Wirtschaftsprognose:Bei Gaslieferstopp droht Rezession

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Russisches Gas ist besonders wichtig für das Verarbeitende Gewerbe. (Foto: Rupert Oberhäuser/imago)

Auch der Landkreis Ebersberg ist von Gas aus Russland abhängig. Was würde mit der Wirtschaft hier passieren, wenn es den Gashahn zudreht? Ein Institut hat es ausgerechnet.

Von Merlin Wassermann, Ebersberg

Viele Aufgaben im Mathebuch beginnen mit einem hypothetischen Szenario: "Stellen Sie sich vor..." Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat sich auch etwas vorgestellt. Es geht ihnen allerdings nicht um Peter, der den Umfang von 23 Wassermelonen durch rote und blaue Kugeln teilen muss. Nein, das IWH hat sich eine weltnähere und schwerwiegendere Frage gestellt: Was passiert, wenn Russland kein Gas mehr an Deutschland liefert? Auch die Auswirkungen für den Landkreis Ebersberg wurden genau berechnet.

Soviel vorweg: die deutsche Wirtschaft würde in eine Rezession rutschen, jedes Bundesland und jeder Landkreis wäre betroffen. Das verwundert nicht, da die Bundesrepublik die Hälfte ihres Erdgasverbrauchs mit russischem Gas deckt und sich dieser fossile Energieträger - im Gegensatz zu Kohle und Öl - nicht kurzfristig aus einer anderen Quelle in ausreichender Menge beziehen lässt.

Es käme zu einem "Produktionseinbruch im Verarbeitenden Gewerbe"

Die Modelle des IWH beruhen dabei auf verschiedenen Annahmen. Die Forscherinnen und Forscher gingen von einem Lieferstopp zur Mitte des vergangenen Monats aus, die Ergebnisse können aber dennoch einen akkuraten Eindruck von den Auswirkungen eines Versorgungsengpasses vermitteln.

Weitere Annahmen waren, dass der Stopp zu einer Verdopplung des Gaspreises führen würde und dass private Haushalte laut dem "Notfallplan Gas" ohne Rationierung auskommen würden. Dies würde dazu führen, so das IWH, dass zum Jahresende die Gasspeicher aufgebraucht seien. In der Folge könnten in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 die industriellen Verbraucher nicht wie gewohnt beliefert werden. Dies wiederum hätte direkte Auswirkungen auf die Industrie, insbesondere käme es zu einem "Produktionseinbruch im Verarbeitenden Gewerbe". Kein Gas, keine Energie, keine Produktion.

3400 Arbeitsplätze im Landkreis wären bedroht

In Zahlen ausgedrückt "bricht das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2023 um über vier Prozent ein", erst gegen Jahresende würde sich die Wirtschaft langsam erholen. Für 2023 prognostiziert das IWH unter diesen Voraussetzungen eine Verringerung des BIP um zwei Prozent - ohne Lieferstopp hingegen einen Anstieg um drei Prozent.

Die verschiedenen Regionen und Kreise der Republik wären jedoch unterschiedlich betroffen: Der Westen stärker als der Osten, der Süden stärker als der Norden, da hier das Verarbeitende Gewerbe - das in großem Maße vom Gas abhängig ist - besonders stark vertreten ist. Bayern würde in diesem Szenario 38,6 Milliarden Euro Einbußen in der Bruttowertschöpfung hinnehmen müssen, das entspricht einem Minus von 6,9 Prozent.

Der Landkreis Ebersberg würde etwas besser abschneiden, er hätte mit einem Verlust von 5,9 Prozent der Bruttowertschöpfung zu rechnen, das entspricht etwa 240 Millionen Euro. Damit wären jedoch immer noch fast 3400 Arbeitsplätze bedroht oder 5,7 Prozent von allen im Landkreis. Auch hier schneidet Ebersberg etwas besser ab als Bayern, wo knapp 500 000 Erwerbstätige betroffen wären, also 6,4 Prozent. In jedem Fall sind das unschöne Vorstellungen.

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