Im Landkreis Ebersberg:Sommer voller Sorgen

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Corona-bedingte Bildungslücken und mangelnde Sozialkompetenz: In den kommenden Monaten gäbe es für Kinder und Jugendliche eigentlich einiges aufzuholen. Fragt sich nur, wie das zu schaffen ist.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Sommerferien stehen vor der Tür, was für viele Kinder und Jugendliche eigentlich ein Grund zur Freude wäre. In diesem Jahr aber nicht. Denn über den freien Wochen von Ende Juli bis Mitte September schwebt die Sorge eines harten Erwachens im Herbst. Dann, wenn die Schule wieder mit neuem Stoff ihren vollen Betrieb aufnimmt und sichtbar wird, welche Lücken der Distanz- und Wechselunterricht tatsächlich aufgerissen hat. Auch während der Ferien ist heuer vieles anders: Spiel, Spaß und Freizeit scheinen für die Heranwachsenden inzwischen wie Relikte aus einer anderen Zeit zu sein. Der Freistaat und die Bundesregierung haben Programme aufgelegt, durch die den Sommer über einerseits Lernrückstände aufgeholt und andererseits die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen gefördert werden sollen. Mit der Umsetzung im Landkreis Ebersberg stockt es kurz vor Beginn der Ferien allerdings noch.

Unter dem Motto "gemeinsam Brücken bauen" sollen Kinder und Jugendliche in den Sommerferien "ihre Potenziale entfalten und Gemeinschaft erleben" - so jedenfalls stellt man sich das bei der Bayerischen Staatsregierung vor. Funktionieren soll das im Bildungsbereich durch Tutorenprogramme oder die sogenannte Sommerschule, also zusätzliche Unterrichtsstunden in den Ferien. Für den nötigen Freizeitausgleich sollen etwa die Ferienprogramme des Bayerischen Jugendrings beziehungsweise dessen Vertretungen in den Landkreisen sorgen. Schaut man jedoch auf die entsprechende Homepage, sieht die Angebotslage im Raum Ebersberg eher dünn aus. Lediglich ein Reitkurs in Aßling ist dort zu finden, veranstaltet jedoch vom Kreisjugendring Rosenheim. "Wir müssen schon schauen, ob da tatsächlich was läuft", sagte deshalb Johannes von der Forst (Grüne) am Dienstag in der Sitzung des Sozialausschusses im Kreistag. "Die Jugendlichen brauchen in den Ferien Orte, wo sie Kontakte haben."

Dass sich der Grünen-Kreisrat in dieser Debatte zu Wort gemeldet hat, kommt nicht von ungefähr: Seine Fraktion war es, die einen Fragenkatalog beim Landratsamt eingereicht hatte, um sich nach der Umsetzung der Regierungsprogramme zu erkundigen. Die Antwort der Verwaltung fällt nun allerdings etwas ernüchternd aus - besonders auch im Hinblick auf die Schulen. Es hätten mangels eines Förderprogramms noch keine Mittel beantragt oder bewilligt werden können, heißt als Antwort auf die Frage, wie die Bildungseinrichtungen im Rahmen des Bundesprogrammes "Aufholen" unterstützt werden. Welche Angebote den Schülern genau gemacht werden können, habe eine Umfrage unter den Schulen bisher ebenfalls nicht klären können, so die Kreisbehörde. Und auch bei der Personalgewinnung für zusätzliche Unterrichtsstunden könne der Landkreis die Einrichtungen "leider nicht unterstützen".

Dabei wäre gerade hier Bedarf, wie Ernst Peller, der stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums Kirchseeon, in der Sitzung sagte. "Es ist wahnsinnig schwer, Personal zu finden. Wir brauchen schließlich auch die fachliche Kontrolle." Für die eigenen Leute bedeute zusätzlicher Unterricht während der Ferien natürlich entsprechenden Mehraufwand. "Die schreien auch nicht Hurra", so Peller. Dessen Kollege Michael Konz von der Poinger Dominik-Brunner-Realschule konnte das nur bestätigen. Man versuche derzeit, ehemalige Schüler und Studenten als Aushilfslehrkräfte für die Sommerschule zu gewinnen. "Aber das machen die anderen Schulen auch. Deshalb sind die Leute schnell vergriffen", so Konz. Unterm Strich sei das eben auch eine finanzielle Frage.

Offenbar sorgten die Schilderungen der beiden Schulleiter noch während der Sitzung für ein Umdenken im Landratsamt. Dort nämlich will man nun doch nochmals den Bedarf der Schulen abklopfen. "Wir werden die Schulen anschreiben, nachfragen und je nach Situation eventuell unterstützend tätig werden", sagte Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Pauschale Vorgaben, wie die Bildungseinrichtungen ihr Sommerprogramm gestalten sollen, will der Kreis allerdings nicht machen. "Jede Schule muss sich da ein individuelles Angebot erarbeiten."

Dass Lernen trotz möglicher Wissenslücken aber nicht alles ist, darauf wies Florian Robida vom Ebersberger Jugendamt hin: "Die Kinder brauchen auch Ferien." Dass der Kreisjugendring bisher keine entsprechenden Angebote erarbeiten konnte, liege vor allem daran, dass noch keine Fördergelder im Kreis angekommen seien. Dennoch dürfe man nicht so tun, als würde im Freizeitbereich gar nichts passieren. Im Jugendamt habe man Kontakt zu den Gemeinden und Vereinen im Landkreis aufgenommen. Alle Ferienangebote würden dann gebündelt auf der eigenen Homepage veröffentlicht. Dass es bislang noch nicht so viele sind, liegt Robida zufolge an der schwierigen Planung in diesem Sommer. Viele Ferienprogramme der Kommunen seien schlichtweg noch nicht fertig. Damit die Angebote dann aber möglichst Corona-konform stattfinden können, will der Landkreis kostenlose Schnelltests zur Verfügung stellen.

Letztlich aber schweben über dem Sommer noch viele Fragezeichen. Noch haben Politik und Schulen im Landkreis Zeit, um möglichst viele von ihnen aufzulösen - und den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern zumindest ein paar ihrer Sorgen zu nehmen.

© SZ vom 01.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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