Kirchseeon:Helfer klagen über "Käfighaltung" von Flüchtlingen

Kirchseeon: In der Turnhalle des Kirchseeoner Gymnasiums, links die Küchencontainer, leben inzwischen 170 Menschen unter fragwürdigen Bedingungen.

In der Turnhalle des Kirchseeoner Gymnasiums, links die Küchencontainer, leben inzwischen 170 Menschen unter fragwürdigen Bedingungen.

(Foto: Christian Endt)
  • 170 Flüchtlinge sind in der Turnhalle der Gemeinde Kirchseeon untergebracht, ausgelegt ist die Unterkunft für 130 Menschen.
  • Die Zustände in der Halle sind derzeit verheerend. Manche Gemeinderäte fordern, eine feste Kraft anzustellen - doch der Bürgermeister will keine Aufgaben der Regierung übernehmen.

Von Isabel Meixner, Jessica Morof und Christian Endt, Kirchseeon

Eine übervolle Turnhalle, wochenlang kaputte Duschen, Menschen, die auf dem Boden sitzen müssen: Die Zustände in der Asylbewerberunterkunft am Gymnasium haben die Gemeinde Kirchseeon nun dazu veranlasst, auf Anregung der Grünen-Fraktion im Gemeinderat einen Brandbrief an das Landratsamt zu schreiben. Darin wird gefordert, die Duschen, Toiletten und Küchencontainer professionell reinigen und desinfizieren zu lassen, um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern. Auch soll das Landratsamt dafür Sorge tragen, dass Räume im Gymnasium genutzt werden können und dass der Helferkreis besser informiert wird. Auf Hilferufe würde oft nicht oder verspätet reagiert, klagt Grünen-Gemeinderätin Natalie Katholing.

"Das ist Käfighaltung", bringt es Sonja Naumann vom Helferkreis drastisch auf den Punkt: "So kann man nicht leben". Ursprünglich für 130 Menschen ausgelegt, lebten inzwischen 170 Flüchtlinge in der Turnhalle. Die Zustände seien "katastrophal": Sechs Wochen lang seien neun von elf Duschen kaputt gewesen, derzeit funktionierten nur drei von fünf Waschmaschinen und zwei Toiletten.

Platz, ihre Kochtöpfe mit Essen in den sechsundzwanzig Kühlschränken unterzubringen, haben viele Asylbewerber nicht; sie müssen sie unter dem Bett lagern. In dem Raum, in dem die Kühlschränke stünden, müsse man sich "die Nase zuhalten", sagt Naumann: "Da kommt Ihnen viel Leben entgegen." Schließlich lässt sich kaum feststellen, welche Lebensmittel wem gehören, entsprechend fühlt sich niemand für Entsorgung und Reinigung zuständig.

Aus Platz- und Brandschutzgründen wurden sämtliche Stühle und Tische entfernt, die Flüchtlinge müssen auf dem Boden oder im Bett essen. Auch die Deutschkurse, die Mitglieder des Helferkreises und Schüler des Gymnasiums ehrenamtlich durchführen, finden dort auf dem Hallenboden statt. Nicht einmal Klappstühle dürfen aufgestellt werden. Erst kürzlich musste der Weihnachtsbaum wegen Brandgefahr vor die Tür gestellt werden.

Privatsphäre? Gibt es in der Turnhalle nicht

Die zwei Küchencontainer seien dreckig, die Herde verkrustet, der Helferkreis werde allein gelassen mit der Aufgabe, die Flüchtlinge beim Thema Sauberkeit anzuleiten. "Was erwartetet man von Ehrenamtlichen?", fragt Naumann, die nach eigener Aussage seit Monaten am Anschlag ist. Denn zu den Herausforderungen in der Halle kommt die psychische Verfassung der Asylbewerber: "Manche bekommen immer wieder einen Koller."

Privatsphäre gibt es in der Turnhalle kaum, die Betten stehen in langen Gängen ohne Raumteiler nebeneinander. Dem Landratsamt will Sonja Naumann keinen Vorwurf machen: "Was soll der Landkreis machen? Sie müssen die Leute irgendwo unterbringen. Die sind gnadenlos überlastet." Allerdings gehe auch die Kraft der 20 Ehrenamtlichen zur Neige. Naumann fordert eine feste Sozialpädagogin, die sich um die Flüchtlinge in der Turnhalle kümmert: "Wir brauchen professionelle Hilfe!"

Gemeinderätin Natalie Katholing spricht von "menschenunwürdigen Verhältnissen", sie sieht auch ihre Gemeinde in der Pflicht: "Wir können die Helfer nicht alleine lassen." Doch eine feste Kraft anzustellen, hatte Bürgermeister Udo Ockel (CSU) schon vor einiger Zeit abgelehnt. Die Grünen haben nun einen Asylbeirat vorgeschlagen, der sich einmal im Monat über die Zustände in der Turnhalle informiert. Die anderen Fraktionen wollten hierzu noch Bedenkzeit.

Der Bürgermeister will nicht die Aufgaben der Regierung lösen

"Prinzipiell wäre es sehr gut, wenn jemand vor Ort wäre, der sich kümmert", betont Ockel. Doch die Gemeinde sei nicht dafür zuständig. Die Regierung sehe für Gemeinschaftsunterkünfte mit mindestens 150 Personen zwar eine sozialpädagogische Stelle vor - Behelfsunterkünfte wie eine Turnhalle bildeten jedoch eine Ausnahme. "Für mich kommt es nicht infrage, die Aufgaben des Staates mit kommunalen Mitteln zu lösen", so Ockels persönliche Meinung.

Das Landratsamt verweist auf eine Kontrolle des Gesundheitsamtes in Kirchseeon vor einigen Wochen. Dort seien auch hygienische Maßnahmen getroffen worden. Außerdem sei ein Sozialpädagoge des Landratsamtes regelmäßig in der Sporthalle, notwendige Reparaturen seien beauftragt und teilweise schon ausgeführt. Von Januar an will man die Asylsuchenden mit Lebensmittelpaketen versorgen, falls diese mit den hygienischen Anforderungen weiterhin nicht zurecht kommen.

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