Montagsratsch im Heimatmuseum:Der Traum vom großen Kino

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Das ist Heimat: Josef Schmid vor den Kulissen der Weiherspiele. 2004 stand "Aquabella - im Teich der Schönen" auf dem Programm, ein Stück über den Schönheitswahn. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Josef Schmid, Gründer der Markt Schwabener Weiherspiele, lüftet den Vorhang: Er erzählt von den Anfängen des Theaters am See und von seinen prägenden Elementen.

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

Wer als Auswärtiger nach Markt Schwaben hineinheiratet, dem begegnen über kurz oder lang bei Kaffeekränzchen und Familienfeiern skurrile Geschichten vom "Weiher". Aus anfänglicher Verblüffung wird allmählich Neugier, warum alle am Tisch stets wie ausgewechselt sind, wenn die Rede auf "Esperanza" kommt, verzückt vom "Japanischen Teehaus" berichtet wird oder die Erzählungen von den "Fröschen" den Anwesenden gar Tränen der Rührung in die Augen treiben.

Der jüngste Montagsratsch im Heimatmuseum bot eine gute Gelegenheit, dieser eigenartigen Welt auf den Grund zu gehen: Josef Schmid, Gründer, Intendant, Regisseur und Autor der "Weiherspiele" über 33 Jahre hinweg, breitete da eine prall gefüllte Tasche mit Erinnerungen aus. Anna Seiler und Elke Deuringer standen ihm zur Seite, die dem Ensemble des späteren Theatervereins von Beginn an angehörten und mit ihrem Spiel und ihren Stimmen das Bühnengeschehen prägten. Im Publikum befand sich dazu eine bunte Mischung aus Wegbegleitern, Zeitgenossen und Angehörigen. Mit ihrer sichtbaren Zuneigung und spürbaren Begeisterung für Schmids Erinnerungen gaben sie nachdrücklich zu verstehen, welch tieferen Sinn das Wort von der "Theaterfamilie" hat, mit dem er seinen zweistündigen Vortrag eröffnete.

Josef Schmid, Anna Seiler und Elke Deuringer erzählen beim Montagsratsch im Heimatmuseum von ihren Erlebnissen rund um den Weiher. (Foto: Christian Endt)
Das Publikum ist reichlich erschienen. Klar, denn die Weiherspiele haben in Markt Schwaben viele Wegbegleiter, Zeitgenossen und Angehörige. (Foto: Christian Endt)

Eine viel zu kurze Zeit, wie sich später herausstellen sollte, um Revue passieren zu lassen, wie aus einer verrückten Idee ein prägendes Ereignis für das Ortsleben wurde. Verrückte Idee? "1966, da hab' ich mir eingebildet, unbedingt einen Film zu machen", erzählt Schmid. Und aus Einbildung werden bewegte Bilder: Zusammen mit Freunden aus dem Ort wie Siggi Schmitt, der später die Bühnenbilder baute, oder Günter Hein, der Gags lieferte und spielte zugleich, entsteht "Chiquita oder Flitterwochen im Jenseits" über den blutigen Streit einiger Revolverhelden um eine Vaterschaft. Die Szenerie: Markt Schwaben und Umgebung, Moosacher See inklusive. Hermann Bogenrieder schreibt den ersten Song dazu - und der Schlusssatz der Überlebenden erweist sich später mit Blick auf die bayerische Geschichte als geradezu prophetisch: "Unser Sohn soll einmal Papst werden."

Absurde Handlung, prägnante Figuren, Gratwanderungen zwischen Gaudi und Grenzerfahrung, der Cocktail aus Mystik, Exotik und Schlitzohrigkeit, aus Heimat und großer weiter Welt, die eigene musikalische Note und der Spaß an der Freud: "Damit war der Grundstein gelegt für das, was folgte", merkt Schmid fast lakonisch an. Und doch spürt man in diesem Moment, dass hier nicht nur ein Häuschen, sondern ein Monumentalbau angelegt wurde. Obwohl es beim einzigen Film vom "Chef" bleibt: Seine Arbeit auf der Bühne, seine "Drehbuch" genannten Skripte, sein Denken in großen Szenen erweisen sich, wie die Österreicher sagen, als "lei(n)wand".

