Neues Bürgergeld:Verbesserungen auch fürs Amt

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"Ich habe das Jobcenter Ebersberg nie als Sanktionsbehörde verstanden", unterstreicht Geschäftsführer Benedikt Hoigt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zum Januar startet die größte sozialpolitische Reform seit zwei Jahrzehnten. Im Jobcenter Ebersberg erwartet Geschäftsführer Benedikt Hoigt viele positive Effekte - auch für die Behörde selbst.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Behörden sagt man gelegentlich ja eine gewisse Abneigung gegen Neuerungen und Reformen nach - eine der größten dieser Art, das Bürgergeld, stößt dagegen zumindest im Landkreis auf viel Zustimmung bei den Zuständigen. "Das ist für uns eine Chance, etwas Neues zu beginnen", sagt Benedikt Hoigt, Geschäftsführer des Ebersberger Jobcenters über die im Januar beginnende Reform.

Sehr erleichtert ist man in der Behörde zunächst darüber, dass es trotz des Umwegs über den Vermittlungsausschuss gelungen ist, das neue Gesetz zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten zu lassen. Wenn es, was einige Experten zwischenzeitlich für möglich gehalten hatten, zu Verzögerungen gekommen wäre, hätte dies für die Jobcenter erheblichen Mehraufwand bedeutet, sagt Hoigt. Denn zum Jahresende wären auch einige Sonderregelungen, wie der erleichterte Zugang zu Sozialleistungen oder das Sanktionsmoratorium ausgelaufen. Auch hätten sich die Bezüge der Hartz-IV-Empfänger wohl erhöht, aber eben auf Basis der alten Sozialgesetzgebung. Dass es zu dieser Übergangszeit nicht gekommen ist, darüber sei man schon froh, so Hoigt, "wir hätten die Differenz sonst vielleicht per Hand auszahlen müssen".

Dass künftig stärker auf Qualifikation gesetzt wird, sieht man in Ebersberg positiv

Aber auch, dass die Sozialgesetzgebung nun insgesamt reformiert wird, sei eine sehr gute Nachricht, findet der Ebersberger Jobcenter-Chef. Denn die bisherigen Hartz-IV-Regelungen bedürften in vielen Bereichen einer Verbesserung. Etwa der bis Ende Dezember offiziell noch geltende "Vermittlungsvorrang". Dies bedeute, so Hoigt, dass Arbeitslose jeden zumutbaren Job annehmen müssen, der ihnen angeboten wird. Diese Vorgabe sei schon immer kontraproduktiv gewesen, findet Hoigt. Denn "wenn es nicht passt", stehe der oder die Betreffende nach ein paar Wochen wieder im Jobcenter - motivierend sei das nicht.

Daher habe man sich in Ebersberg auch bisher schon bemüht, die Menschen in Jobs zu bringen, die sie auch dauerhaft ausführen können, sagt Hoigt. Im Schnitt 500 bis 700 Personen pro Jahr habe man in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Zum Vergleich: Aktuell ist das Jobcenter Ebersberg für rund 1780 sogenannte Bedarfsgemeinschaften zuständig. Das können Einzelpersonen aber auch ganze Familien sein. Etwa 630 davon sind Familien oder Personen, die aus der Ukraine geflohen sind. Auch für diese Menschen sei man dabei, Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, so Hoigt, etwa 70 Personen konnte man schon vermitteln. Denn die Qualifikationen der Ukrainer seien meist gut, weshalb man sich hier vor allem auf Sprachkurse konzentriere.

Weiter- und Fortbildungen sowie andere Qualifikationsmaßnahmen werden dann auch für die übrigen Bezieher von Bürgergeld Mitte des Jahres noch einmal intensiviert. Ab Juli greift die zweite Stufe der Reform etwa mit Ausbildungsprämien, in den ersten sechs Monaten des Jahres geht es noch vor allem um die Umstellung der Formalien. Etwa das höhere Schonvermögen oder die Regel, dass das Amt für ein Jahr sämtliche Mietkosten übernimmt, erst danach greifen die neuen Obergrenzen für Wohnkosten. Bis Juli findet sich auf den Formularen auch noch gelegentlich der alte Begriff "Arbeitslosengeld II" - die neuen Sätze gelten aber natürlich ab Januar und automatisch. "Niemand, der jetzt Hartz IV bekommt, muss aufs Amt und Bürgergeld beantragen", sagt Hoigt.

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Und natürlich gibt es Reformen bei den Sanktionen. Diese sind beim Bürgergeld zwar weiterhin möglich, aber in abgeschwächter Form: So kann das Amt die Bezüge um zehn Prozent für einen Monat, um 20 Prozent für zwei Monate und maximal um 30 Prozent drei Monate lang kürzen. Laut Hoigt wird das Thema Sanktionen aber ohnehin überbewertet. Er zitiert die Statistik, wonach bundesweit etwa drei Prozent der Hartz-IV-Bezieher von Sanktionen betroffen waren oder sind - ähnlich niedrig sei der Wert für den Landkreis Ebersberg.

Vielleicht ändert sich ja auch das Bild der Behörde in der Öffentlichkeit, hofft der Chef

In der überwiegenden Zahl der Fälle habe man diese Sanktionen verhängt, weil jemand unentschuldigt zu Terminen nicht erschienen ist. Allerdings, so Hoigt, habe man in solchen Fällen auch oft auf aufsuchende Sozialarbeit gesetzt. Denn gerade wenn jemand schon lange arbeitslos ist, was nicht selten aufgrund "schwieriger Lebenssituationen" passiere, gebe es Probleme sich zu strukturieren, eben etwa pünktlich zu einem Termin zu erscheinen.

Auch dazu gebe es im neuen Gesetz neue Möglichkeiten, sagt Hoigt. So kann das Amt künftig Personen in sogenannte geschützte Arbeitsplätze vermitteln. Das kann beispielsweise ein Job am örtlichen Bauhof sein, aber auch in der Privatwirtschaft ist dies möglich. Der Staat übernimmt dann für bis zu zwei Jahre die Lohnkosten, währenddessen könnten sich die Betroffenen an einen regelmäßigen Arbeitsalltag gewöhnen.

Und auch für die Behörde selbst erwartet Hoigt Verbesserungen: Wenn künftig viel stärker auf Qualifikation und Vermittlung in dauerhafte Beschäftigung gesetzt wird, "kann das die Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Jobcenter positiv verändern".

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