Veranstaltungsreihe in Bad Aibling:Erinnern für die Zukunft

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Ein breites Bündnis organisiert die Max-Mannheimer-Kulturtage, es ist bereits die dritte Auflage. Es werden Fotokunst, Literatur, Vorträge, Musik und eine Exkursion nach Steinhöring geboten

Von Anja Blum

Ich bin kein großer Fan von Stelen oder monströsen, geometrischen Denkmälern, die eher aufgrund ihrer modernen Architekturkunst für Aufsehen sorgen, als dass sie zum Weiterdenken und zum Weitertragen der Geschichte anregen", sagt Michael Stacheder, Ideengeber der Max-Mannheimer-Kulturtage in Bad Aibling. Stumme, starre Mahnmale seien zudem eine passive Form der Erinnerungskultur und daher nicht sonderlich geeignet, die Menschen mit einer Botschaft zu erreichen. "Deswegen sind wir alle gefordert, neue Formen der Erinnerungsarbeit zu entwickeln", so Stacheder. Für ihn persönlich habe diese sehr viel mit Bewegung und Austausch zu tun, man müsse den Prozess eines heutigen "Erinnerns für die Zukunft" lebendig und im Dialog gestalten. Gerade jetzt, da die mahnenden und eindringlichen Stimmen der Zeitzeugen und Überlebenden des Holocaust wie Max Mannheimer nach und nach verstummen und eine schmerzliche Lücke hinterlassen, "ist es an uns, diesen Stab weiterzutragen. Es ist unsere Pflicht, weiterzugeben, wie es gewesen ist."

Stacheder hat deswegen 2018 in Bad Aibling mit vielen Unterstützern die Max-Mannheimer-Kulturtage ins Leben gerufen, die sich seitdem zu einem viel beachteten Leuchtturmprojekt in der Region entwickeln. Für den Initiator nicht ohne Grund: "Wie wichtig ein solches Miteinander Erinnern für unsere Demokratie ist, können wir seit mehreren Jahren tagtäglich erleben", sagt er. "Das politische und gesellschaftliche Klima hat sich in Europa und auf der Welt verändert. Rechtspopulistische, national-radikale Töne haben lautstark in den Parlamenten Einzug gehalten, in unserer gesellschaftlichen Mitte. Von einer hasserfüllten Sprache ist der Weg nicht weit zu Terror und Mord." In Bad Aibling hat sich ein breites Bündnis für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zusammengefunden: Die Max-Mannheimer-Kulturtage 2020 werden organisiert von Stadt, Stadtbücherei, Volkshochschule und Vereinen wie Mut und Courage, Kunstverein, Kreis Migration und Historischer Verein, zusammen mit der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde sowie dem Gymnasium.

Der vielfältige Veranstaltungsreigen beginnt am Freitag, 24. Januar, mit dem Film "Der weiße Rabe" von Carolin Otto, einer Dokumentation über Max Mannheimer. Bereits am darauffolgenden Samstag, 25. Januar, wird die Eröffnung der Kulturtage mit einer Vernissage im Alten Feuerwehrgerätehaus fortgesetzt. Unter dem Titel "Im Krieg sagtest Du einmal..." erzählt der belgische Fotokünstler Eddie Bonesire von Ängsten und Nöten, aber auch von Hoffnung und Leidenschaft. Kernstück der Ausstellung bilden Familienfotos aus der Eifel während des Zweiten Weltkrieges, die Bonesire mit eigenen Aufnahmen und Texten ergänzt hat. Anschließend wird das Eröffnungswochenende erstmals durch ein ökumenisches Nachtgebet bereichert.

Das "Duo Frangipani“ aus Clemens Wagner (Gitarre) und Reinhard Roller (Akkordeon) sorgt für einen musikalischen Abschluss. (Foto: Veranstalter)

Das renommierte Autorenpaar Eva Gruberová und Helmut Zeller wird am Dienstag, 28. Januar, in der Stadtbücherei sein Buch "Geboren im KZ" vorstellen. Es erzählt die unglaubliche Geschichte von Eva und Miriam, zwei jüdischen Müttern, die durch viele glückliche Zufälle mehrere Konzentrationslager überleben konnten.

