Ausstellung in Glonn:Aus dem Rahmen fallend

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"Farbenspiel" nennt Harald Biebel dieses Bild. Tatsächlich handelt es sich um bunte Segelboote - aufgenommen mit Kamerabewegung und als überbelichtetes Highkey-Foto entwickelt. (Foto: Harald Biebel/oh)

Die Glonner "Fotofreunde" eröffnen in der Klosterschule wieder ihre "Spielräume" voller grenzenloser Kreativität. Auch in puncto Bildpräsentation haben sich die Mitglieder so einiges einfallen lassen.

Von Anja Blum, Glonn

Bei ihrer Jahresausstellung sind die Fotofreunde Glonn ziemlich streng. Dazu dürfen keine Einzelbilder eingereicht werden, sondern nur Serien. Also Gesamtpakete aus mehreren zusammengehörigen Aufnahmen. Außerdem sind bei dieser Schau die Möglichkeiten der Präsentation sehr begrenzt: Alle Mitglieder müssen die dem Club eigenen, schlichten Rahmen verwenden. Irgendwann aber begehrte vor allem Inge Kolb, quasi die Alterspräsidentin der Fotofreunde, gegen all diese Regeln auf. Diese ließen zu wenig "Spielräume" - könnte sie gesagt haben. Das nahmen sich die Verantwortlichen jedenfalls zu Herzen und kreierten ein neues Ausstellungsformat unter genau diesem Namen.

Bei den "Spielräumen" also sind die Fotofreunde viel freier, hier wird ihrer Kreativität keinerlei Einhalt geboten. Das beweist nun auch die neue Ausgabe eindrücklich. Neun Autorinnen und Autoren zeigen hier 26 Arbeiten - ihre Lieblingsbilder und -projekte. Die alle sehr unterschiedlich sind. Da geht es mal um die klassischen fotografischen Spielarten mit Unschärfe und Co., aber auch um künstlerisches Recycling, Experimente mit Schwarzlicht und obendrein oft um eine ausgefallene Präsentation.

Signalfarben: Volker Jäger liebt Motive in blau-rot. Diesmal präsentiert er sie als interaktive Installation. (Foto: Volker Jäger/oh)

Ganz weit vorn liegt in dieser Hinsicht Volker Jäger. Er sammelt seit Jahren Motive in blau-rot, sie scheinen ihn magisch anzuziehen. Einen kleinen Teil dieser vielen hundert Fotos zeigt er nun auf ganz charmante Weise: Die kleinen Bilder kleben per Magnet auf einer großen Metallplatte, eine ausdrücklich interaktive Installation. Denn jeder Besucher kann die Anordnung der 16 Motive nach seinem Gusto verändern. Und wem ein Bild besonders gefällt, der darf es sogar mitnehmen - wenn er anstatt dessen einen 20-Euro-Schein an die Platte heftet. "Für Ersatz wird gesorgt", verspricht Jäger.

Viel Blau und Rot gibt es auch bei Gisela Wimmer zu sehen, allerdings steht die Farbauswahl hier nicht im Vordergrund - vielmehr geht es um Architektur. Unter dem Titel "Durchblick - Einblick - Ausblick" präsentiert Wimmer eine Zusammenstellung von acht Motiven, die sie auf dem Domberg in Freising entdeckt hat, nämlich lauter Rundbögen. Spannend sind daran vor allem die Kontraste: realistische Romantik trifft hier auf futuristische Lichtkunst von James Turrell.

Eine regelrechte Sogwirkung hat diese kontrastreiche Arbeit von Gisela Wimmer. (Foto: Gisela Wimmer/oh)

Tolle Fotos ohne viel Aufhebens: Das liefert Inge Kolb. "Der Mai wird kommen...": Unter diesem Motto zeigt sie drei Aufnahmen aus dem Wald - für die sie nicht einmal aus dem Auto ausgestiegen ist. Doch wer will es der knapp Hundertjährigen verdenken? Schließlich hat es in diesem Moment offenbar fürchterlich geregnet. Doch genau das macht den Reiz dieser Bilder aus: Die Scheibe ist nass, sodass Bäume, Weg und Autolichter total verschwimmen, man meint gar, die Welt würde gleich ertrinken. Aber keine Sorge, der Mai wird ja kommen.

