Amtsgericht Ebersberg:Karambolage in der Werkstatt

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Zwei seit Jahren verfeindete Automechaniker treffen sich in Ebersberg vor Gericht - nicht zum ersten Mal.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Zumindest die Tonqualität war ausgezeichnet - der Rest der Aufnahme, die nun am Ebersberger Amtsgericht zu hören war, eher weniger: Eine längere Schimpftirade, gespickt mit einigen Kraftausdrücken, von denen "Grattler" oder "Lügner und Betrüger" noch die harmloseren waren. Weil der so angegangene dies aufgenommen hatte, fand sich ein 58-Jähriger nun gut eineinhalb Jahre später auf der Anklagebank wieder.

Das lag auch daran, dass neben den Schimpfwörtern ebenfalls der Satz gefallen war: "Wart mal, bis der Iwan kommt - dann zuckst Du nur noch." Für die Staatsanwaltschaft stellte das eindeutig eine Bedrohung dar. Außerdem hatte der Kontrahent des Angeklagten bei der Polizei noch ausgesagt, der 58-Jährigen habe neben derben Sprüchen auch mit einer Wasserflasche geworfen. Zwar nur eine kleine und aus Plastik, die außerdem niemanden getroffen hatte, dennoch lautete die Anklage auf versuchte gefährliche Körperverletzung.

Zuguterletzt soll der Angeklagte einen Tag nachdem er den anderen in dessen Autowerkstatt angegangen hatte, diesen auch noch im Straßenverkehr bedrängt haben. Dazu sei er mit seinem Auto auf der Gegenfahrbahn dem Lastwagen seines Kontrahenten entgegengefahren und habe diesen zum Abbremsen gezwungen, erst kurz bevor es zur Kollision gekommen wäre, habe der Angeklagte abgedreht.

Ein Zeuge verwickelt sich in Widersprüche und wird von der Vorsitzenden gewarnt

Diese Aussage bestätigte der Sohn des Geschädigten, der am fraglichen Tag mit im Lastwagen gesessen hatte. Auf Nachfrage von Richterin Vera Hörauf verwickelte sich der junge Mann allerdings in Widersprüche. So sagte er vor Gericht, er habe als Fahrer des entgegenkommenden Wagens einen älteren Mann mit grauen Haaren erkannt. Die Vorsitzende hielt ihm daraufhin seine Aussage bei der Polizei vor, wonach er den Fahrer nicht erkannt habe. "Ich glaube, Sie lügen mich gerade an." Mit den Folgen einer Falschaussage konfrontiert, ruderte der Zeuge zurück. Es stimme, er habe lediglich das Fahrzeug - ein eher seltenes Modell älterer Bauart - erkannt, aber nicht den oder die Insassen, er sei einfach nervös, erklärte er seine vorherige Aussage.

Ohnehin konnten weder Vater noch Sohn vor Gericht genau den Tag des Vorfalls nennen. Der Angeklagte wiederum präsentierte einen eigenen Zeugen, der bestätigen sollte, dass die beiden zum fraglichen Zeitpunkt an einem Auto gearbeitet hätten. Allerdings konnte der Zeuge sich nur an die Uhrzeit erinnern und dass die Reparatur sehr lange gedauert habe. Was den Tag angehe sei er nicht mehr sicher, allerdings stehe auf der Rechnung das Datum, an dem laut Anklageschrift der Vorfall auf der Straße gewesen sein soll.

Vor einigen Jahren gab es einen ähnlichen Prozess mit vertauschten Plätzen

Etwas eindeutiger, da durch das rüde Hörspiel belegt, war der Vorfall in der Werkstatt des Geschädigten. Sein Mandant räume dies natürlich ein, so der Verteidiger, allerdings bleibe die Frage, ob man die Aufnahme überhaupt verwerten dürfe, da sie ohne Wissen des Angeklagten entstanden sei. Dem widersprach der Geschädigte, er habe, als der Angeklagte wutschnaubend in seiner Werkstatt auftauchte, nach den ersten Beleidigungen klar zu diesem gesagt, dass es ihm jetzt reiche und er jetzt alles aufzeichnen werde.

Was den angeblichen Flaschenwurf angehe, den habe der Geschädigte erfunden, um sich zu rächen, so der Advokat. Denn die Sache habe eine Vorgeschichte, die ebenfalls mit einem geworfenen Gegenstand zu tun hat. Bis vor einigen Jahren haben die beiden Automechaniker nämlich Geschäfte gemacht, der Angeklagte habe dem Geschädigten Ersatzteile verkauft. Letzterer habe aber eine schlechte Zahlungsmoral gehabt, weshalb die beiden Männer einen Streit hatten. Dabei sei der Angeklagte mit einer Metallspule beworfen worden, die dessen Auto traf. Dafür wurde der Kontrahent auch schon verurteilt und musste Schadenersatz leisten. Den er aber ebenfalls lange Zeit nicht bezahlt habe, so der Verteidiger weiter. Darum sei der Angeklagte in der Werkstatt seines ehemaligen Geschäftspartners aufgetaucht. Und in dem Zusammenhang sei auch die Aussage mit dem "Iwan" zu werten, das sei so zu verstehen, dass man einen Geldeintreiber anheuern werde.

Was die Staatsanwältin nicht überzeugte, vor allem der Nachsatz "dann zuckst Du nur noch" sei schon eine ernsthafte Bedrohung. Die Beleidigung sei ohnehin bewiesen und den Flaschenwurf sehe sie ebenfalls als erwiesen an, genau wie die Nötigung im Straßenverkehr. Das angebliche Alibi werde von einem Zeugen bestätigt, der ganz offenbar ein Freund des Angeklagten sei.

Der Angeklagte hat 13 Vorstrafen, auch wegen Beleidigung und Körperverletzung

Die Vorgeschichte - "beide werfen Anzeigen hin und her und beschäftigen die Justiz" - könne man zwar zugunsten des Angeklagten werden, auch habe es sicher Provokationen seitens des Geschädigten gegeben. Zulasten des Angeklagten seien aber seine zahlreichen Vorstrafen zu werten, insgesamt 13 Mal ist er verurteilt worden, neben diverser Eigentumsdelikte und fahrlässiger Tötung sind auch einige Fälle von Beleidigung und Körperverletzung sowie immer wieder Verkehrsstrafsachen dabei. Die Anklagevertreterin beantragte daher eine Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und drei Monate Führerscheinentzug.

Auch die Vorsitzende sah neben der Beleidigung und der Bedrohung auch den Flaschenwurf als erwiesen an. Die Aussage des Geschädigten sei glaubhaft, er habe geschildert, dass der Angeklagte ihn verfehlt hat. "Wenn er etwas hätte erfinden wollen, hätte er was anderes erzählt." Was dagegen die angebliche Geisterfahrt des Angeklagten angeht, die sah Hörauf nicht als erwiesen an. Keiner der Zeugen könne sich an ein Datum erinnern, den Fahrer oder das Kennzeichen habe auf Nachfrage auch keiner erkannt.

Der Angeklagte wurde schließlich zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Zwar sei die Liste der Vorstrafen lang, die letzte liege aber bereits sieben Jahre zurück. Auch sei die Vorgeschichte zugunsten des Angeklagten zu werten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Fortsetzung des Dauerstreites vor Gericht scheint aber wohl nicht anzustehen: Der Geschädigte ist mit seiner Werkstatt inzwischen in einen anderen Ort außerhalb des Landkreises umgezogen.

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