Das magische Licht, die malerischen Spiegelungen im Wasser: Das ist es, was die Weiherspiele laut Schmid ausmacht. (Foto: Christian Endt)

Je länger der Abend voranschreitet, umso deutlicher wird der Traum vom "großen Kino" sichtbar, der Josef Schmid sein Bühnenleben lang begleitet hat. Bei der Reise durch die Aufführungsgeschichte sind es immer wieder die spektakulären Szenerien, sind es bewegte und bewegende Bilder, von denen er berichtet - und die sich tatsächlich auch ins Gedächtnis der Anwesenden eingebrannt haben, wie man an kleinen Ergänzungen und Korrekturen aus dem Publikum bemerkt. Für seinen Traum hat Schmid im Kirchweiher offenkundig das ideale Set gefunden, seine Kommentare zu den Lichtreflexionen auf dem Wasser haben etwas Schwärmerisches.

Im Rückblick verschiebt Schmid darum sogar die Gewichtung, was das Alleinstellungsmerkmal der Weiherspiele angeht. Nicht die Musik sei es bei aller Beliebtheit der zahllosen Ohrwürmer gewesen, die sich als Publikumsmagnet erwies, sondern die Atmosphäre: "Wenn wir mal einen guten Tag gehabt haben, dann sind unsere G'sangl gut angekommen. Aber das Licht, die Reflexionen, die haben immer verzaubert." Bedauern ist ihm anzumerken, dass sich der anfängliche Spielbeginn um halb zehn Uhr abends nicht hat halten lassen, "als alles schön dunkel war und nur der Weiher geleuchtet hat". Für manches Publikum zu spät, für manchen Nachbarn zu laut: Langwierige Verhandlungen mit der Gemeinde brachten letztlich den Kompromiss aus Beginn um halb neun und Ende um halb elf - so streng kontrolliert, dass einmal ohne Intervention vom "Chef" der König Ludwig beinahe hätte nicht mehr im See ertrinken können.

Am Weiher wird kein Aufwand gescheut: 2011 heißt es: "Wir sind König", hier sind Ludwig und Sissy auf dem Dampfer Tristan unterwegs. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Noch etwas kristallisiert sich während der zwei Stunden heraus: Anders als bei Profibühnen, deren Memoiren lauter perfekte Highlights füllen, sind es am Weiher Geschichten des Scheiterns, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben. Das abdriftende Boot, das Hermann Bogenrieder beim Abstieg aus der Takelage vermisste, der große Hund, der in den See sprang, gerade als "Sirene" Deuringer sich einen tollen Mann heransingen wollte, oder die Stange des Herolds, nach der sie rief, als ihre Gondel in der Einflugschneise über dem Weiher zum Stillstand gekommen war. Oder "Harry, das Pferd", das Kulissenbauer Anton Angermair so mächtig aufgezäumt hatte, dass sich der Ritter darauf nicht den abschüssigen Hang zum Weiher hinab rollen traute und lieber zu Fuß ging. Die Unvollkommenheit als Kunstform - allein Laienbühnen können das ausgiebig zelebrieren; dass sich die Schwabener daran mit einem Lachen und ganz entspannt erinnern, spricht für sie. Der Teamgeist, den Sängern Deuringer zuvor als einzigartig ausgemacht hat, bekommt Gesichter.

Die Nabe in der Geschichte der Weiherspiele, auch das kommt an diesem Abend gut heraus, sind die "Frösche": Umjubelt vom Publikum, eine Sternstunde des Ensembles, visionär in der Kritik am liederlichen Umgang der Menschen mit der Natur, getragen von mitreißenden Charakteren, Kostümen und Melodien wurden sie zum Klassiker, der als einziges Opus zwei Spielzeiten erlebte. Sie wurden aber auch zum Maßstab. Gelang in den Folgejahren ein Stück nicht perfekt, wurde es an den "Fröschen" gemessen. Ein Umstand, mit dem Schmid trotz der Freude über die anhaltende Wertschätzung bis heute hadert, über den ihn aber der spontan einsetzende Mitgesang des Publikums hinwegtröstet. Genauso wie der herzliche und dankbare Applaus im vollbesetzten Haus, das anschließend befeuert mit dem Nachratschen beginnt.

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