Jubiläumsfeier am 1. Juli:Spielen ohne Grenzen

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Ein beliebtes Spiel bei den Spielbären ist "Dogs" - eine Art "Mensch ärgere dich nicht" mit Spielkarten statt Würfel. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor 30 Jahren gründete Wolfgang Wichmann die Grafinger Spielbären. Seitdem trifft sich die Gruppe einmal wöchentlich - eine bunte Truppe, längst kommen auch begeisterte Zocker aus umliegenden Ortschaften. Was ist daran so faszinierend? Ein Besuch.

Von Johanna Feckl, Grafing

Viel braucht es nicht mehr, damit der gut zwei Meter hohe Holzschrank im hinteren Zimmer des Grafinger Familien- und Bürgerzentrum aus den Nähten platzt. Über alle Fachböden hinweg, von ganz unten bis ganz oben, stapeln sich Spiele. Brettspiele. Kartenspiele. Würfelspiele. Planspiele. Strategiespiele. Es scheint, als ob dieser Schrank alles in sich trägt, was ein Spielerherz begehrt. Kein Wunder, denn in 30 Jahren, da sammelt sich so einiges an.

30 Jahre, so lange ist es her, dass Wolfgang Wichmann die Grafinger Spielbären gegründet hat - eine Gruppe aus Spielbegeisterten, wie der 80-Jährige selber einer ist. Damals waren sie zu fünft. An diesem Abend im Juni, wenige Tage bevor das Jubiläum am Samstag, 1. Juli, gefeiert wird, sind neun Mitspieler gekommen. Aber so genau lässt sich deren Zahl eigentlich gar nicht bestimmen, sie schwankt abhängig von der Uhrzeit; manche kommen schon um sechs Uhr abends, andere stoßen später hinzu, manche machen sich um neun schon wieder auf den Nachhauseweg, andere erst gegen Mitternacht. Jeder, wie er mag.

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Einer von denen, die pünktlich um sechs Uhr da waren, ist Werner Liebald. Der 63-Jährige leitet die Gruppe seit einiger Zeit. Gründer Wolfgang Wichmann schafft es an diesem Abend nicht. Manchmal deshalb, weil er beruflich als Spieleberater unterwegs ist. Das gibt's tatsächlich. "Aber unser Oberspielbär ist immer noch der Wolfgang", betont Liebald und lacht.

Liebald selbst ist seit gut 25 Jahren ein Spielbär, seit er mit seiner Frau nach Grafing gezogen ist. Er habe sich damals über Aktivitäten informiert - als Neuling in der Stadt habe er schließlich Leute kennenlernen und Anschluss finden wollen. Also hat er bei den Spielbären vorbeigeschaut. Und "da bin ich dann hängengeblieben".

Der Spieleschrank der Grafinger Spielbären könnte kaum besser gefüllt sein - Gruppenleiter Werner Liebald kennt fast jedes Spiel. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hängengeblieben in der Spielewelt - so ist es auch Spielbären-Gründer Wichmann gegangen. Damals, im Nachkriegsdeutschland, mussten viele Familien mit sehr wenig Geld auskommen - so auch seine. Hobbys, für die man etwas zahlen musste, seien nicht drin gewesen für ihn und seine drei Geschwister, erzählt er am Telefon, ein paar Tage nach dem verpassten Spieleabend. "Also hat sich mein Vater Spiele für uns ausgedacht." Zum Beispiel "Hindenburg" - ein Würfelspiel, bei dem es galt, vom Stuhl aufzuspringen und den Namen des früheren Reichspräsidenten der Weimarer Republik laut auszurufen, sobald fünf Sechser gewürfelt wurden. Was das mit dem echten Hindenburg zu tun hat? Gar nichts. Der Name lässt sich einfach wunderbar rufen.

Oder die "Stumme Jule" - auch ein Würfelspiel, bei dem nur gesprochen werden darf, wenn man den eigenen Finger in einen aufgezeichneten Kreis legt. In der zweiten Runde ist Lachen verboten - und irgendwann ist selbst Grinsen nicht mehr erlaubt. Wer sich nicht dran hält, dem werden alle zuvor per Würfel erspielten Punkte wieder gestrichen. "Das war eine Tortur für uns", erzählt Wichmann - aber eine Mordsgaudi war es bestimmt auch.

