Mitten in Grafing:Wandern in vier Wänden

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Vielleicht ist es eine gute Idee, Siebtklässler selbst das Ziel ihres Ausflugs bestimmen zu lassen. Vielleicht aber auch nicht.

Glosse von Anja Blum, Grafing

Wandertag - welch verheißungsvolles Wort! Kein Unterricht, dafür Spiel, Spaß und Abenteuer, sei es in der Natur oder im Museum. Und wer im Münchner Speckgürtel zu Hause ist, darf sich dabei ja über potenzielle Ausflugsziele noch und nöcher freuen.

Reichlich schwierig allerdings wird das Thema, wenn die Planung des Wandertags als Exempel antiautoritärer Erziehung dienen soll. Sprich: Wenn ein Grafinger Gymnasiallehrer die Wahl des Ziels ganz nonchalant seinen Schülerinnen und Schülern überlässt. In der siebten Klasse schon.

Selbstbestimmung, wie toll! Alle Jugendlichen sitzen also grübelnd, und wer eine - vermeintlich - zündende Idee hat, tut sie gleich der Klasse und dem Lehrer kund. So viele Möglichkeiten!

Doch es macht sich recht bald Ernüchterung breit. Auf einen bestimmten Kinofilm können sich die Siebtklässler irgendwie nicht einigen. Ein Besuch des Grafinger Freibads ist nur mit entsprechend geschultem Rettungsschwimmerpersonal möglich. Sich mit Erdkunde oder Geschichte auszukennen, reicht leider nicht. Klettergarten in Vaterstetten, Lasertag in Pliening: Alles schön und gut, aber viel zu teuer, erklärt der Lehrer kopfschüttelnd. Als ein Schüler reinruft: "Lasst uns nach Hause wandern", ist das Gelächter groß, vor allem, weil der Pädagoge sich im Tumult offenbar verhört und irgendwas von München faselt. Neuhausen? Haidhausen? Naja, egal.

Irgendwann ist die Klasse - trotz nicht unerheblicher Streberdichte - mit ihrem Latein völlig am Ende. Da macht einer der Jugendlichen endlich den rettenden Vorschlag: ein Frühstück im Klassenzimmer! Kostet fast nichts. Ist völlig ungefährlich. Und in der Vorbereitung allenfalls marginal. Nur mit Spiel, Spaß und Abenteuer hat so ein Wandertag leider nicht viel zu tun. Doch was soll's. Hauptsache, selbst entschieden!

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