Realschule Vaterstetten:Bis in die Stratosphäre

Lesezeit: 3 min

Der Start des Wetterballons wird von Schülerinnen und Schülern aller Jahrgangsstufen begleitet. Dazu wird Kuchen gereicht. Kleine, bunte Heliumballons sollen den großen Bruder auf seinen ersten Metern begleiten. (Foto: Christian Endt)

Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten Klassen der Realschule Vaterstetten schicken einen Wetterballon bis an den Rand der Erdatmosphäre. Von dort soll er nicht nur schöne Aufnahmen liefern, seine Reise soll auch der Forschung dienen.

Von Jakob Heim, Vaterstetten

Auf 36000 Meter Höhe soll er fliegen, bevor der Ballon, den die Schülerinnen und Schüler gerade auf dem Pausenhof der Realschule Vaterstetten steigen lassen, durch den sinkenden Luftdruck zerplatzt. Bereits nach etwa zwei Stunden wird das geschehen, das hat die Klasse gemeinsam mit ihrer Lehrerin Anna Kurpas und mit Hilfe eines Programms, das die Firma Stratoflights bereitstellt, berechnet. Eine weitere Stunde benötigt der Ballon dann für seine Rückkehr auf die Erde. Der erwartete Landepunkt befindet sich bei Kirchheim im oberösterreichischen Innkreis.

Damit die durch ein dünnes Seil mit etwa zehn Metern Abstand an dem Ballon befestigte Forschungssonde, die optisch an einen Miniatursatelliten aus Styropor erinnert, nicht unkontrolliert abstürzt und beim Aufprall auf die Erdoberfläche zerschellt, ist sie mit einem Fallschirm ausgestattet. Um sie wiederfinden zu können, verfügt die Sonde über einen GPS-Sender, der während des gesamten Fluges sendet.

Besonders von Interesse ist der Ozongehalt

Diese Koordinaten sind auch wichtig, um die gesammelten Daten später korrekt auswerten zu können. Der Wetterballon sammelt Messwerte über Luftdruck und Temperatur, aber besonders den Ozongehalt in der Atmosphäre über Oberbayern soll er dokumentieren. Anhand dieser Daten wollen die Schüler ihre Forschungshypothesen prüfen, die sie gemeinsam im Unterricht entwickelt haben.

Zusätzlich zu den entsprechenden Messinstrumenten verfügt die Forschungssonde über drei Kameras, von denen eine nach unten gerichtet ist und spektakuläre Luftaufnahmen liefern soll. Zwei Kameras sind seitlich angebracht. Sie dienen der Beobachtung weiterer Experimente, die die Schüler durchführen möchten. Sie haben zwei Reagenzgläser angebracht, eines mit Wasser, eines mit Cola gefüllt, um die Ausdehnung der Flüssigkeiten unter verändertem Luftdruck und sinkender Temperatur zu beobachten. Außerdem ist die Forschungssonde mit einer kleinen Solarzelle ausgestattet, die einen Propeller antreibt. Anhand der Bewegung des Propellers soll sich zeigen, wie sich die Sonneneinstrahlung auf dem Weg in immer größere Höhen verändert.

Die Europäische Weltraumorganisation führt ähnliche Tests durch

Ähnliche Tests führe auch die Europäische Weltraumorganisation ESA regelmäßig zur Prüfung von Solarzellen durch, sagt Ines Kühnert von der Niederlassung des Airbus-Konzerns im nahegelegenen Ottobrunn. Airbus tritt als Schirmherr des Projekts auf. Kühnert übernimmt an diesem Vormittag die Moderation des Starts und übermittelt den an dem Projekt beteiligten Schülern eine Einladung: Sie dürfen im nächsten Schuljahr das Airbus-Werk in Ottobrunn besichtigen. Auch an Finanzierung und technischer Ausstattung habe sich der Konzern beteiligen wollen, sagt Kühnert, sei dafür allerdings zu spät dran gewesen.

Lehrerin Anna Kurpas, Schulleiter Stephan Gasior und Ines Kühnert von der Firma Airbus, welche die Schirmherrschaft übernommen hat (von links), sind begeistert von dem Projekt. (Foto: Christian Endt)

Die Finanzierung hatte die Lehrerin Anna Kurpas bereits selbst mit Hilfe von Spendern organisiert. Einen Großteil der Kosten, die sich auf etwa 1700 Euro belaufen, habe die Rütgers-Stiftung getragen, informiert die Lehrerin. Das ist eine Organisation mit Sitz im Nordrhein-westfälischen Castrop-Rauxel, die sich auf die Unterstützung von Schulprojekten im Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) konzentriert.

Der Frauenanteil ist in den MINT-Fächern gering - nicht so an der Realschule Vaterstetten

Gerade in diesen Fachbereichen ist die Frauenquote nach wie vor gering, weiß Kühnert aus eigener Erfahrung zu berichten. Daher ist sie begeistert, dass sich an dem Projekt auch viele Mädchen beteiligt haben. Es sei wichtig, sie früh für MINT-Fächer zu begeistern. Für die 18 Schülerinnen und Schüler, die sich an dem Projekt beteiligten, war die Teilnahme freiwillig. Es wurde als Wahlfach für die fünften und sechsten Klassen angeboten. Über das gesamte Schuljahr habe es sich hingezogen, erzählt Schüler Valentin. Die eigentliche Bauphase habe nur etwa sieben bis acht Wochen gedauert, stellt eine seiner Klassenkameradinnen klar.

Das Befüllen des Ballons mit Helium übernimmt Lehrerin Anna Kurpas aus Sicherheitsgründen selbst. (Foto: Christian Endt)

Für die gesamte Schule ist der Start des Ballons eine Attraktion. Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen wohnen ihm bei, soweit es ihre jeweiligen Lehrkräfte erlauben. Auch Schulleiter Stephan Gasior ist sichtlich stolz auf Lehrerin Kurpas und ihre Schützlinge. Während des Events gibt es selbst gebackenen Kuchen. Zeitgleich mit dem Start des Wetterballons lassen die Schüler viele bunte Ballons steigen, die wie ihr größeres Pendant mit Helium gefüllt sind. Auch kritische Stimmen sind auf dem Schulhof zu vernehmen. So fragt ein Schüler, was denn mit dem Ballon passiere, nachdem er in der Stratosphäre zerplatzt ist. Umweltverschmutzung sei das. Gerade der Umweltgedanke jedoch treibe ihre Schüler an, betont Anna Kurpas: Mithilfe der Messwerte wollten sie mehr darüber herausfinden, wie sich unser Klima verändert.

Auf die Idee für das Projekt kam Kurpas durch eine Fortbildung, die von der Firma Stratoflights angeboten wird. Neben der Produktion von Luftaufnahmen für kommerzielle Zwecke betreut das Unternehmen regelmäßig Projekte wie das der Realschule Vaterstetten. Es stellt dafür gegen Bezahlung nicht nur hilfreiche Programme, sondern auch die Hardware als Baukasten bereit. Gefragt, ob sie ein solches Projekt noch einmal initiieren würde, wird deutlich, dass die Organisation mit einigem Mehraufwand für Anna Kurpas verbunden war. Nach kurzem Überlegen ist ihre Antwort dennoch ein klares Ja.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMobilitätswende vor Ort
:Taxi ohne Fahrer

Das Grafinger Start-Up Inyo Mobility steckt mitten in der Entwicklung eines selbstfahrenden elektrischen Autos. Im September will es auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in München einen Prototypen präsentieren.

Von Thorsten Rienth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: