Mitten in Ebersberg:Dem Schnee von der Schippe

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Für Erwachsene ist es eine lästige Pflicht, für Kinder der Gute-Laune-Garant nach dem Frühstück: Schneeschippen.

Glosse von Franziska Langhammer, Ebersberg

Es ist Jammern auf hohem Niveau, aber um diese Jahreszeit hört man es oft: "Ich muss noch Schnee schippen." Schnee gedehnt mit einem langen "eeeh", damit man auch wirklich versteht: Da hab ich jetzt eigentlich so gar keine Lust darauf. Also null. Rein in die Winterklamotten, raus in die Kälte, meist in aller Herrgottsfrüh noch vor der Arbeit, macht es dann krrsch krrrsch krrrsch. Still ist die Verständigung zwischen den Schneeschippern um diese Tageszeit, in welcher der Mond noch nicht so richtig verschwunden ist, die Uhrzeit aber sagt: Hopp hopp, jetzt mach aber mal hinne!

Man grüßt sich mit einem matten Kopfnicken, schippt, schippt, schippt, die Wangen röten sich, und dann geht es endlich, schweißgebadet und ausgepowert für die nächsten Stunden, ans wirkliche Tagwerk. Vielen ist das Schneeschippen des Morgens eine lästige Pflicht, zusätzlich zu allen anderen lästigen Pflichten eines Erwachsenenlebens.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man Kinder zuhause hat. Wie so vieles kehrt das die Welt um, und plötzlich ist es schon beim Frühstück der Aufreger schlechthin: "Kann ich noch Schneeschippen?" Vergessen die Müdigkeit, die eben noch schwer über dem Tisch hing, vergessen die Kälte, die man mit schweren Vorhängen draußen zu halten versucht. Und plötzlich wird auch der Papa munter. "Magst du mir helfen?" Auch für ihn ein Hoffnungsschimmer. Vielleicht könnte der Kleine ja noch die Einfahrt schippen... und wenn noch genügend Zeit ist, also im Hof, da müsste ja eigentlich auch... Mit Verve und glänzenden Augen schmeißt sich das Kind in Montur und schippt dem Papa den Schnee vor den Augen weg.

Ach, wie schön es wäre, wenn man die Kinder noch für so manche andere elterliche Aufgaben begeistern könnte. Vielleicht kann die Tochter ja im nächsten Jahr die Steuer übernehmen? Oder den KFZ-Service, ist der nicht auch längst fällig? Vielleicht muss man auch erstmal kleine Brötchen backen: Wie kriege ich mein Kind dazu, die Fenster zu putzen? Na, das verwerfen wir mal lieber, nachdem es nach dem letzten Versuch so aussah, als hätte jemand die Scheiben von oben bis unten mit Butter beschmissen. Vielleicht mal die Wäsche aufhängen...?

Von draußen tönt immer noch ein krrsch krrsch krrsch, diesmal klingt es irgendwie fröhlicher. Auch der Papa hat jetzt glänzende Augen, alle sind glücklich. Vielleicht sollte man auch nicht zu viel wollen. Vielleicht ist es auch einfach schön, Kinder die Welt ein bisschen anders erleben zu lassen als Erwachsene es für gewöhnlich tun.

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