Konzertreihe in Glonn:Der letzte Tanz?

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In der Glonner Schrottgalerie ist das Publikum ganz nah dran an der Musik, hier an der von Manuel Kuthan, Ray Cipolla und Heinz Dauhrer alias "Glitzerbeisl". (Foto: Christian Endt)

Weil die Bagger erstmal doch nicht anrollen, hat das Team der Glonner Schrottgalerie spontan ein Sommerprogramm aus dem Hut gezaubert. Es ist besetzt mit lauter Wunschkandidaten.

Von Anja Blum, Glonn

In der Glonner Schrottgalerie haben im vergangenen halben Jahr vermutlich nur ein paar Spinnen gehaust. Zu viele Widrigkeiten ließen die Bühne verwaisen. Doch nun ist sie von Staub und allen Spinnweben befreit, nun dürfen die Saiten, Stimmbänder und Beine endlich wieder schwingen: Die kleine Musikbühne wagt einen sommerlichen Neustart. Von kommendem Wochenende an bis zum traditionellen Open-Air-Fest am 6. August gibt es ein abwechslungsreiches Programm an Konzerten quer durch die Stilrichtungen - von Blues, Jazz, Flamenco und Funk über Singer-Songwriter bis hin zu virtuoser Weltmusik. Auf der Homepage der Schrottgalerie sind bereits alle Termine zu finden, auch Reservierungen sind ab sofort möglich.

Wegen eines geplanten Bauprojekts ist die Zukunft der Bühne weiterhin ungewiss

Anfang Dezember gab es das bislang letzte Konzert auf der Glonner Bühne, danach war erst einmal Schluss - wegen einer "höchst unglücklichen Kombination", wie Hanno Größl, Chef der Schrottgaleristen, sagt. Zum einen waren da die hohen Infektionszahlen, angesichts derer das Veranstalterteam kein Risiko eingehen wollten. Doch nicht nur Corona machte ihnen das Leben schwer, sondern auch der geplante Baubeginn auf dem Areal der Galerie. Diese nämlich befindet sich in einer riesigen Scheune mitten im Glonner Zentrum. Sie diente einst als Getreide- und Kohlelager samt Taubenstall, wird heute aber - abgesehen von der kleinen Musikbühne - kaum mehr genutzt. Wohl auch deswegen entstand vor ein paar Jahren der Plan, die Scheune abzureißen und durch Wohnbebauung zu ersetzen. Auch wenn Eigentümer Josef Braun ihr mehr als wohlgesonnen ist, war das Schicksal der Schrottgalerie fortan ungewiss.

Der legendäre Eingang zur Glonner Schrottgalerie, die einst als Raum im Raum in eine riesige Scheune hineingebaut wurde. (Foto: Christian Endt)

Und das ist es auch heute noch. Laut Größl gibt es momentan drei Optionen: Die Bühne bleibt wie gehabt bestehen, wird am selben Standort neu gebaut oder zieht an einen ganz anderen Ort. Welche Lösung den Schrottgaleristen am liebsten wäre, ist leicht zu erraten. "Die lockere Atmosphäre hier, das alte Gemäuer, die Enge - davon lebt die Galerie doch", sagt Größl, in seinem zweiten Wohnzimmer sitzend. Außerdem würde ein neues Refugium mit Sicherheit deutlich mehr Miete kosten - die sich alleine mit dem Getränkeverkauf, der bislang einzigen Einnahmequelle der ehrenamtlichen Veranstalter, nicht mehr finanzieren ließe. "Käme der Neubau, müssten wir sicher das Dreieinhalbfache bezahlen."

Deswegen denkt das Team bereits darüber nach, sich nun doch eine offizielle Vereinsstruktur zu geben, mit der sich Mitgliedsbeiträge generieren ließen. Und die Resonanz auf eine entsprechende Umfrage unter den Stammgästen sei auch sehr gut gewesen, erzählt der Chef. Trotzdem: "Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, machen wir das nicht." Erstens, weil die Freiwilligkeit aller Beteiligten sozusagen zur DNA der Schrottgalerie gehöre, und zweitens, weil so ein Konstrukt aus Träger- und Förderverein immer zusätzlich Kosten und Aufwand verursachen würde.

Weil der Umbau nochmal verschoben wurde, hat Hanno Größl spontan ein Sommerprogramm auf die Beine gestellt. (Foto: Christian Endt)

Weil also die Bagger und Infektionen drohten, blieb es auf der Glonner Bühne zuletzt still. "Unter solchen unplanbaren Verhältnissen kann man einfach kein Programm gestalten", sagt Größl. Doch nun hätten sich die Bedingungen wieder deutlich verbessert: Die Corona-Pandemie ist weit weniger bedrohlich, außerdem hat der Eigentümer das Bauprojekt nochmal verschoben, diesmal auf unbestimmte Zeit, wegen der angespannten Situation auf dem Markt. "Man bekommt keine Handwerker, kein Material, und wenn doch, ist alles unfassbar teuer", sagt Größl, der selbst Steinmetz ist. Deswegen liege die Baustelle nun erstmal auf Eis.

Das Team ist froh, dass nun endlich wieder "Musik passiert - mit mehr Publikum"

Diese Gelegenheit haben die Schrottgaleristen also nun beim Schopfe gepackt - und spontan ein Sommerprogramm zusammengestellt. "Es ist jetzt einfach wichtig, nach vorne zu schauen", sagt Größl, "das Virus und den Umbau auch mal auszublenden". Man sei nun froh, öffnen zu können, "dass hier endlich Musik passiert - mit wieder mehr Publikum".

