Energiewende im Landkreis:Strom selbst erzeugen? Das kann jeder!

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Neben der Standardausführung gibt es die Balkon-Solaranlagen bei Fritz Lietsch auch in einer dehnbaren Variante - für die Montage steht bei Bedarf Stefan Huber (rechts) parat. (Foto: Christian Endt)

Den Strom für das eigene Zuhause selber herstellen - gut für Umwelt und Geldbeutel gleichermaßen. Aber geht das einfach so? Fritz Lietsch sagt Ja, und zwar mit Balkon-Solaranlagen. Ein Besuch bei dem 65-Jährigen in Wiesham.

Von Ulli Kuhn, Grafing

Wer am Haus von Fritz Lietsch in Wiesham vorbeikommt, der sieht: Dem 65-Jährigen ist es ernst mit der eigenen Stromversorgung. Im Garten steht ein kleines Windrad. Auf Dach und Balkon sind Solaranlagen angebracht. Auf der Terrasse steht ein umgebauter Fahrrad-Ergometer - wenn man in die Pedale tritt, füllen sich zwei daran angeschlossene Autobatterien mit elektrischer Energie. Aber ist es wirklich so einfach, den Strom für den Verbrauch im eigenen Zuhause einfach selbst herzustellen? Lietsch sagt ganz klar: Ja.

Der 65-Jährige ist nicht nur Umweltaktivist, sondern auch Chefredakteur der Zeitschrift "Forum Nachhaltig Wirtschaften" - ein echter Energiesparprofi also, der die nötigen Tricks und Kniffe bestens kennt. Doch das braucht es Lietsch zufolge alles gar nicht, um in die Selbstversorgung einzusteigen: Wirklich jeder könne zum Stromerzeuger werden - und zwar kinderleicht, sagt er.

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Ein idealer Einstieg dazu sind verhältnismäßig kleine Solaranlagen, die am Balkon befestigt werden - so wie auch Lietsch eine hat. Mittlerweile verkauft er solche Anlagen auch. "Eine davon kostet rund 650 Euro und ist in wenigen Minuten installiert, das kann jeder - da braucht es keinen Elektroniker", versichert er. Hinzu kommt, dass sich ein solches "Balkonkraftwerk" bei den momentanen Energiepreisen bereits nach drei bis vier Jahren bezahlt gemacht habe, so der 65-Jährige weiter. Und das alles funktioniert sogar ohne Balkon: "Im Prinzip kann man das Ding überall hinlegen. Eben überall, wo die Sonne hinkommt und man eine Steckdose in der Nähe hat", erklärt Lietsch.

Die Standardausführung der Balkon-Solaranlage ist 1,75 Meter lang und 1,05 Meter breit, auf die Waage bringt sie 20 Kilogramm - Voraussetzungen, mit der sie eigentlich überall angebracht werden kann. Doch genau hier liegt der Haken: die Anbringung. Jeder Balkon hat so seine Eigenheiten - eine Standartbefestigung könne man deshalb nicht mitliefern, erklärt Lietsch, das müsse individuell abgesprochen werden. Wer sich dann immer noch unsicher fühlt, der kann Hilfe bei der Anbringung bekommen, zum Beispiel von Lietschs Nachbarn Stefan Huber.

Fritz Lietsch ist ein Experte in Sachen Energieselbstversorgung. (Foto: Christian Endt)

Es gibt aber auch spezielle Ausführungen, bei denen die Montage auf jeden Fall weniger kompliziert erscheint. Zum Beispiel eine hauchdünne Solaranlage in der Form eines Werbebanners. "Sie ist biegsam, federleicht und einfach anzubringen - aber leider auch etwas teurer", sagt Lietsch.

Im Lieferumfang enthalten sind - zumindest bei Lietsch - die Solarmodule, die notwendigen Kabel und ein sogenannter "Wechselrichter". Ein solcher wird benötigt, um den durch die Solaranlage produzierten Gleichstrom in für die Steckdose brauchbaren Wechselstrom umzuwandeln. Außerdem sorgt der Wechselrichter dafür, dass die vom Gesetzgeber erlaubten 600 Watt, die erzeugt werden dürfen, nicht überschritten würden, wie Lietsch erklärt.

