Ausstellung in Grafing:Ein Kirchturm für 400 Mark

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Von der ehemaligen Jakobskirche steht nur noch der Turm. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Projekt "Spuren Kosmos" von der Gesellschaft Interkulturelle Brücken lässt die Geschichten von acht Gotteshäusern im Landkreis Ebersberg lebendig werden. Auch Initiatorin Martina Yacoub hat bei der Recherche für das Projekt viel dazugelernt.

Von Daniel Limmer, Grafing

Ein Kirchturm ohne Kirche. Was sich zunächst wie ein Widerspruch anhört, ist im südlichen Landkreis Ebersberg Realität. Die Rede ist vom alleinstehenden Turm der ehemaligen Jakobskirche von Jakobsbaiern - ein Kuriosum mit Seltenheitswert. 1908 hatte sich die Mehrheit des Kirchenbauvereins gegen die Sanierung und damit für den Neubau der Jakobskirche im nah gelegenen Antholing entschieden. Das Kirchenschiff wurde noch im selben Jahr abgerissen. Der damals erst 40 Jahre alte Turm blieb jedoch stehen. Dank des Einsatzes von Barbara Riedl, einer Bäuerin vom gegenüberliegenden Zehetmaierhof. Für 400 Mark hatte sie den Kirchturm gekauft. Heute zieht er wegen seiner Einzigartigkeit viele Besucher an, zumal man von dort aus auch eine wunderbare Sicht auf die Alpen hat. Die Bairer Ortsbevölkerung versammelt sich jedes Jahr vor dem Turm zur Maiandacht.

Martina Yacoub von der Gesellschaft Interkulturelle Brücken hat das Kirchturmprojekt initiiert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine unfassbare Geschichte, die nach Ansicht von Martina Yacoub von der gemeinnützigen Gesellschaft Interkulturelle Brücken gUG auch nicht in Vergessenheit geraten darf. Deshalb hat sie im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Soforthilfeprogrammes "Kirchturmdenken, Sakralbauten in ländlichen Räumen: Ankerpunkte lokaler Entwicklung und Knotenpunkte überregionaler Vernetzung" ein Projekt zur Erkundung von acht Kirchen im südlichen Landkreis Ebersberg initiiert. Mit dem Titel "Spuren Kosmos - Umgang mit unseren ländlichen Kirchen im Wandel der Zeit." Eines von insgesamt 79 Projekten, welches das Soforthilfeprogramm unterstützt. "Im Juni haben wir mit der Erstellung eines ersten Konzepts begonnen. Jetzt, sechs Monate später, ist das Ganze fertig", erzählt Yacoub. Unterstützer ist neben der Wider Sense TraFo gGmbH - dem Träger des Bundesprogramms - auch die Stiftung der Kreissparkasse Ebersberg.

Moderne Methoden für alte Geschichten

Eine Wanderausstellung, ein Karteikartenset mit Erkundungsaufgaben, und eine interaktive Website sind die Bestandteile des Projekts. Die Wanderausstellung ist noch bis Ende der Ferien in der Stadtbücherei Grafing zu sehen, aber auch danach noch direkt über die Interkulturelle Brücken gUG ausleihbar. Auf zehn Roll-ups (fünf am Eingang der Bücherei, fünf weiter hinten) kann man sich dort einen ersten Überblick über alle acht Kirchen verschaffen. Neben der Grafinger Leonhardikirche und dem eingangs erwähnten Kirchturm von Jakobsbaiern werden vor allem nicht mehr bestehende Kirchen vorgestellt. Auf der Website www.spurenkosmos-kirche.de findet man Audiodateien, Links zu weiteren Informationen und eine OpenStreetMap. Ein QR-Code auf den Roll-ups führt ebenfalls zu der Website. Die Karteikarten mit den Aufgaben seien dann "vor allem für Familien und Schulklassen interessant", so Yacoub. Sie können in verschiedenen Büchereien im Landkreis ausgeliehen werden und stehen darüber hinaus auch online zum Download zur Verfügung.

Die Ausstellung verweist per QR-Code auf die Website hinter dem Projekt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Hauptziel des Projekts - für Martina Yacoub ist es die Sensibilisierung für die Geschichten, die sich hinter den Kirchen verbergen. Welche war die erste Kirche im Landkreis Ebersberg? Welche Bedeutung hatten Kirchen für die Menschen früher? Und was passierte während der Säkularisierung? Hat man erstmal angefangen eines der Roll-ups lesen, wandert der Blick gleich zum nächsten.

Schon einige positive Rückmeldungen

Bei der Auswahl der acht Kirchen hat sich Martina Yacoub Unterstützung bei Bernhard Schäfer, dem ehrenamtlichen Archivpfleger des Landkreises, geholt. "Ich habe auch selber viel bei der Recherche dazugelernt", so die Grafingerin. Ein persönliches Highlight hat sie nicht. "Schwer zu sagen. Alle Kirchen, ob bestehend oder nicht bestehend, haben ihre ganz eigene Geschichte. Da ist jede für sich spannend." Das Projekt soll im übrigen auch in Zukunft noch weiterlaufen und um neue Kirchen ergänzt werden. Anregungen und Ideen sind dabei ausdrücklich erwünscht.

Denn Martina Yacoub findet, dass es "wichtig ist, zu verstehen, wie unsere Heimat und unsere Kultur entstanden und gewachsen ist." Und da spielen Kirchen nun mal eine tragende Rolle. Positive Rückmeldung für das Projekt hat sie schon erhalten. "Wir wollen das Ganze aber auch noch in den Schulen vorstellen", verrät Yacoub. Die Schülerinnen und Schüler dürfen gespannt sein. Denn Geschichten wie der Kirchturm ohne Kirche stehen so mit Sicherheit nicht im Lehrplan.

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