Inklusion im Internet:Surfen ganz ohne Barrieren

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Das Internet ist nicht mehr wegzudenken aus dem Alltag der meisten Menschen - das gilt natürlich auch für Menschen mit Behinderungen und anderen Beeinträchtigungen. Doch die haben es oftmals schwer mit herkömmlichen Ansichten vieler Homepages. (Foto: Imago/Westend61)

Seit Kurzem ist die Homepage der VHS Vaterstetten in weiten Teilen barrierefrei zugänglich - nun können sich auch sehbeeinträchtige oder gehörlose Menschen über das Angebot informieren. Wie sieht es bei anderen Einrichtungen im Landkreis Ebersberg aus?

Von Johanna Feckl, Vaterstetten/Ebersberg

Wer in jüngster Vergangenheit auf der Homepage der VHS Vaterstetten unterwegs war, dem ist es vielleicht schon aufgefallen - ein kleiner blauer Button mit einem weiß umrandeten Menschlein am rechten Bildschirmrand. "Eye-Able" und "Visuelle Hilfe" heißt es, wenn man mit der Maus über das Symbol fährt. Ein Klick darauf öffnet mehr als 20 Funktionen: Schriftgröße, Kontrastmodus, größerer Mauszeiger, Bilder ausblenden, Webseite vorlesen, und viele mehr. Mit Hilfe dieser Funktionen lassen sich die digitalen Inhalte individuell an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer einstellen. Wer zum Beispiel schlecht sieht, vergrößert einfach die Ansicht der Homepage oder stellt eine andere, als besser lesbar empfundene Schriftart ein.

Mit der neuen barrierefreien Homepage wirbt die VHS nun in einer Pressemitteilung. Damit sei garantiert, "dass sich Einschränkungen der Nutzer beim Sehen und Verarbeiten der gezeigten Informationen nicht negativ auswirken". Doch was bedeutet das im Detail - und wie sieht es auf den Internetauftritten anderer Institutionen im Landkreis aus?

Die neue Funktion auf der Homepage lässt viele individuellen Anpassungen zu. (Foto: VHS Vaterstetten/oh)

"Wenn man von Behinderten spricht, dann sind das nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern zum Beispiel auch Sehbehinderte oder Hörbehinderte", sagt Birgit Piprek. Sie ist die stellvertretende Geschäftsführerin der VHS Vaterstetten und betreut das Projekt der barrierefreien Homepage. Dass alle Räume der VHS für Menschen mit einer Geheinschränkung mit Hilfe von Aufzügen und Rampen zugänglich sind, ist schon seit einiger Zeit so.

Auch hat die VHS mittlerweile zehn Hörhilfen angeschafft, um hörbeeinträchtigen Menschen die Teilnahme an den Kursen zu ermöglichen: Der Dozierende muss sich einfach nur ein spezielles Mikrofon umhängen, der oder die Teilnehmende den dazugehörigen Kopfhörer aufsetzen - und schon lässt sich die Lautstärke individuell an die Bedürfnisse anpassen. Selbst wenn Teilnehmende eigene Hörgeräte tragen, lassen diese sich unter gewissen Umständen mit den Gerätschaften verbinden. Möglichkeiten gibt es viele.

Doch letztlich nutzt die beste Hilfe im Kurs nicht viel, wenn bestimmte Menschengruppen gar nichts von dessen Existenz wissen - weil für sie die Informationen auf der Homepage nicht zugänglich sind. Deshalb: Barrierefreiheit, auch im Internet.

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Von einer solchen ist dann die Rede, wenn sich "Einschränkungen beim Sehen, Hören, Bewegen oder beim Verarbeiten von Informationen nicht negativ darauf auswirken, wie wir das Web nutzen", sagt zum Beispiel der Verein "Aktion Mensch", der sich für Menschen mit Behinderung sowie die Förderung und Aufklärung für die Umsetzung von Inklusion engagiert. So lassen sich etwa mit einer Sehbehinderung Texte oder Formularfelder schlecht erkennen, wenn sie sich nur gering vom Hintergrund abheben. Gehörlose oder schwerhörige Menschen haben ein Problem bei Videos, wenn diese nicht untertitelt sind. Und blinde Menschen befinden sich dann vor einer Barriere, wenn Bilder, Formulare oder Buttons nicht textlich beschrieben sind.

Viele dieser beschriebenen Schwierigkeiten lassen sich durch die Software, die die VHS über ihre Homepage installieren hat lassen, lösen - aber nicht alle, zum Beispiel die textliche Beschreibung von Bildern fehlt aktuell noch. "Das ist unser nächster Schritt", sagt Birgit Piprek. Aber immerhin entfällt auf Seiten der Anwenderinnen und Anwender die Notwendigkeit, sich eine eigene Software zu installieren. Denn viele sehbehinderte Menschen nutzen eigens dafür entwickelte Vorlese-Programme, wer hier etwas Leistungsstarkes und breit Anwendbares möchte, der muss tief in die Tasche greifen.

Generell sind die Internetauftritte von Einrichtungen meistens nicht barrierefrei

Doch so lange nicht alle Seiten im Internet barrierefrei ausgestattet sind, bleibt Betroffenen wohl nichts anderes übrig, als sich weiterhin um Individuallösungen zu bemühen: Um die übrigen Homepages von Einrichtungen im Landkreis Ebersberg ist es aktuell nämlich eher schlecht bestellt. Dem Landratsamt etwa, immerhin der Heimat der Fachstelle für Inklusion im Landkreis, war das "Eye-Able"-Tool bislang nicht bekannt, wie eine Sprecherin sagt. Man habe sich die Anwendung nun aber auf der VHS-Homepage angesehen und sei begeistert davon. Aktuell werde geprüft, ob die Software auch für die Landratsamt-Seite genutzt werden kann. "Wir sind ständig dran, unsere Homepage noch barrierefreier zu machen, als sie es ohnehin schon ist", so die Sprecherin weiter. Zum Beispiel arbeite man derzeit an der Kontrastansicht, die für sehbeeinträchtigte Menschen noch nicht optimal sei.

Bei anderen Institutionen ergibt sich ein ähnliches Bild. Zwar nutzt die Stadt Grafing ebenfalls eine barrierefreie Software, die Homepage der Grafinger VHS lässt immerhin zu, den Kontrast individuell einzustellen sowie das Schriftbild vergrößern und verkleinern, gleiches gilt für die Caritas-Homepage. Generell ist die Schriftgröße etwas, das sich auf einigen weiteren Internetseiten anpassen lässt, wenngleich es manchmal eher einem "nett gemeint" gleicht, weil der Einstellungsbereich zu gering ist, um für sehbeeinträchtigte Menschen tatsächlich eine Hilfe zu sein. Auf den meisten Homepages jedoch lässt sich gar nichts individuell anpassen, auch andere Hilfen wie eine Vorlesefunktion oder ein Umstellen auf Leichte Sprache, die vor allem für Menschen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, oder Menschen mit Lernschwierigkeiten hilfreich ist, sucht man vergeblich.

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