Corona-Krise in Ebersberg:"Es ist mühsam"

Lesezeit: 3 min

Seit Dienstag werden außer in Impfzentren auch in Haus- und Facharztpraxen Corona-Impfungen verabreicht. Im Landkreis Ebersberg ist die Nachfrage nach einem Vakzin bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten enorm, ebenso wie der Aufwand

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Am Donnerstagvormittag waren es sechs Patientinnen und Patienten, am Nachmittag sollten noch einmal zwölf kommen - insgesamt hat die Gemeinschaftspraxis Nimmrichter und Müller mit ihren Standorten in Anzing, Forstinning und Hohenlinden also 18 Dosen Impfstoff gegen das Corona-Virus für diese Woche erhalten - die erste Woche, in der neben Impfzentren auch niedergelassene Fach- und Hausarztpraxen Corona-Impfungen verabreichen dürfen. Für die bevorstehende Woche wird die Praxis aller Voraussicht nach zwölf Dosen bekommen. Die zur Verfügung stehenden Impfdosen sind nur wenige, der Andrang der Patientinnen und Patienten jedoch ist enorm: 95 Prozent aller Anrufe, die dieser Tage die Praxis erreichen, sind Anfragen für einen Impftermin - und "das Telefon steht nicht mehr still", so Irene Lex, leitende medizinische Fachangestellte am Forstinninger Standort. "Bisher hat alles gut funktioniert", lautet ihr Resümee, kurz bevor die Praxis über die Mittagsstunden am Donnerstag schließt. "Aber der Verwaltungsaufwand könnte geringer sein, das ist wirklich unglaublich viel Aufwand." Oder wie es die Internistin Andrea Görisch mit einer eigenen Praxis in Grafing formuliert: "Es ist mühsam."

688 dokumentierte Impfungen haben bis zum späten Donnerstagnachmittag in niedergelassene Praxen im Kreis Ebersberg stattgefunden, wie Marc Block sagt. Der 52-Jährige ist Koordinierungsarzt der niedergelassenen Ärzte im Kreis, mit seiner Frau betreibt er in Zorneding eine Hausarzt-Praxis. 18 bis 48 Impfdosen pro Woche kann eine Praxis bestellen. Dass tatsächlich diese Menge geliefert wird, heißt das aber noch lange nicht. Voraussetzung für eine Praxis, ein Corona-Vakzin zu verabreichen, ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung, wie Block erklärt - also die Behandlung von gesetzlich Versicherten.

Eine Ärztin hat ihre Praxis extra für die Impfungen geöffnet

Geregelt ist das in der Coronavirus-Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Das bedeutet, so erklärt Block weiter, dass Praxen, in denen ausschließlich Privatversicherte behandelt werden, aktuell noch keine Impftermine anbieten dürfen - Privatversicherte müssen eine Praxis aufsuchen, die auch gesetzlich Versicherte versorgt.

Andrea Görisch hat ihre Praxis am vergangenen Mittwoch extra für die Corona-Schutzimpfungen geöffnet. "Wir wollten das in Ruhe ausprobieren", sagt sie. "In einer kleineren Praxis kann man das während des normalen Betriebs gar nicht machen, das läuft nicht einfach so nebenher." 24 Patientinnen und Patienten haben dort ihre Erst-Impfung erhalten, mehr Dosen hat die Praxis nicht bekommen. Der Lieferumfang für die kommende Woche wird ähnlich ausfallen. "Das ist schon enttäuschend", so die Ärztin. Mit so wenig Dosen gehe alles sehr langsam voran, und das, obwohl auch in Grafing der Andrang groß ist. Andrea Görisch betont, dass sich Menschen, die jünger als 70 sind, im Moment noch gar nicht an ihre Hausarztpraxis zu wenden brauchen - es sei denn, es liegen schwere Vorerkrankungen vor -, weil bei so wenig Impfstoff nicht absehbar sei, wann sie einen Termin bekommen.

Immer noch werden Menschen über 80 geimpft

Irene Lex aus Forstinning berichtet Ähnliches. Die bisherigen Impflinge in dieser Woche: Allesamt älter als 80 Jahre. "Mit dieser Gruppe werden wir auch in der kommenden Woche noch sehr gut beschäftigt sein." Und das, obwohl Landrat Robert Niedergesäß (CSU) in einer Pressemitteilung am Mittwoch bekannt gab, dass mittlerweile alle Impfwilligen über 80 eine erste Impfung erhalten hätten. Wie kann das sein? Irene Lex erklärt das so: Offensichtlich gibt es Betroffene, die keine Möglichkeit hatten, sich online beim Impfportal zu registrieren und auch telefonisch bei der Impfhotline nicht durchkamen oder das Prozedere nicht verstanden haben - also: Alle Impfwilligen über 80, die sich registriert haben, sind erst-geimpft. Es gibt aber durchaus weitere Landkreis-Bürgerinnen und -Bürger in dieser Altersgruppe, die eine Impfung erhalten möchten.

Aber: Sehr viele der Hochaltrigen sind mittlerweile geimpft, nämlich 7397 (Stand Donnerstag) mit einer Erstimpfung. Das ist freilich erfreulich, wie Andrea Görisch sagt, gleichzeitig bedeutet das für sie und ihr Team aber auch viel Arbeit. Denn sie können nicht einsehen, wer bereits geimpft ist. Deshalb lautet die Devise: Patienten und Patientinnen nacheinander von alt nach jung anrufen - und zwar alle. "Wir müssen ja trotzdem sehen, dass wir die Reihenfolge der Prioritäten einhalten", erklärt Görisch. Sie weiß nicht, wie viele Überstunden in diese Arbeit bereits geflossen sind, aber es seien sehr viele, sagt sie.

Die Ärzte haben keinen Zugriff auf die Daten im Impfportal

Ein weiterer Aspekt macht die Impfkampagne in den Praxen aufwendig: die Beratung. Die Impflinge müssen eine Einverständniserklärung unterschreiben, dann noch eine Impfaufklärung und einen sechsseitigen Anamnesebogen, wie Irene Lex erklärt. "Wenn da jemand mit 84 ohne Begleitperson kommt, der schlecht hört und schlecht sieht - der kann das nicht alleine ausfüllen, das fällt dann alles auf uns zurück." Andrea Görisch hat sich für ihre Praxis deshalb entschlossen, die Impfungen im Anschluss an die regulären Sprechzeiten durchzuführen.

Aber schon die Telefonate vor der eigentlichen Impfung sind häufig zeitintensiv, wie Marc Block sagt. In seiner Praxis sei es einige Male vorgekommen, dass hochaltrige Menschen das Impfangebot abgelehnt haben, weil das verabreiche Vakzin von Astra Zeneca gewesen wäre. "Wenn man sich die Risikoabwägung ansieht, dann ist es für diese Altersgruppe auf alle Fälle besser, sich impfen zu lassen - egal mit welchem der drei Impfstoffe." Diesen Umstand den Leuten verständlich zu erklären und sie von einer Impfung zu überzeugen: Das dauert.

© SZ vom 09.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: