"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", das wusste schon der "Kleine Prinz" von Saint-Exupéry. Besonders groß ist die Herausforderung, etwas in Szene zu setzen, das man nicht sehen kann, für Fotografinnen und Fotografen. "Super, Wahnsinn!", aber auch: "Wie soll denn das gehen?" hörte man daher im Grafinger Club "Blende 85567", als 2020 das Motto "Unsichtbar" erstmalig vorgeschlagen wurde. "Definitiv ist das unser bisher schwierigstes Thema", erklärt Ulrike Hohnheiser, der wie in den Jahren zuvor die Hängung der neuen Ausstellung im Museum der Stadt Grafing zu verdanken ist.
Entgegen dem Titel gibt es da jede Menge zu sehen, die von 19 Mitgliedern gefundenen Umsetzungen sind ausgesprochen gelungen und vielfältig, wie sich bei einem Rundgang zeigt. Die Räume sind nach den Bereichen Natur, Schwarz/Weiß, Menschen und "experimentell" sortiert. Dabei reicht die Bandbreite der 64 Exponate vom Offensichtlichen - immer wieder ist es der Nebel, der das, was darunterliegt, vor den Augen des Betrachters verbirgt - bis hin zur sozialkritischen Frage, ob man das, was fehlt oder verhüllt ist, vielleicht gar nicht sehen soll. Oder will.
Eindrucksvolles Beispiel dafür ist sicher der bildgewaltige Hinweis von Sabine Jordan, dass "Unsichtbar mittendrin" Menschen in München unter freiem Himmel nächtigen. Oder Ulrike Hohnheisers Strandfoto "Verschleiert": Die Frau auf dem Bild sah sie im Oman. Auch bei anderen Gelegenheiten nehmen sie und Ehemann Franz Hohnheiser die Besucher auf eine Reise mit - ins Museum von Kanazawa mit seinem begehbaren Pool oder nach Ligurien, wo ein Schlüsselloch den Blick ins Innere einer Kirche ermöglicht, die "nur einmal im Monat und dann dienstags um fünf" geöffnet hat.
Burkhard Pietzner lädt ebenfalls dazu ein, sich wegzuträumen - nach Riga, wo er einen "Kopflosen Musiker" sah, nach Dänemark oder mit "Spitze des Eisbergs" zur Jökulsárlón-Gletscherlagune in Island. Auch das Wolkenspiel fasziniert ihn - kein Wunder, ist der Mann doch Meteorologe. Doch nicht nur den gebürtigen Ostfriesländer zog es nach Island: Anke Heinrichs "Fenster im Gras" entstand dort, es zeigt ein Haus in einem Freilichtmuseum. Carsten Heinelt wiederum hat mit "Wo bin ich" und "Angepasst" faszinierende Impressionen aus dem Nairobi-Nationalpark und dem Süd-Malé-Atoll mitgebracht. Nicht nur Kinder werden diese Suchbilder lieben.
So weit musste Alex Pelka nicht fahren: Sein "Unsichtbarer Baum" mit einem Stamm aus Eisen und Blättern aus Porzellan steht im Skulpturen Park bei Valley. In München wiederum entstanden Rainer Hergenröthers "Rast auf dem Olympiaberg", das Objekt, das Alfons Brückl für "Verschwinden im Wasser" am Wittelsbacher Brunnen festgehalten hat, oder Heike Buchborns rätselhaftes Bewegungsprofil "Wo ist er hin?" aus dem Hofgarten.
Johannes Schmieg hingegen bevorzugt für seine Makrofotografie den eigenen Garten. "Wenn das Licht passt, hole ich sofort die Kamera." Oft sieht er erst in der Nachbearbeitung, was er da eingefangen hat. Etwa den Legestachel einer gerade mal zwei Millimeter großen "Kleinen Wespe" . Oder den zum Versteck der "Kreuzspinne" führenden Signalfaden.
Viele der selbst verfassten Texte regen zum Nachdenken an. Es mangelt aber auch nicht an Darstellungen, über die man sinnieren kann. Hier Menschen ("Getrennt hinter Glas" von Stefan Piontek), dort tierische Gefährten (Annette Zitzlsperger hat als Hommage an ihren verstorbenen Hund in "Auf dem Weg" nur seinen Schatten übriggelassen) oder Situationen, die keine Worte brauchen - wie das Friedhofsbild "Erinnerung" von Gründungsmitglied Annelies Grasenack. Diese lebt zwar mittlerweile in Leipzig, beteiligt sich aber via Zoom immer noch am Clubleben der Grafinger.
Gelacht werden darf aber auch - unter dem Titel "Panta Rhei" lässt Jürgen Gramitzky die unsichtbare Zeit fließen, während Reiner Hulla mit seiner Aufnahme per Kurzzeitbelichtung die Frage beantwortet "Kann ein Pferd fliegen?" Übrigens ist bei "Jemand zu Hause?" von Annette Zitzlsperger (kleiner Spoiler) keine WC-Türe abgebildet.
Verblüffend wie das, was das menschliche Auge sieht, sich definitiv von dem unterscheidet, was die Technik vermag. Die von Franz Hohnheiser für "Lochraster" hinter einer Caféhauswand aufgenommenen Menschen sind zunächst nicht einmal als Schemen erkennbar - bis man sie durchs Handy anvisiert und plötzlich Klarheit erlangt. Wie man mit Hilfe von Zehntelsekundenbelichtung auch das Bewegte scharf werden lassen kann, zeigen Reiner Hulla ("Transport") und Cornelia Schmieg ("Unter den Rädern") mit den vom Bahndamm aus fotografierten Bildern eines leeren Autoreisezugs. In "Nicht allein" lässt Annelies Grasenack im Gegenzug mit Hilfe der Langzeitbelichtung die Beine von Passanten am Odeonsplatz verschwinden.
Und Theresia Lohmeyer betreibt nicht nur "Fotomalerei", sondern lässt mit ihrem "Phantasiebild" für manche Betrachter die Dinosaurier wieder lebendig werden. Oder sind es Fische? Am besten fragt man direkt nach - vielleicht an einem der Wochenenden, wenn die Künstlerinnen und Künstler vor Ort sind.
Unabhängig davon lohnt ein Besuch auf www.blende85567.de . Dort kann man ab 12. März nicht nur alle "Unsichtbar"-Werke sehen, sondern kontinuierlich an dem teilhaben, was die Mitglieder bewegt. Und vielleicht selbst zum Club dazustoßen - wie es Ciro Maddaluno getan hat. Im Februar hat der Aßlinger erstmals geschnuppert, blieb gleich dabei und vermittelt jetzt mit dem berührenden Bild einer einsamen Frau, wie es ist, sich "Invisible" zu fühlen, in einer Welt, die immer schneller läuft.
"Unsichtbar": Ausstellung des Fotoclubs "Blende 85567" . Vernissage am Donnerstag, 2. März, um 19.30 Uhr. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 2. April während der regulären Öffnungszeiten, diese sind jeweils sonntags von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 18 bis 20 Uhr. Außerdem gibt es Sonderöffnungszeiten: Samstag, 4. März, sowie Samstag, 11. März, jeweils 14 bis 18 Uhr; Sonntag, 5. März, und Sonntag, 12. März, jeweils von 10 bis 16 Uhr. Zu den Sonderöffnungszeiten ist den Besuchern auch Verköstigung geboten. Der Eintritt ist frei.