Vor ein paar Jahren hat Wolfgang Wichmann in seinem Hobbykeller gut 2700 Spiele gelagert. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gespielt wird in der Familie Wichmann bis heute. Neulich erst, als eine seiner Schwestern zum 70. Geburtstag zu sich eingeladen hat, da sei es wieder rund gegangen, erzählt der Spielbär. Sein Neffe sei sogar mit einem zusätzlichen leeren Koffer aus Kanada angereist, um ausreichend Platz für den Transport der zwölf Spiele zu haben, die er zuvor bei ihm bestellt hatte. "Das erwarten mittlerweile eben auch alle von mir, dass ich Spiele mitbringe", sagt der 80-Jährige und es ist ihm anzuhören, dass er sich darüber freut.

Trotz seiner Spieleleidenschaft hat Wichmann die meiste Zeit seines Berufslebens mit Spielen nichts am Hut gehabt. "Ich wusste früher gar nicht, dass man damit Geld verdienen kann", sagt er. Erst mit Anfang 50, als seine Arbeit als Systemberater bei Siemens nicht mehr so viele Dienstreisen erforderte und er schließlich in den Vorruhestand ging, begann er, das Spielen zu professionalisieren. So gründete er die Spielbären, die bis heute regelmäßig Turniere veranstalten und an Spielemeisterschaften teilnehmen - zum Beispiel an der Ausscheidung zu den Deutschen Meisterschaften im Kartenstichspiel "Wizard" am Sonntag, 9. Juli. Und seitdem ist Wolfgang Wichmann auch als Spieleberater unterwegs.

Seit Jahren schon ist Wolfgang Wichmann erfolgreich als Spieleberater unterwegs

Spiele erfinden, das sei nicht so seins, sagt er. Aber Verlage bei der Entwicklung und Einführung neuer Spiele zu unterstützen, Leute davon zu begeistern, das sei es sehr wohl. So sind er und einige andere der Spielbären immer mal wieder zu Besuch bei einer Familienhotel-Kette im süddeutschen Raum. Dort bringen sie Eltern und deren Kindern das Spielen näher, erklären Regeln und spielen natürlich gemeinsam.

"Ich bin ein Spieler", sagt Wichmann, "und Spieler spielen alles." Ein Lieblingsspiel? Hat er nicht. Ob "Mensch ärgere dich nicht" oder "Skat" oder etwas ganz anderes, irgendwas passt immer. Hauptsache, es wird gespielt. Für den 80-Jährigen gibt es dabei zwei wesentliche Aspekte: Zum einen das Miteinander, das Soziale - wenn ein Spieler den anderen austrickst und man gemeinsam lacht. Zum anderen das Verlieren. Wer schon als Kind mit den Eltern spielt, der lernt auch, dass man manchmal eine Niederlage einstecken muss. Und dass das ok ist.

Am hinteren Tisch wird das Kartenspiel "Biber Gang" gespielt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Dienstagabend beim Spieletreff ist es mittlerweile halb neun Uhr geworden. Die Spielbären haben sich auf zwei Tische aufgeteilt, an jedem wird ein anderes Spiel gespielt. Es werden Regeln erklärt, zur Stärkung zwischen den Spielzügen ein Bissen vom mitgebrachten belegten Brot genommen. Es sind jüngere Spieler da und auch Ältere, alteingesessene Spielbären und auch solche, die zum ersten Mal gekommen sind, Frauen und Männer, Grafinger und Nicht-Grafinger. Ja, Spielen kennt wohl wirklich keine Grenzen.

Die Spielbären laden ein zur Jubiläumsfeier am Samstag, 1. Juli, in den Grafinger Kastenwirt, Marktplatz 21. Zwischen 11 Uhr und 22 Uhr kann jeder mitspielen, auch Familien, der Eintritt ist frei. Ab 14 Uhr findet ein "Ur-Dog"-Turnier statt, Anmeldung für das Turnier unter kontakt@fbz-grafing.de , die Teilnahme kostet 2 Euro. Die Spielbären treffen sich jeden Dienstag ab 18 Uhr im Familien- und Bürgerzentrum Grafing, Münchener Straße 12.

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