Amtsgericht Ebersberg:Schlechte Karten

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Ein junger Mann wird beschuldigt, sich als Polizist ausgegeben zu haben, was er bestreitet. Doch selbst wenn: Ob das überhaupt strafbar war, ist nicht einfach zu klären.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Welche Musik an dem fraglichen Abend, der nun sein Nachspiel am Ebersberger Amtsgericht hatte, aus den Boxen wummerte, wissen wohl nur die, die dabei waren. Gepasst hätte jedenfalls der zwar schon etwas angegraute aber immer wieder gerne gespielte Klassiker von Falco mit dem eingängigen Refrain: "Drah di net um - oh, oh, oh, Schau, schau, der Kommissar geht um." Denn darum drehte sich der Prozess: Angeblich ging ein Kommissar in einer Münchner Bar um - der eigentlich gar keiner war.

Auf der Anklagebank saß ein 20-Jähriger aus dem westlichen Landkreis, ihm wurde vorgeworfen, sich in der Bar, als er dort in Streit mit zwei Türstehern geriet, als Polizist ausgegeben zu haben. Und da fingen die Schwierigkeiten des Prozesses schon an. Denn das alleine - also zu behaupten, man sei Polizist, ohne eine unbefugte Amtshandlung vorzunehmen - ist noch nicht unbedingt strafbar, wie Richter Dieter Kaltbeitzer ausführte. Anders sieht es aus, wenn man sich selbst eine konkrete Dienst- oder Rangbezeichnung verpasst, die es bei der Polizei gibt. Ob der Angeklagte dies nun aber wirklich getan hatte, schien ihm schwer nachzuweisen.

Ein Schlüsselanhänger als Dienstmarke

Laut Staatsanwalt hatte er sich gegenüber den Türstehern mittels einer Art von Dienstmarke ausgewiesen, sowie die Visitenkarte seines Vaters hergezeigt, der tatsächlich Beamter der Kriminalpolizei ist, und damit den Anschein erweckt, er sei die Person auf der Karte. Dies erfülle den Tatbestand des Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen.

Am Vorzeigen der angeblichen Dienstmarke, so der Vorsitzende, lasse sich der Vorwurf des Abzeichenmissbrauchs schon mal nicht festmachen. Denn bei der Marke handelte es sich um einen Schlüsselanhänger mit dem Logo der Gewerkschaft der Polizei. Weder werde damit ein Dienstgrad vorgetäuscht, noch sei es zwingend, dass Gewerkschaftsmitglieder automatisch Polizisten seien, auch Mitarbeiter etwa der Polizei-Verwaltung könnten der Gewerkschaft beitreten. Bei der Visitenkarte sehe das schon anders aus, darauf ist wirklich eine Dienstbezeichnung angegeben, wenn auch die Schrift schon arg ausgebleicht ist.

Die Frage war nun, ob der Angeklagte behauptet hatte, es sei seine Karte. Das bestritt der junge Mann vehement. Nach seiner Schilderung seien er und ein paar Freunde im vergangenen Sommer in die betreffende Bar gegangen, um auf erfolgreiche Prüfungsergebnisse anzustoßen. Dass sie dies reichlich taten, räumte der Student auch freimütig ein: Etwa um neun sei man in der Bar angekommen und habe mit dem Trinken begonnen. Kurz vor Mitternacht, als es zu der Szene kam, die den angeblichen Titelmissbrauch ausgelöst hatte, dürfte er nach eigener Schätzung etwa acht Wodka-Drinks intus gehabt haben.

Mit welcher Intention wurde die Karte gezeigt?

Begonnen hatte die Sache laut dem Angeklagten, als er im Raucherbereich von einem Unbekannten angerempelt wurde. Als er diesen gefragt habe, was das solle, sei sofort einer der Türsteher auf ihn zu gerannt und habe ihn am Hals gepackt. Es sei ihm so vorgekommen, als ob der Unbekannte und der Rausschmeißer sich gekannt hätten, so der Angeklagte. Er habe dann nur geschrien, dass man ihn loslassen solle und dass sein Vater Polizist sei. Zum Beweis habe er dessen Karte gezeigt - aber ausdrücklich ohne zu behaupten, es sei seine eigene. Der Türsteher habe ihn dann zu seinem Chef gebracht, so der Angeklagte, er selbst habe eigentlich nur nach Hause gehen wollen und das auch mehrmals so gesagt. Schließlich sei dann die Polizei gekommen.

Der Chef der Türsteher erinnerte sich etwas anders an die Geschichte. Dass es wohl einen Streit zwischen dem Angeklagten und einem anderen Gast gegeben hatte, habe ihm sein Kollege berichtet, so der Zeuge. Der Kollege sei mit dem Angeklagten zu ihm gekommen, dem Kollegen zufolge habe der junge Mann behauptet, Polizist zu sein. Das habe der junge Mann auch ihm gegenüber mehrmals getan und sich mit einer Art Ausweis legitimiert - bei dem es sich um die fragliche Visitenkarte handelte. Er habe dem Angeklagten auch mehrmals gesagt, er wolle das nicht sehen, denn selbst wenn er ein echter Polizist gewesen sei, wäre er ja privat dagewesen. Dass der Angeklagte freiwillig gehen wolle, stimme auch nicht, ganz im Gegenteil: "Wir wollten ja, dass er geht und er wollte nicht, so ist das Ganze erst entstanden." Schließlich habe er dann die echte Polizei gerufen.

Angesichts der doch recht unübersichtlichen Beweislage schlug der Vorsitzende zwei Optionen vor: Entweder man vertage sich und führe die Verhandlung mit dem zweiten Türsteher als Zeugen fort - wovon Richter Kaltbeitzer selbst nicht überzeugt schien: "Ob das der Sache angemessen ist, weiß ich nicht." Möglichkeit zwei sei die Einstellung gegen eine kleine Auflage. Da die Sache nach Jugendstrafrecht verhandelt wurde, schlug der Vorsitzende drei Tage soziale Arbeit vor. Angeklagter und Staatsanwalt erklärten sich einverstanden - letzterer unter der Voraussetzung, dass sowohl die Visitenkarte, als auch die "Marke" eingezogen würde, so dass der Kommissar zumindest nicht erneut umgehen kann.

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