Amtsgericht Ebersberg:Schwamm drüber

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Ein Prozess um eine Schaumgummi-Wasserpistole geht fast in die nächste Runde - am Ende steht eine ungewöhnliche Lösung.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Das altertümliche Wort "Advokat" für einen Rechtsanwalt geht bekanntlich auf das Lateinische zurück und meint "Fürsprecher". Im Falle eines 39-Jährigen aus dem Landkreis Rosenheim öffnete der Anwalt nicht nur seinen Mund im Sinne des Angeklagten - sondern sogar den Geldbeutel.

Die Sache, wegen derer der 39-Jährige nun bereits das zweite Mal vor dem Amtsgericht erscheinen musste, ist vom Schweregrad her eher im ganz unteren Bereich anzusiedeln: ein Streit am Babybecken. Der Angeklagte war im vorvergangenen Sommer im Freibad mit einem kleinen Buben aneinandergeraten, weil der ihn wohl des öfteren erfolgreich mit der Wasserpistole anvisiert hatte. Der 39-Jährige wiederum soll dem Buben dann das Spielzeug entrissen und es nach ihm geworfen haben - was ihm eine Anklage wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung einbrachte. Außerdem soll er die Mutter des Wasserschützen auch noch beleidigt haben.

Das Verfahren sollte eingestellt werden

In der ersten Verhandlung gut ein Jahr nach dem Vorfall im Freibad bestritt der Angeklagte die Beleidigung, gab den Rest indes zu - wenn auch mit Korrekturen. So habe es sich nicht um eine richtige Wasserpistole aus Hartplastik sondern um eine Schaumgummi-Spritze gehandelt. Die habe er dem Buben zwar weggenommen, aber das Objekt des Missvergnügens nicht nach ihm, sondern einfach weggeworfen. Sogar die Mutter des Wasserspritzers sagte im Zeugenstand aus, dass die Schwammpistole ihren Sohn wohl auch bei einem Treffer nicht hätte verletzen können - allerdings habe der seitdem Angst ins Freibad zu gehen.

Am Ende wurde das Verfahren eingestellt, mit der Auflage, dass der Angeklagte binnen eines halben Jahres 200 Euro an eine Kinderhilfseinrichtung spendet. Das hat er nicht getan, weshalb das Verfahren nun wieder aufgenommen wurde. Was für den 39-Jährigen durchaus riskant ist, denn er hat noch eine Bewährungsstrafe offen.

Der Angeklagte verweist auf schwere Krankheit

Bevor die Anklage verlesen wurde, regte Pflichtverteidiger Derek Setz an, dem Angeklagten noch einmal die Chance zu geben, die 200 Euro zu bezahlen und das Verfahren damit einzustellen. Dass das Geld nicht überwiesen wurde, liege daran, so der Advokat, dass der 39-Jährige kurz nach dem ersten Prozess am Amtsgericht schwer erkrankt sei. Dies bestätigte der Angeklagte, er sei bis heute noch nicht wieder richtig fit. Da er außerdem arbeitslos sei, von Hartz IV lebe und von dem wenigen Geld einiges für Medikamente ausgeben musste, konnte er die Auflage nicht bezahlen.

"Warum sagen Sie das dann nicht?", so die Vorsitzende Vera Hörauf. Das Gericht habe den Angeklagten nämlich mehrmals schriftlich auf den Zahlungsverzug aufmerksam gemacht, der habe indes nie reagiert. Er habe sich nach der OP ziemlich zurückgezogen, sagte der Angeklagte, sogar in psychologischer Behandlung sei er deswegen gewesen.

"Wenn Sie das Geld jetzt dabei haben, stellen wir es ein", sagte Hörauf. "Ich würde sofort zur Bank gehen und es abheben", entgegnete der Angeklagte - leider sei sein Konto derzeit aber nicht gedeckt, er müsse auf die nächste Überweisung von der Arbeitsagentur und damit auf die kommende Woche warten. Sein Verteidiger bot an, die Zahlung zuzusichern, notfalls könne er die Summe auch auslegen.

Staatsanwaltschaft und Richterin stimmten dem zu, Letztere hatte aber noch eine Warnung an den Angeklagten: "Wenn Sie den Verteidiger nicht zahlen, haben Sie das nächste Verfahren am Hals - dann wegen Betrug und das ist noch schlimmer."

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