Kultur in Markt Schwaben:Hochleistungssport Humor

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Schmierige Vertretertypen: Stefan Pillokat alias Curd (rechts) und Emmeran Heringer alias Eugen begutachten eines ihrer Verkaufsobjekte. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die beiden Clowns "Rigol und Torf" bieten ein schräges Revuetheater aus Pantomime, Tanz und Akrobatik, kleinen wie großen Gesten, Unfug und Hintersinn.

Von Anja Blum, Markt Schwaben

Wer, bitte schön, sind Kasimir und Lutz? "Zwei Männer mit Problemen", antwortet Stefan Pillokat trocken. "Aus dem Leben, oder besser, an den Arsch gegriffen." Doch werden wir etwas konkreter: Kasimir und Lutz sind Teil eines abendfüllenden Programms, eines schrägen Revuetheaters, ersonnen und gespielt von zwei Clowns, eben Stefan Pillokat und Emmeran Heringer. Unter anderem schicken sie Kasimir und Lutz zum "Tanztee" - komplett wortlos, aber köstlich anzusehen.

Es ist Freitagvormittag, Probe im Markt Schwabener Jugendzentrum Blues. Der kleine, adrett gekleidete Kasimir schmachtet da gerade seine Angebetete an, Blümchen in der Hand, als Lutz die Bühne entert. Ein pervertierter Muskelmann mit Helm, Springseil und überdimensionaler Sonnenbrille, der zu alter Schlagermusik sogleich eine kraftstrotzende, raumgreifende Soloperformance aufs Parkett legt. Der schüchterne Kasimir muss weichen. Oh je.

Werden am Ende Freunde: Kasimir und Lutz beim "Tanztee". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch irgendwann bekommt Kasimir von Lutz das Springseil überreicht und beginnt zögerlich, sich ebenfalls zu bewegen. Und schon bald verwandeln sich die beiden Soli immer mehr in ein Duett, denn wie viel schöner ist es doch, gemeinsam zu tanzen als alleine. Und dass bei dieser clownesken Hymne an die Freundschaft am Ende sogar noch allerhand Räder zum Einsatz kommen, ganz kleine wie ganz große, macht die Nummer zum echten Hingucker.

Bereits seit 23 Jahren stehen Pillokat und Heringer zusammen auf der Bühne. Kennengelernt haben sie sich einst in Mainz, wo beide eine Clownsausbildung absolvierten. "Da hieß es eines Tages, es komme ein Neuer aus Bayern - ob der nicht bei mir einziehen könne", erzählt Pillokat. Also nahm der Markt Schwabener den Rosenheimer bei sich auf, der Rest ist quasi Geschichte. Denn die Chemie stimmte, nicht nur in der Wohngemeinschaft, sondern auch auf der Bühne. "Die Oppositionen haben sofort gepasst, da haben wir nichts ändern müssen", berichtet Heringer. Ungeschriebenes Clownsgesetz nämlich ist, dass bei einem Duo stets Antipoden am Werk sein müssen. "Klein und groß, alt und jung, schnell und langsam", erklärt Pillokat - und verzieht etwas das Gesicht.

Stefan Pillokat, 55, und Emmeran Heringer, 44, sind in vielerlei Hinsicht gegensätzlich - zum Glück. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seitdem haben Heringer und Pillokat als Duo einen festen Namen, sie sind Rigol und Torf , zwei klassische, vergleichsweise unscheinbare Clowns, die inzwischen gemeinsam bereits das dritte abendfüllende Programm erarbeitet haben. "Köstliches Wirrwarr mit Rigol und Torf" lautet der Titel - doch den beiden Ursprungsfiguren wird man darin gar nicht begegnen. Denn sie lieben das Verkleiden und schlüpfen deshalb immer wieder in neue Rollen. Werden zu Kasimir und Lutz zum Beispiel. Oder zu Eugen und Curd, zwei schmierigen Vertretertypen.

