüfft, was Schriefl an Neuem dazupackt und obendrauf setzt. Da bleibt nur Staunen und Respekt vor dem Netzwerk Bernd Kölmels, das so einen Auftritt möglich macht, sowie für seine pädagogische Fähigkeit, für sein Ensemble die Bühne zu vergrößern und das Konzerterlebnis in eine neue Dimension zu führen.

"2 Generations of Trumpets" bestreiten den zweiten Teil des Konzerts und bieten Jazz-Genuss auf höchstem Niveau. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im zweiten Set zeigt Schriefl sich dann zusammen mit 2 Generations of Trumpet zurückhaltender, was den instrumentalen Einsatz angeht. Dafür hat er als Komponist einen weitläufigen, die Sinne belebenden Garten an Melodien angelegt, durch den er das Publikum führt. Bei "Opera" zu Beginn setzt er zusammen mit Andy Haderer, seinem Lehrer und Inspirator beim Bundes-Jazz-Orchester, gleich mit einem famosen, trompetalen Duett einen glänzenden Akzent, bevor beide der Rhythmusgruppe das Podium für elegante Minuten überlassen. Caris Hermes am Bass, Hubert Nuß am Piano und Marcus Rieck am Schlagzeug erweisen sich als schlagfertiges, blitzsauber sich die Bälle zuspielende Combo, die schon als eigenständiges Trio einen eigenen Konzertbesuch wert wären. In der Kombination mit den beiden Bläsern, die im weiteren Verlauf mit Horn, Tenorhorn, Tuba, Alphorn die Bandbreite immer weiter aufziehen, wird daraus Jazz-Genuss auf höchstem Niveau.

Was sich im Gedächtnis verankert, ist die Perfektion, ja: Sinnlichkeit beim Ausloten der "leisen Trompete", die Haderer und Schriefl gleichermaßen beherrschen. Keine Frage: Bei einem Konzert mit zwei Trompeten darf es laut, krachig, schrill werden. Aber das wahre Geschenk an die Zuhörenden sind jene Passagen, in denen sich die goldenen Blasinstrumente hinter einen feinen Schleier zurückziehen und ihre Anwesenheit mehr ahnen als spüren lassen. Da ist dann auch ausreichend Raum für "Ballad for Andy" in fast schon klassischer Schlichtheit und Eleganz oder eine Fantasie wie "New Alphornleans Funk", einem kompositorischen Gedankenspiel darüber, wie sich Jazz wohl anhörte, wenn Satchmo ein aus Europa angeschwemmtes Alphorn gefunden und stilbildend genutzt hätte.

Mit dem "Jazz Meeting" hat sich die Musikschule Vaterstetten ein grandioses Geschenk zum Jubiläum gemacht. Mit dem Auftritt Lokalmatadoren Chris Gall (Piano) und Till Martin (Saxophon) als Duo sowie JooJazz - Joo Kraus und Band am Samstag und den sonntäglichen Bläser-Höhenflügen ist ein Auftakt gemacht, der vielgestalten Jazz-Szene im Landkreis eine neue, attraktive Adresse hinzuzufügen. Der stürmische Applaus ist gerechtfertigter Vorschuss auf kommende Abenteuer.

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