Abschied eines Intendanten:Zu viele Tiefschläge

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In der Grafinger Kulturpolitik hapert es an vielem - und zwar nicht nur wegen Corona. Nun muss das Publikum mit erheblichen Einbußen im Programm der Stadthalle rechnen.

Kommentar von Anja Blum

Wie viel Unbill kann ein Mensch in seinem Arbeitsleben ertragen? Wie viele Tiefschläge aushalten? Für Sebastian Schlagenhaufer waren es derer offenbar zu viele. Doch wer will es ihm verdenken? Die Corona-Pandemie stellt alle Veranstalter bis heute vor nie gekannte Herausforderungen, die Stadthalle ist eine sich ständig verzögernde Baustelle und obendrein sieht sich der Kulturmanager einer, vorsichtig ausgedrückt, wenig unterstützenden und wertschätzenden Kommunalpolitik gegenüber. Das, muss man sagen, sind schon eine Menge Probleme, die selbst dem Engagiertesten irgendwann den Spaß an der Freude verleiden können.

20 Stunden pro Woche sieht der Vertrag des künstlerischen Leiters der Stadthalle vor - ein Witz, wenn man bedenkt, was Schlagenhaufer alles auf die Beine gestellt hat in den vergangenen Jahren, und dass manchmal sogar vergessene Regenschirme in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Klar ist: Kultur braucht Personal, Geld, Raum sowie Planungssicherheit. Doch an alledem hat es gehapert in Grafing, und zwar nicht nur wegen Corona. Dass der Grafinger Intendant deswegen doch einigermaßen frustriert war: im Stadtrat ein offenes Geheimnis.

Bei vielen Vertretern dieses Gremiums aber scheint Kultur keinen sonderlich hohen Stellenwert zu haben. Man denke nur an das Drama rund um das alte Schulgebäude, einst Refugium von VHS, Musikschule sowie Jugendkultur - und nun schon lange dem Verfall preisgegeben. Die Rotter Straße 8 rottet nun seit 13 Jahren vor sich hin, und es gibt aktuell nicht einmal irgendwelche Planungen in Rathaus oder Stadtrat, diese Misere zu beenden. Doch als Schlagenhaufer dafür plädierte, der Stadthalle per Neubau ein ähnliches Schicksal zu ersparen, wurde er von so manchen Lokalpolitikern regelrecht angefeindet.

Versöhnlich stimmt nun lediglich, dass der scheidende Intendant auch mit einigem Stolz und großer Freude auf sein Engagement für die Grafinger Kultur zurückblickt. Es seien wirklich viele tolle Künstlerinnen und Künstler da gewesen, sagt er, vor allem die Mixed Shows hätten sich als wahre Talent-Revue erwiesen.

Doch gerade von den kleinen Perlen wie diesen wird sich das Grafinger Publikum nun verabschieden müssen, sie wird es vermutlich künftig nicht mehr geben. Denn eine Mixed Show mit gleich vier Künstlern an einem Abend, ein Pub-Quiz oder ein Poetry-Slam sind im Vorfeld mit erheblich mehr Aufwand verbunden als irgendwelche Gastspiele etablierter Acts. Wird die Stadthalle nun also wieder in die Hände einer x-beliebigen Agentur gelegt, so werden die Grafinger zwar einige bekannte Namen erleben können, aber vermutlich keine Überraschungen mehr und erst recht nichts Interaktives.

Um zu sehen, was möglich wäre, muss man den Blick nur ein wenig nach Norden richten. In Sachen Kultur hat Ebersberg mit seinem Alten Kino und Alten Speicher nämlich ganz klar die Nase vorn. Das Beispiel Grafing wiederum zeigt: Ein Champions-League-Programm mit einem Regionalligabudget zu finanzieren - das kann leider nicht funktionieren.

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