Die Kulturszene erwacht :Wiederhören macht Freude

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Der Ebersberger Posaunenchor probt im Freien, um die Abstände einhalten zu können. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Laien- und Amateurensembles im Landkreis Ebersberg proben wieder - kämpfen jedoch mit unterschiedlichen Problemen. Nur eines ist bei fast allen gleich: Die langen Pausen machen sich bemerkbar.

Von Jörg Lehne

Wer an einem Dienstagabend beim Spaziergang an der evangelischen Kirche in Ebersberg vorbeikommt, dem bietet sich ein inzwischen ungewohntes Bild: Bis zu 30 Leute, alle mit metallisch schimmernden, verschlungenen Gebilden in Händen, die sie, die Backen gebläht, zum Mund geführt haben. Auffallender als der Anblick dürfte jedoch der volle, klare Klang sein, der ihm vorauseilt. Der Posaunenchor Ebersberg darf nämlich wieder proben - im Freien, denn dort können die Musiker den vorgeschriebenen Abstand von zwei Metern wahren. Für Querflöten gilt sogar ein Mindestabstand von drei Metern, wie Chorleiter Phillip Hasselt sagt. Das muss ein Blechblasensemble jedoch nicht beschäftigen.

Wie der Posaunenchor sind alle Laienensembles aus Musik und Theater seit Monaten gezwungen, sich mit einer Situation zu arrangieren, die das gemeinsame Musizieren und Spielen extrem erschwert, für manche sogar unmöglich gemacht hat. Mit der jüngsten Maßnahmenlockerung seit der zweiten Juniwoche haben sich die Bedingungen jedoch schlagartig geändert: Während die Mindestabstände bleiben, richtet sich die zulässige Anzahl der Probenteilnehmer nun allein nach der Raumgröße.

Schon Ende Mai wollte der bayerische Ministerrat mit einem Öffnungskonzept den Einstieg in den Probenbetrieb wieder ermöglichen. Man hatte die "Rückkehr zur Normalität fest im Blick", koppelte jedoch die Probenerlaubnis an feste Teilnehmerzahlen: Bei einer stabilen Inzidenz von unter 100 galt eine Begrenzung auf zehn Personen im Innen- und 20 Personen im Außenraum. Für die meisten Orchester und Chöre war das Proben deshalb noch immer nicht, oder nur in Teilen, möglich.

Einen "schlechten Witz", nennt Hedwig Gruber, Leiterin des Jugendorchesters Grafing, diese erste Lösung. Trotz genügend Abstandsmöglichkeiten habe man dadurch unnötig den Kulturbetrieb erschwert. "Kultur hat mit Bildung zu tun, das ist kein reiner Spaßaspekt." Inzwischen jedoch spürt Gruber eine "große Erleichterung", denn zumindest für die Combo-Besetzung seien Proben nun wieder möglich. Der nächste Gig im Juli ist schon in Aussicht. Eine symphonische Besetzung aber sei leider immer noch nicht möglich - und die Enttäuschung bei den restlichen Musikern deshalb groß.

Der Theaterverein Markt Schwaben musste seine "Weiherspiele" absagen, bereitet sich aber nun auf den "Kultursommer im Landkreis" vor. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Anders beim Orchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham: Violinistin Astrid Albrink berichtet von freudigen Reaktionen. Dabei war kurz zuvor auch in diesem Ensemble niemandem zum Feiern zumute: Das bisherige Öffnungskonzept stieß auch in Zorneding auf wenig Verständnis, zumal die Probensituation 2020 um diese Zeit noch wesentlich leichter gewesen sei. Albrink befürchtete bereits, das Orchester könne auseinanderbrechen. Jeder habe nun mal seine eigenen Probleme. "Irgendwann sagt man: Dann lass ich's eben." Doch die Musikbegeisterung hat gesiegt: Mehr als 30 Mitglieder haben sich zurückgemeldet. Nun werde bald wieder geprobt, so Albrink, um Anfang August in Ebersberg und Zorneding einige Werke für Streicher und Bläser unter freiem Himmel aufführen zu können.

Mit den Ende Mai noch geltenden Regelungen tat sich auch der Singkreis Ebersberg schwer, denn nicht einmal dem Sopran war es erlaubt, in ganzer Besetzung zu proben. "Wenn, dann schon alle", wie Ignaz Zimmerer sagt. Nun, ohne zahlenmäßige Personenbeschränkung, mangele es nur noch an einem Raum mit ausreichenden Ausmaßen. Der Dirigent stehe schon in den Startlöchern. Günter Schuler steht unterdessen schon wieder am Pult, die Musikkapelle Gelting hat bereits zu proben begonnen. Laut Vorstand Anke Hierl hatte man zunächst noch Bedenken, ob die Mitglieder nach monatelanger Pause wieder zur Musikkapelle zurückfinden würden. Doch gleich die erste Probe war gut besetzt, so dass Schuler zuvor nur die Sorge umtrieb, ob die Musiker die richtigen Töne noch finden würden. Er habe "schon Schlimmstes befürchtet". Zu Unrecht, wie sich herausstellte: Er sei überaus froh darüber, wie viel Musikalität erhalten geblieben sei, sagt der Dirigent. Nun arbeite das Ensemble daran, wieder auf das Niveau vor Corona zurückzukommen. Dafür wären Proben im Innenraum wichtig, da dort weitaus bessere akustische Gegebenheiten herrschten als im Freien, so Schuler. Die Gemeinde Pliening stellt zu diesem Zweck zwar ihren Bürgersaal zur Verfügung, doch logistisch ergeben sich da ein paar Schwierigkeiten, denn der Saal ist nur selten frei.

Das "Grafinger Jugendorchester" kann derzeit nur in einer kleineren Besetzungaktiv sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das erste Öffnungskonzept sorgte auch beim Theaterverein Markt Schwaben nicht für Euphorie. Für die Weiherspiele müssten bis zu 30 Leute gemeinsam auf der Bühne stehen - deshalb wurde das Freiluftspektakel 2021 bereits abgesagt. Nun könne jedoch wieder nahezu normal geprobt werden, sagt Vereinschef Franz Stetter. Die Theaterhalle biete genügend Platz. Das kommt gelegen, denn der "Kultursommer im Landkreis" steht vor der Tür: Die Schauspieler wollen zwischen dem 22. Juli und dem 1. August auf einer mobilen Bühne vor der alten Feuerwehr in Markt Schwaben zu sehen sein.

Leichter hatten es dagegen kleinere Ensembles wie die dreiköpfige Folkband Mardi Gras aus Ebersberg. Sie probt bereits seit Ende Mai wieder. Ein Leid teilen sich jedoch alle Gruppen, ob klein oder groß: Lange Pausen machen sich bemerkbar. "Nach drei Songs waren wir alle geschrottet", erzählt Bandleader Rudi Baumann. Auch die sechs Jungs von der Stoabuckl Musi aus Moosach kamen bereits Ende Mai wieder zum Musizieren zusammen. Und laut Klaus Sigl, erstes Flügelhorn, klingen die Burschen schon wieder, als hätten sie die ganze Zeit nichts anderes gemacht, trotz der langen Pausen. Konzerte stehen für die Musi derzeit leider noch keine an. Aber auch das kann ja noch werden.

© SZ vom 18.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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