Vor dem Fenster steht eine Buche, deren Blätter vor zwei Wochen noch grün waren. Im Nebenzimmer telefoniert die Freundin, Pläne für's Wochenende, bei ihr geht es um die Frage, ob See oder Berg. Im Büro des Gefangenen steht zur Wahl: Blättern beim Farbwechsel zuschauen oder Fahrrädern beim Lehnen. Gelegentlich laufen Eichkätzchen durchs Bild oder leinenlose Hunde. Sogar die Fahrräder am Zaun werden von ihren Schlössern befreit. Nur ein Radl steht seit 14 Tagen dort, als wäre es wie die Buche hinter dem Zaun festgewachsen.
Gefangenschaft dahoam. Es läuft bereits die Schlussphase der zweiten Halbzeit hinter dem Fenster, doch die Suche nach dem Sinn verläuft seit Tag eins erfolglos. 15 Tage Quarantäne wegen eines verhängnisvollen Kontakts. Da helfen auch zwei negative Tests in Halbzeit eins nichts. Das Gesundheitsamt tut seine Pflicht und verhängt die Ausgangssperre. Jetzt, da der Sommer in die Schlussoffensive geht, fühlt sich das alles weniger wie eine Sicherheitsmaßnahme an. Eher wie eine Strafe, bei der nur noch die Kette fehlt.
Hinter dem Fenster zieht das Leben vorbei wie ein Film, keine Chance auf Teilnahme. Ein Köter hebt das Bein und lässt es laufen. Er hätte sich bestimmt die Buche mit dem gelblichen Laub ausgesucht, wäre der Weg dorthin nicht vom Zaun versperrt. So endet seine Standort-Recherche vor dem Zaun an einem Radl: Dem gut aussehenden Mountainbike mit der Shimano-Schaltung, ein Weihnachtsgeschenk von Papa. Als hätte der Sauhund geahnt, dass die Kette mal wieder eingeölt gehört. Dieser Tage läuft es einfach wie geschmiert.