Corona-Auflagen gibt es im Moment keine. Die Schrottgalerie wird aber weiterhin etwas lockerer bestuhlt sein als üblich, durch die offenen Fenster soll ausreichend frische Luft strömen und es gibt nach wie vor Hygienestationen. Was das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes angeht, dürfen die Gäste selbst entscheiden, sie sie sich am wohlsten fühlen.

Obwohl es keine Corona-Auflagen mehr gibt, ist die Schrottgalerie nun etwas lockerer bestuhlt, mit 70 statt 90 Plätzen. (Foto: Christian Endt)

Was Größl und sein Team besonders freut und positiv stimmt: Sämtliche Termine, 13 an der Zahl, waren innerhalb einer Woche vergeben - trotz aller Unwägbarkeiten. "Schließlich weiß keiner, wie viele Menschen momentan zu Konzerten kommen." Deswegen ist freilich auch der Ertrag aus dem Hut mit einem großes Fragezeichen versehen. Doch selbst Musiker, die normalerweise nur mit fester Gage spielten, hätten sofort zugesagt, erzählt Größl nicht ohne Stolz. Ja, die Schrottgalerie hat in der Szene mittlerweile einen hervorragenden Ruf, sowohl beim Publikum, als auch bei den Bands. Und in den meisten Künstlerkalendern ist pandemiebedingt offenbar schon noch ein wenig Luft.

Die spontanen Sommerkonzerte sind besetzt mit lauter Wunschkandidaten

Und so ist es den Schrottgaleristen gelungen, ihre spontanen Sommerkonzerte mit lauter Wunschkandidaten zu besetzen - eine bunte Mischung aus treuen Formationen, die sozusagen schon zum geliebten Inventar der Glonner Bühne gehören, und solchen, die antreten, ihr Publikum neu für sich zu erobern. Gefragt nach seinen persönlichen Highlights im Programm grinst Größl verlegen: "Da kann ich eigentlich nur durchschwärmen."

Schon einen besseren Start könne er sich überhaupt nicht vorstellen: Am Freitag, 24. Juni, entern die Freunde vom wunderbar schrägen Glitzerbeisl die Glonner Bühne, und gleich für den darauffolgenden Samstag, 25. Juni, konnten die Schrottgaleristen im Klezmer Connection Trio drei wahre Virtuosen für sich gewinnen - Prädikat: "sehr lohnenswert".

Das Raumschiff Glitzerbeisl ist ein humoristisches Gesamtkunstwerk, das seit 2017 den Kosmos Musik erkundet. "Austronauten" nennen sich die drei Herzblutmusiker, das Trio ist eine österreichisch-bayerische Liaison - in sehr ungewöhnlicher Besetzung: Die Zither trifft hier auf Schlagzeug und Trompete, und was herauskommt, ist eine wunderbare, höchst eigenständige Musik, angesiedelt irgendwo zwischen Austropop, Jazz, Indie, Reggea, Chanson und Funk, gewürzt mit sarkastischem Schmäh und einer gehörigen Portion Wiener Garstigkeit.

Absolutes Heimspiel: Das Trio "Glitzerbeisl" in der Glonner Schrottgalerie. (Foto: Christian Endt)

Kopf des Ganzen ist Manuel Kuthan alias Captain Goldi (Text, Konzept, Zither, Vocals) hinzu kommen Reiner Ewert alias Ray Cipolla (Drums, Vocals, musikalische Bearbeitung) und Heinz Dauhrer alias Colonel Enzo (Trompete, Vocals, musikalische Bearbeitung). Fand sich zu Beginn noch der ein oder andere Coversong im Repertoire, ist das Raumschiff mittlerweile ganz im Reich der Eigenkompositionen angekommen. Das erste Album heißt "Wahlium One" - doch eine einschläfernde Wirkung sollte man sich davon nicht versprechen. Das Konzert in der Schrottgalerie ist für Glitzerbeisl übrigens ein absolutes Heimspiel: Manuel Kuthan lebt in Reinstorf, Heinz Dauhrer in Berganger und auch Ray Cipolla war lange in Glonn zuhause, bevor er nach München zog.

Das "Klezmer Connection Trio" kommt extra aus Salzburg nach Glonn gereist, um in der Schrottgalerie sein neues Programm zu präsentieren. (Foto: Veranstalter)

Das Klezmer Connection Trio aus Salzburg wiederum transportiert sensibel und zugleich kraftvoll die reichen Traditionen jiddischer Musik ins Heute. In Glonn präsentieren Georg Winkler (Klarinette), Hubert Kellerer (Akkordeon) und Peter Aradi (Kontrabass) ihr neues Programm "Meschugge 2.0". Im innigen Dialog zwischen ihren drei Instrumenten entsteht ein vitales Mosaik, ein einmaliges Klanggemälde aus Lebensfreude, Melancholie und Sinnlichkeit. "Meschugge 2.0" steht für "emotionsgeladene Musik voll lyrischer Eleganz und feuriger Virtuosität, mit eigenwilligen Interpretationen voller Kreativität, Spontanität, mit viel Spielwitz und Gestaltungsfreude".

Sommerkonzerte in der Glonner Schrottgalerie. Das komplette Programm und Reservierung unter www.schrottgalerie.de . Beginn ist immer um 20 Uhr.

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