Geflüchtete:"Alles überwiegend friedlich"

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Die ehemaligen Werksgebäude der Firma Atron sollen zur Unterkunft für 120 Menschen werden - die Nachbarn sind dagegen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Landrat Robert Niedergesäß und Bürgermeister Michael Stolze verteidigen die Einrichtung einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Markt Schwaben. Dabei verweisen sie auch auf das problemlose Miteinander andernorts.

Von Barbara Mooser, Markt Schwaben

Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und Markt Schwabens Bürgermeister Michael Stolze (parteilos) verteidigen die Einrichtung einer Unterkunft für Geflüchtete in einem früheren Firmengebäude in Markt Schwaben. "Als Bürgermeister und Landrat stehen wir vor der verpflichtenden Herausforderung, eine angemessene Unterbringung für Flüchtlinge zu gewährleisten. Der Landkreis beziehungsweise das staatliche Landratsamt ist gesetzlich dazu verpflichtet, ankommenden Flüchtlingen Unterkunft zu bieten", heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung. Dabei erreiche der Kreis Ebersberg derzeit die von der Regierung vorgegebene Unterbringungsquote nach dem Königsteiner Schlüssel mit nur rund 86 Prozent nicht ansatzweise: Auf den Regierungsbezirk Oberbayern bezogen liege der Landkreis Ebersberg hier an viertletzter Stelle, also auf Platz 20 von 23 Landkreisen und kreisfreien Städten.

Während in anderen Gemeinden im Landkreis die Einrichtung neuer Unterkünfte in jüngerer Vergangenheit weitgehend geräuschlos funktioniert hatte, gibt es in Markt Schwaben schon jetzt heftige Proteste einiger Anwohner, obwohl die Unterkunft voraussichtlich erst Mitte 2024 bezogen werden kann. "Wie steht es um Lärm und andere Umstände, die 120 neue Bewohner - möglicherweise aus anderen Kulturkreisen - mit sich bringen? Wie wird es um die Sicherheit für Frauen und Kinder bestellt sein?" Fragen wie diese haben Anwohner in einem Brief aufgeworfen, andere fordern bereits jetzt eine Kompensation für den möglichen Wertverlust ihrer Immobilien.

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Der Landrat verweist nun darauf, dass das Zusammenleben mit den Nachbarn von Unterkünften "in der Regel ohne größere Probleme funktioniert". Diese Erfahrung habe man bei anderen ähnlich großen Unterkünften im Landkreis gemacht, etwa in Zorneding oder Pöring. "Selbst in Ebersberg, wo im ehemaligen Gebäude der Kreissparkasse mit rund 300 Menschen die meisten Flüchtlinge auf einem Fleck untergebracht sind, melden Polizei und Bürger, dass alles überwiegend friedlich verläuft."

Auch in Markt Schwaben wird nach Angaben der beiden Politiker angestrebt, einen Sicherheitsdienst vor Ort zu haben. Nicht, weil mit Problemen zu rechnen sei, sondern weil die Security-Mitarbeiter neben den Sozialarbeitern, die in den Unterkünften arbeiten, erste Ansprechpartner für die Flüchtlinge seien - zum Beispiel bei einem medizinischen Notfall.

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Was die Unterbringung der Menschen im Landkreis betrifft, wollen der Landrat und sein Team ihnen mehr Platz zugestehen, als es das bayerische Innenministerium eigentlich vorsieht. Dieses, so heißt es in der Pressemitteilung weiter, habe unlängst die Richtlinie außer Kraft gesetzt, die pro Flüchtling sieben Quadratmeter Platz in einer Unterkunft vorsehe. "Wir haben uns im Landkreis aber dafür entschieden, uns weiter an dieser Richtlinie zu orientieren", so der Landrat. "Unser Ziel ist es nicht, möglichst viele Menschen in die Unterkünfte 'reinzupferchen‛, sondern menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten. Auch das trägt zum sozialen Frieden bei: unter den Flüchtlingen, genauso wie zwischen ihnen und der Bevölkerung."

Aufgrund der Zuweisungsmodalitäten habe man keinen direkten Einfluss darauf, wer in den Landkreis komme. "Jedoch können wir sehr wohl dafür sorgen, dass die ankommenden Menschen im Landkreis so untergebracht werden, dass ihre Integration in unsere Gemeinschaft möglichst reibungslos verläuft", heißt es in der Pressemitteilung weiter. Aktuell kämen, sofern möglich, alle Flüchtlinge zunächst in Ebersberg im ehemaligen Gebäude der Kreissparkasse an und würden von dort aus weiter verlegt. "Viele dieser Menschen sind dann bereits in den Arbeitsmarkt integriert, zahlen hier Steuern und beherrschen die deutsche Sprache."

Eine Alternative zu derartigen Unterkünften wäre die Unterbringung in Turnhallen

Der Vertrag für die neue Unterkunft in Markt Schwaben ist bereits unterzeichnet. Der Umbau läuft nun an. Die finanziellen Zuwendungen der Regierung sind auf die Unterbringung von 100 bis 120 Flüchtlingen ausgerichtet. "An dieser Stelle sei nochmals betont: Wir sind gesetzlich verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen. Finden wir keine geeigneten Gebäude, ist die Alternative, die Flüchtlinge wieder wie 2015 in Turnhallen unterzubringen", so die Niedergesäß und Stolze in ihrer Pressemitteilung. Das wolle keiner und das lehne auch er persönlich kategorisch ab, so der Landrat.

Die beiden Politiker verteidigen auch die Kommunikation zu dem Projekt: In den vergangenen Tagen habe es noch letzte Abstimmungen zwischen Landratsamt, Regierung und Gemeinde gegeben, weshalb die Angelegenheit zunächst, wie in solchen Fällen üblich, in nichtöffentlicher Sitzung im Marktgemeinderat Markt Schwaben behandelt wurde. Im Anschluss sei geplant gewesen, die Öffentlichkeit zu informieren. Leider seien aber vorher bereits erste, teils unvollständige Informationen durchgesickert, "die jetzt hohe Wellen schlagen und zur Verunsicherung der Menschen in Markt Schwaben führen". Bei einer Informationsveranstaltung am Dienstag, 19. Dezember, 17 bis 19 Uhr, in der Theaterhalle soll das Projekt nun genauer vorgestellt werden. Auch Fragen können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen.

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