Flüchtlingsunterkunft in Kirchseeon:Gemeinde bedauert Brandbrief an Landratsamt

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Bürgermeister Udo Ockel bezeichnet den Brandbrief, in dem die Zustände in der Turnhalle des Gymnasiums kritisiert wurden, als Fehler. Auch der Helferkreis befürchtet negative Folgen.

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Ein Brandbrief der Gemeinde Kirchseeon an das Landratsamt Ebersberg hat vor Weihnachten für gereizte Stimmung in der Behörde gesorgt. Jetzt sagt Kirchseeons Bürgermeister Udo Ockel (CSU): "Der Brandbrief war ein Fehler." Zwar habe der Gemeinderat sich dafür ausgesprochen, das Schreiben zu verfassen und darin auf die Missstände der Asylunterkunft in der Turnhalle des Gymnasiums hinzuweisen. Nachträglich betrachtet sei das aber "zu unüberlegt" und "zu unreflektiert" geschehen, sagt Ockel.

Grund für das Schreiben der Gemeinde an das Landratsamt war ein Bericht der Grünen im Gemeinderat. Die Fraktion hatte die Unterkunft in der Turnhalle besichtigt und die Situation dort als "katastrophal" eingestuft. Die Halle sei mit 170 Flüchtlingen völlig überfüllt, hieß es. Die Menschen müssten auf dem Boden sitzen, die Mehrzahl an Duschen und Toiletten würde nicht funktionieren und die hygienischen Zustände in der Einrichtung seien untragbar. In dem Brief forderte der Gemeinderat Verbesserungen. Das Landratsamt ist für die Unterbringung der Flüchtlinge wie auch für den Unterhalt der Halle zuständig.

Udo Ockel räumt jetzt ein, dass die Forderungen falsch gewesen seien. Man habe sich auf die Aussagen der Grünen-Gemeinderäte verlassen, jedoch die Hintergründe zu wenig geprüft, sagt der Rathauschef. Zu unreflektiert seien die Informationen der Grünen im Gemeinderat verarbeitet worden. Zwar streitet der Bürgermeister nicht ab, dass die Zustände in der Turnhalle äußerst schlecht waren, dennoch ärgert er sich über das Schreiben, das für "starke Differenzen" zwischen Gemeinde und Landratsamt sorgte. Denn vieles, was darin bemängelt wurde, hätte der Landkreis bereits gewusst und bearbeitet.

Beispielsweise die Reparatur von Duschen und Toiletten. Das brauche eben seine Zeit, sagt Ockel. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) reagierte mit scharfen Worten auf den Brandbrief der Gemeinde. Er betonte, dass viele der Forderungen bereits erfüllt worden seien oder aktuell umgesetzt würden. Was die Sauberkeit betreffe, sehe Niedergesäß auch die Asylbewerber in der Pflicht. Udo Ockel ist ebenfalls überzeugt, dass die Asylbewerber für die Sauberkeit der Halle größtenteils selbst verantwortlich sind. Das sei die Pflicht eines jeden. Weiter betont Ockel, dass der Landkreis durchaus alles Notwendige unternehme, um die Unterkunft vernünftig zu unterhalten.

Auch die Grünen-Gemeinderätin Natalie Katholing entkräftet nun die Vorwürfe, die im Brandbrief standen: Der Brief habe ziemlich eingeschlagen beim Landratsamt, das sei ihr bewusst. Das Landratsamt würde auch nicht schlecht arbeiten, räumt sie ein. "Wir wollten mit dem Brief lediglich einen Ist-Zustand der Halle weitergeben, den wir als schlimm empfunden haben", erklärt Katholing.

Die Situation in der Halle habe sich nach dem Schreiben an das Landratsamt verbessert, sagt sie. "Es ist toll, wenn etwas passiert." Die Gemeinderätin sagt weiter, dass die Asylbewerber natürlich eine gewisse Pflicht hätten, ihre Unterkunft zu pflegen. Dennoch müsse der Landkreis dafür sorgen, dass die Unterkunft, insbesondere Duschen, Toiletten und Küchencontainer professionell gereinigt und desinfiziert würden, "um den Ausbruch von Seuchen" zu verhindern.

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Der Brandbrief der Gemeinde sorgte auch für Differenzen zwischen dem Landratsamt und dem Helferkreis Asyl in Kirchseeon. Denn dieser sei im Zusammenhang mit den Vorwürfen an das Landratsamt von den Grünen-Gemeinderäten erwähnt worden. Das sei "äußerst unglücklich" für den Helferkreis, sagt deren Sprecherin, Sonja Naumann. Man wollte niemanden etwas vorwerfen. Außerdem habe der Helferkreis die Grünen nicht gerufen. Naumann befürchtet jetzt, dass sich zwei Lager aus den Helfern und dem Landratsamt bilden könnten. Das sei völlig kontraproduktiv. Eigentlich möchte der Helferkreis in keinem politischen Kontext genannt werden, sagt Naumann. Viel wichtiger sei es, dass es noch mehr "tatkräftige Helfer" gebe.

Um in Zukunft die Asylthematik in Kirchseeon besser aufzuarbeiten, will die Fraktion der Grünen am Montagabend im Gemeinderat einen Antrag stellen, um einen Asylbeirat zu gründen. Dieser solle kein neuer Arbeitskreis werden, konkretisiert Natalie Katholing. Ein Asylbeirat könnte aus Sicht der Grünen so aussehen, dass jede Fraktion im Gemeinderat einen festen Ansprechpartner zur Asylthematik bestimmt. Diese sollen als "Schnittstelle" zwischen Gemeinde, Landratsamt, Bürgern und Helferkreis fungieren, und sich vor jeder Sitzung des Gremiums über die aktuelle Lage vor Ort austauschen. Zwar gebe es dafür keine "gesetzliche Verpflichtung", aber durchaus eine "moralische", sind sich die Grünen einig.

Anders sieht das Bürgermeister Udo Ockel. Er lehnt die Gründung eines Asylbeirats ab. Er ist überzeugt, dass ein solches Gremium weder notwendig ist, um die Lage zu verbessern, noch sieht er dadurch Aufgaben erfüllt, die die Verwaltung nicht bereits übernehmen würde. Sonja Naumann möchte sich nicht zu der Forderung der Grünen äußern. Sie merkt jedoch an, dass es wenig Sinn mache, Dinge zu erzwingen.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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