Auch für den Überschuss aus der Stromerzeugung findet sich immer ein Verwendungszweck

Und was ist mit dem erzeugten Strom, der gar nicht gebraucht wird? Auch da gibt es eigentlich immer Lösungen - bei Lietsch ist es beispielsweise so: Im Eingangsbereich seines Hauses hatte er Probleme mit Schimmel an der Wand: "Das Problem war, dass wir hier nie heizen, und sich in dem kalten Raum die Feuchtigkeit in den Wänden festgesetzt hat", erklärt der 65-Jährige. Hierfür hat Lietsch eine kostengünstige sowie umweltfreundliche Lösung gefunden. An den Bodenleisten der zwei betroffenen Wände entlang hat er kleine Elektroheizungen angebracht. Diese werden durch die überschüssige Energie seiner Solaranlagen betrieben. So würde er die Heizung bei schönem Wetter einfach anschalten und die Feuchtigkeit würde quasi von alleine und vor allem kostenlos verschwinden.

Es findet sich immer irgendetwas - und genau darin liegt laut Lietsch auch der große Suchtfaktor der Beschäftigung mit der eigenen Energieversorgung: "Wenn man einmal damit anfängt, beginnt man sich zu fragen: Wofür könnte ich meine Energie noch nutzen?" Denn überschüssige Energie in den Stromkreislauf zurückzuführen, sei lange nicht so effektiv wie die Energie einfach selbst zu nutzen. "Für in das Stromnetz eingespeiste Energie bekommt man circa acht Cent pro Kilowatt. Wenn man aber dann Strom aus dem Netz bezieht, zahlt man bei uns im Landkreis circa 35 bis 40 Cent", erklärt Lietsch.

Walter Gigler (links) ist einer der neuesten Besitzer einer Balkon-Solaranlage, die er bei Fritz Lietsch gekauft hat. (Foto: Christian Endt)

Je mehr energieintensive Aktivitäten man in die Sonnenzeit legen würde, desto rentabler würden die Solaranlagen, so Lietsch. "Früher war bei uns an regnerischen Tagen immer Wäschewaschen angesagt. Wegen des schlechten Wetters musste die Wäsche danach natürlich in den unglaublich energiefressenden Trockner - was für ein Quatsch", erinnert er sich. Heute ist bei den Lietschs gutes Wetter immer das Zeichen zum Wäschewaschen. "Danach kann man die Wäsche auch super an der Luft trocknen." Das spare nicht nur Energie - sondern eben auch bares Geld.

Das wichtigste für Lietsch ist, dass die Menschen anfangen, sich mit ihrer Energieversorgung auseinanderzusetzen. Und das gelinge eben kinderleicht mit so einer Balkon-Solaranlage. "Man schaut dann von alleine immer wieder mal auf seinen Stromzähler", erklärt er, "und spart bares Geld."

"In Poing, Zorneding und auch in München gibt es mittlerweile einen Zuschuss der Kommunen, um sich eine Balkon-Solaranlage zu finanzieren", sagt Lietsch. Er findet das super, so könnten sich auch ärmere Menschen leicht eine Anlage finanzieren. Und der Umweltaktivist kennt noch mehr Entwicklungen, die jeden aufhorchen lassen sollten, der sich für ebenjene Solaranlagen interessiert. "Nach einem Beschluss der Bundesregierung entfällt seit Januar dieses Jahres die Mehrwertsteuer von 19 Prozent für Solaranlagen komplett", so Lietsch. "In einem Positionspapier wirbt der Verband für Elektrotechnik, Elektronik und Informatik (VDE) nun auch für eine Zulassung von Balkonkraftwerken bis zu 800 Watt." Auch das Bundesumweltamt unterstützt diese Anhebung.

Auf die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für den Einstieg antwortet Lietsch deshalb mit einem Sprichwort: "Der beste Zeitpunkt einen Baum zu pflanzen, war vor zehn Jahren, dann könntest du heute schon ernten - der zweitbeste Tag ist heute."

Am Sonntag, 16. April, wird Fritz Lietsch zum Marktsonntag auf dem Grafinger Marktplatz mit einem Stand vertreten sein. Es wird eine Vorführung des "Balkonkraftwerks" geben und auch einen "Markt-Frühling-Sonderpreis" auf seine Anlagen.

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