In Norbert Scheuer dürfen die Organisatoren der Kulturtage einen ganz besonderen Gast begrüßen: Für seinen Bestseller "Winterbienen" war Scheuer für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert und wurde mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet. Er nimmt am Samstag, 1. Februar, seine Zuhörer ebenfalls mit in die Eifel: Mit großer Intensität erzählt er von einer Welt, die geprägt ist von Zerstörung und dem Wunsch nach einer friedlichen Zukunft.

Schmetterlinge gegen das Vergessen: Ein weltweites Erinnerungsprojekt stellt der Verein Mut und Courage am Dienstag, 4. Februar, vor: das "Butterfly-Project". Hier geht es um Keramik-Schmetterlinge zur Erinnerung an jedes der 1,5 Millionen Kinder, das im Holocaust getötet wurde. Das Projekt verbindet kreatives Gestalten mit geschichtlicher Bildung und macht inzwischen bundesweit Schule.

Über jüdisches Leben in Deutschland spricht am Mittwoch, 5. Februar, Ellen Presser, Leiterin des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und zu einer Exkursion nach Steinhöring lädt der Historische Verein am Samstag, 8. Februar, ein.

In Zusammenarbeit mit dem Einrichtungsverbund findet ein Rundgang mit der Historikerin Anna Bräsel statt, die die Geschichte Steinhörings in der NS-Zeit beleuchtet: Auf dem Gelände wurde im Sinne der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten das erste "Lebensborn"-Heim errichtet.

Als Finissage der Ausstellung "Im Krieg sagtest Du einmal..." stellt Michael Stacheder am Sonntag, 9. Februar, in einer literarischen Matinée Texte und Erzählungen des großen Heinrich Böll in den Mittelpunkt. Böll, 1972 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, gilt bis heute als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Intellektuellen der Nachkriegszeit. Kritisch setzte er sich mit der jungen Bundesrepublik auseinander und thematisierte in seinen Werken den Nationalsozialismus und dessen Folgen. Unter dem Böll-Zitat "Denkt dran, Kinder: Nie wieder Krieg!" stellt Stacheder bekannte und weniger bekannte Werke des Autors einander gegenüber. Im Anschluss gibt es für die Gäste bei einem Tischgespräch die Möglichkeit, im Dialog ihre Gedanken zu vertiefen und miteinander auszutauschen.

Der Schauspieler und Regisseur Michael Stacheder, 1980 in Rosenheim geboren, ist Ideengeber und Programmkoordinator der Max-Mannheimer-Kulturtage in Bad Aibling. (Foto: Paria Partovi/oh)

"Menschenverachtung auf der Straße, bei der Arbeit, in staatlichen oder zivilgesellschaftlichen Institutionen - ein jedes Mal sind wir aufgefordert, darauf zu reagieren." Der Workshop "Den Menschen im Blick" am Mittwoch, 12. Februar, mit Britta Schellenberg beleuchtet Eigen- und Fremdbilder und legt gewohnte Denkweisen offen. Dabei wird nicht nur fachlich diskutiert, sondern auch gespielt und erkundet. Der kritische Blick gilt der eigenen Biografie und der Umwelt. So sollen Ziele und andere Strategien in der Auseinandersetzung mit Diskriminierung erarbeitet werden.

Am Samstag, 15. Februar, organisiert der Verein Mut und Courage ein "Respekt-Konzert" mit dem gefeierten Duo Frangipani und Friends: Sie lassen mit sinnlichen jiddischen Klezmerstücken und Weltmusik aus Spanien, Südosteuropa und Südamerika die Max-Mannheimer-Kulturtage noch einen musikalischen Höhepunkt erleben, bevor der Reigen dann mit einem weiteren Nachtgebet ausklingt.

In Zusammenarbeit mit dem Gymnasium Bad Aibling findet am Dienstag, 10. März, noch eine weitere Veranstaltung statt: "Ich hatte Glück, ich habe überlebt" - Aus dem Theresienstädter Tagebuch von Helga Pollak-Kinsky. Es liest Michael Stacheder, musikalisch begleitet wird der Abend mit Liedern aus der Kinderoper "Brundibár", komponiert in Theresienstadt. Es singt der Mittelstufenchor.

Begleitend zum Programm der Max-Mannheimer-Kulturtage werden für die 9. bis 11. Jahrgangsstufen der bayerischen Gymnasien, Real- und Mittelschulen Lesungen aus Mannheimers "Spätem Tagebuch" angeboten. Alle Infos unter www.max-mannheimer-kulturtage.de

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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