Als solche verkaufen die beiden diverse absurde Waren. Stromlose Staubsauger aus den 70er-Jahren zum Beispiel. Oder das selbstgebaute Instrument "Flammophon". Ein Dutzend Kerzen stehen hier in Reih und Glied auf einem schrägen Holzgestell. Doch wer wissen will, wie damit tatsächlich Klänge erzeugt werden können, der möge sich dem "Köstlichen Wirrwarr" stellen, zum Beispiel gleich am kommenden Samstag, 11. März, in der Theaterhalle Markt Schwaben.

Die Requisiten für das rätselhafte "Flammophon". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wichtig ist: Rigol und Torf sind zwar Clowns, doch ihr Programm richtet sich nicht an kleine Kinder, denn das Metier des Duos ist die Persiflage: "Wir wollen komprimiert wiedergeben, was wir im Alltag erleben, wollen zeigen, wo und wie wir uns alle mit diversen Widrigkeiten herumschlagen müssen", erklärt Pillokat. Und Heringer ergänzt: "Unser Auftrag ist es, Spiegel zu sein." Ein lustiger, natürlich. "Prädikat: besonders g'schpinnert", sagt Pillokat und lacht.

Weil also das echte Leben ihr Drehbuch ist, legen Heringer und Pillokat ihre Figuren so authentisch wie möglich an. So dass der Zuschauer nicht weiß: "Ist das jetzt gespielt, oder echt?" Eines der größten Komplimente sei, erzählt Pillokat, wenn jemand nach der Vorstellung frage, ob das Duo denn wirklich diese Staubsauger von anno dazumal verkaufen würde? "Kommt immer wieder vor, wirklich."

Stefan Pillokat und Emmeran Heringer lieben altmodische Requisiten, etwa den "Regulus" von Leifheit, die Capri-Sonne oder immens formstabile Koffer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dabei sind die Verkaufsstrategien von Eugen und Curd alles andere als üblich. Zunächst einmal beweisen die beiden Clowns auch hier einigen Mut zur Hässlichkeit. Ultraspießig-altmodisch angezogen und mit Zähnen zum Davonlaufen im Gesicht bieten sie Lebenshilfe - um einen Hometrainer von 1973 an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Mittels einer Luftakrobatik sollen die "lieben Gäste" ihre "persönliche Transzendenz entdecken", sollen lernen, "das schöne Innere nach außen zu bringen".

Wie das geht, führen Curd und Eugen denn auch gleich selbst wagemutig vor. Dazu stellen sie das Trimm-dich-Rad "in modernen Trendfarben" auf zwei große Koffer - und zeigen dann, welche Verrenkungen dort oben möglich sind. Zu zweit. "Das ist Hochleistungssport!" Und tatsächlich schnaufen die beiden Männer schon ziemlich, als sie von ihrem wackeligen Fitnessgerät wieder heruntersteigen.

Eine wackelige Angelegenheit ist die Luftakrobatik auf dem Hometrainer, dank der die "persönliche Transzendenz" erreicht werden soll. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Fazit: Rigol und Torf, die sich den Traditionen des amerikanischen Vaudeville-Theaters, der italienischen Commedia dell'arte sowie der klassischen Clownerie verpflichtet fühlen, bespielen eine höchst breite Klaviatur der Kleinkunst. Da gibt es Wortspiele und geistreiche Zitate genauso wie Pantomime, Tanz oder Akrobatik, kleine wie große Gesten, groben Unfug neben vortrefflichem Hintersinn.

Außerdem geben die beiden alles, sind sich für nichts zu schade und haben selbst vielleicht sogar den größten Spaß dabei. "Deswegen wollen wir nun auch unbedingt wieder durchstarten", sagt Pillokat, aber wie es scheine, hätten manche Veranstalter nichts gelernt aus den Unsicherheiten der Pandemie. "Wir wollen jetzt spielen - nicht 2025 irgendwann!" Wie gut also, dass schon bald Samstag ist, und damit Zeit für einen gepflegten Tanztee mit Kasimir und Lutz.

"Köstlichen Wirrwarr mit Rigol und Torf": am Samstag, 11.März, um 20 Uhr im Theater am Burgerfeld in Markt Schwaben. Vorverkauf unter www.theater-marktschwaben.de . Erwachsene zahlen 18 Euro, Kinder und Jugendliche (ab acht bis 16 Jahre) zehn Euro. Restkarten an der Abendkasse.

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