Medizin im Landkreis Ebersberg:Klinik leidet an Blutarmut

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Trotz des jüngst verzeichneten Höchststands an Ebersberger Spendern geht insgesamt die Spendenbereitschaft zurück. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Obwohl im Landkreis Ebersberg die Bereitschaft für Blutspenden sehr hoch ist, mangelt es der Kreisklinik an Vorräten. Auswirkungen auf die Notfallversorgung hat dies zwar noch keine, aber manche Operationen mussten bereits verschoben werden.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Eigentlich sollten immer 90 Konserven da sein. Das zumindest ist das erklärte Ziel der Ebersberger Kreisklinik, was ihren Vorrat an Blutspenden anbelangt, wie Transfusionsverantwortlicher und stellvertretender Ärztlicher Direktor Peter Lemberger erklärt. An diesem Tag aber sind es nur 74 - knapp 18 Prozent fehlen bis zum Wunsch-Soll. Auch die eiserne Reserve an Blutkonserven der Blutgruppe Null-negativ, die für alle Spendenempfänger verträglich ist, ist mittlerweile von sechs auf fünf geschrumpft. Lemberger aber erinnert sich an Zeiten, da waren es einmal acht. "Wir haben mittlerweile oftmals ein ungutes Gefühl, weil die Reserven einfach sehr knapp sind", sagt er. Was bedeutet das für die medizinische Versorgung und Notfallkapazitäten im Landkreis Ebersberg?

Vor einem Szenario gibt Lemberger mit Nachdruck Entwarnung: Für Notfälle, beispielsweise Unfallopfer, sei immer genügend Spendenblut vorhanden. "Da braucht aktuell niemand Angst haben, dass für ihn oder sie nichts da ist." Jedoch, und das gehört auch zur Wahrheit, habe auch er keine Glaskugel. Im Sommer passieren in der Regel mehr Unfälle als in den kälteren Monaten, während die Zahl der Blutspender erfahrungsgemäß zurückgeht. Außerdem ist diese seit Corona ohnehin gesunken. Heuer falle dieser Trend nochmals stärker aus als im Vorjahr, sagt Lemberger. Über die Gründe hierfür kann er indes nur spekulieren. "Möglicherweise ist einerseits der Bedarf durch Corona und das Nachholen verschobener Operationen aktuell erhöht, die Leute holen aber auch Urlaubsreisen nach und sind generell wieder viel mehr unterwegs - da bleibt dann bei vielen vielleicht keine Zeit mehr zum Blutspenden."

Im Landkreis Ebersberg ist die Spendenbereitschaft überdurchschnittlich hoch

Nachfrage bei Günter Obergrusberger, BRK-Bereitschaftsleiter: Werden die Menschen spendenfaul? Nicht im Landkreis Ebersberg. Hier sei sogar ein gegenteiliger Trend zu beobachten. An den beiden jüngsten Spendentagen Ende Juni kamen insgesamt 449 Menschen. 82 Erstspender waren darunter, das sind doppelt so viele wie für gewöhnlich. Die Spendenbereitschaft der Ebersberger liege aber nicht nur bei den Neulingen auf einem historischer Höchststand, sagt Obergrußberger. "Sonst kommen insgesamt im Schnitt zwischen 400 und 420" - also 30 bis 50 Spender weniger.

Wenn nun diejenigen, die trotz Anmeldungen nicht erscheinen, ihre Termine rechtzeitig stornieren würden, könnte Ebersberg durchaus noch besser dastehen, vermutet Obergrußberger. An den vergangenen Spendentagen seien ungefähr zehn Prozent der Anmeldungen verfallen. Das sind gut 20 Termine pro Tag. "Wir konnten das bisher gut mit den Spendenwilligen kompensieren, die ohne Anmeldung gekommen sind", sagt Obergrußberger. Aber wenn davon unabhängig die besagten zehn Prozent tatsächlich spenden oder ihren Platz für einen anderen Spender wieder freigeben würden, käme gewiss der eine oder andere zusätzliche Liter Blut zusammen.

Nichtsdestotrotz: "Ebersberg ist ein regelrechter Spender-Hotspot." Obergrußberger vermutet, dass die Möglichkeit für Terminbuchungen, die mit der Pandemie eingeführt worden sind, ein möglicher Grund sind, wieso die Ebersberger vermehrt zum Spenden kommen. "Wir haben 20 verschiedene Zeitslots, zu denen jeweils zehn Anmeldungen möglich sind", sagt er. Dadurch sei die Wartezeit auf ein Minimum verkürzt - statt wie früher gerne mal erst nach zwei Stunden, sei ein Spendentermin nun in ungefähr 15 Minuten vorbei. "Das ist schon sehr komfortabel."

Die zentrale Blutbank meldet einen mangelnden Vorrat

Dass das viele Blut der Ebersberger aber offensichtlich nicht in der Ebersberger Kreisklinik ankommt, liegt am Verteilungssystem. Das gespendete Blut kommt ins Labor, wo es in seine Bestandteile zerlegt und auf diverse Krankheiten und Erreger getestet wird, etwa auf HIV. Gibt es keine Auffälligkeiten, werden die Blutpräparate in Blutkonserven abgefüllt und gelangen in die zentrale Blutbank. Dort melden Kliniken und Arztpraxen ihren Bedarf an und werden beliefert. "Wenn die Blutbank aber nicht genügend Vorrat hat, um allen Bestellungen nachzukommen, dann gibt's eben für alle etwas weniger", erklärt Obergrußberger.

Und genau das ist aktuell der Fall. "Es ist auch schon vorgekommen, dass wir Operationen um ein paar Stunden oder einen Tag verschieben mussten, weil wir zu wenig Blut vorrätig hatten", sagt Peter Lemberger von der Kreisklinik. Er betont, dass enorm viele Patientengruppen auf Blutspenden angewiesen sind: Nicht nur bei schweren Unfällen mit großem Blutverlust sei das der Fall, sondern auch bei komplexen Operationen wie Hüft- oder Knieprothesen, Tumor- oder Darm-OPs, bei Leukämie ebenso wie bei Patienten mit inneren Blutungen oder Magengeschwüren. Jedes Jahr müssen im Ebersberger Krankenhaus 1500 bis 2000 Patienten mit Rote-Blutkörperchen-Präparaten versorgt werden. Das sind fünf Patienten pro Tag.

Der nächsten Blutspende-Termine sind am 22. Juli in der Mehrzweckhalle in Oberpframmern sowie am 24. und 25. August im Ebersberger BRK-Haus, jeweils von 15 bis 20 Uhr. Eine Übersicht über alle kommenden Termine ist online unter www.blutspendedienst.com/blutspendetermine einsehbar. Dort oder mit der App "Blutspende" sind Anmeldungen möglich.

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