Inge Kolb muss für in gutes Foto nicht mal aus dem Wagen steigen. (Foto: Inge Kolb/oh)

Auf das Thema Maske hat sich Norbert Alexy diesmal gestürzt: In diversen Formaten zeigt er Protagonisten des Altweiberfaschings in München. Einen grässlichen Maskenmann mit Zylinder etwa unterteilt der Fotograf per Rahmen in zwölf kleine Flächen und nimmt ihm so den Schrecken. Schließlich muss der Betrachter die vielen kleinen Schnipsel erst einmal vor seinem inneren Auge zusammensetzen und ergänzen. Aber auch die heimischen Perchten hat Alexy besucht. Das Ergebnis sind vier Bilder eines hölzernen Vogels, ein Original und vier am Computer bearbeitete Varianten. Eine andere kleine Serie dieses Fotografen zeigt Hochhäuser aus Abu Dhabi, Dubai und Singapur - aus ungewöhnlichen Perspektiven.

Der besondere Blick: Norbert Alexy hat die Wolkenkratzer "eingerahmt". (Foto: Norbert Alexy/oh)

Für zahlreiche Einzelarbeiten unterschiedlichster Couleur hat sich Harald Biebel diesmal entschieden. Von ihm gibt es zum Beispiel ein Triptychon mit Blüten in Schwarzweiß zu sehen, märchenhafte Alpenveilchen aus verschiedenen Blickwinkeln. Oder einen Wasserfall - zerteilt in neun Streifen. Oder eine spannend komponierte Collage aus Detailaufnahmen einer Holztür. Oder eine sehr gelungene geometrische Studie: eine Glasfassade, aufgenommen mit Doppelbelichtung direkt in der Kamera.

Eine Glasfassade irgendwo, wunderbar eingefangen von Harald Biebel. (Foto: Harald Biebel/oh)

Eine große fotografische Bandbreite präsentiert auch Sebastian Kugler. Witz beweist er mit seinem "Schattenbild", entstanden an einem Pool: Die langen Beine des Fotografen sind auf dem Boden gut zu erkennen, doch dort, wo das Wasser beginnt, enden sie scheinbar abrupt. "Ja, über seinen Schatten zu springen ist manchmal nicht so einfach", so Kugler. Außerdem zeigt er dynamische, expressionistische "Herbstfarben" sowie ein streng komponiertes, minimalistisches Architektur-Triptychon. Und welche Effekte eine bewegte Kamera erzielen kann, beweisen Kuglers Bilder vom Sonnenuntergang am Meer mit einmaligen Stimmungen.

Im Sand zu sitzen und auf den richtigen Moment zu warten, ist eine Spezialität von Sebastian Kugler. (Foto: Sebastian Kugler/oh)

Ganz neu dabei bei den Fotofreunden ist Günter Giese, der sich ebenfalls dem "Meerblick" verschrieben hat. Allerdings nicht dem unverstellten - ganz im Gegenteil: Er zeigt drei Objekte, die den Strand aufwerten. Künstlerische Installationen beziehungsweise ein Stelzengeher werden bei Giese jeweils zum Hauptmotiv, das durch die ruhige, weite Bühne des Meeres erst recht zur Geltung kommt.

Günter Giese hat auf Teneriffa und Ibiza Kunst am Meer entdeckt und sie schwarz-weiß in Szene gesetzt. (Foto: Günter Giese/oh)

Alte Bilder wegschmeißen? Das kam für Gilbert Pinggera nicht infrage. Also nahm er die Schere in die Hand und ließ sich etwas einfallen: Aus den Schnipseln kreierte er Insekten und Fische, witzige Transformationen, die dank ihrer vielfältigen Strukturen zur näheren Betrachtung einladen. Da ist eine Rolltreppe zu erkennen, dort eine venezianische Gondel, hier ein gepflasterter Boden. Es sind also oftmals strenge Muster, die im Ganzen doch eine organische Form ergeben - Upcycling im besten Sinne.

Nein, diese Schmetterlinge sind nicht hin gepinnt, sondern aufgeklebt. Gilbert Pinggera hat sie aus alten Fotos erschaffen. (Foto: Gilbert Pinggera/oh)

Keinen Aufwand gescheut hat auch Bernhard Jungwirth. Er präsentiert sein Projekt "Schwarzlicht": sieben Tabletop-Aufnahmen fluoreszierender Objekte, die sich nun spektakulär mitten im Raum befinden, befestigt an langen Teleskopstangen. Ein Zauberer hätte wahrscheinlich seine helle Freude an dem Tableau: Man sieht Spielkarten, Würfel und einen Fächer. Aber auch so profane Dinge wie Gabeln oder Wäscheklammern leuchten vor sich hin. Natürlich alles aus Plastik. Jungwirth erklärt: "Um die Objekte durchgehend scharf abbilden zu können, wurden bis zu zwanzig Einzelaufnahmen miteinander kombiniert."

Bernhard Jungwirth musste lange suchen, bis er überhaupt leuchtende Gegenstände fand. Schwarzlicht nämlich ist inzwischen out. (Foto: Bernhard Jungwirth/oh)

Man sieht also: Die "Spielräume" sind gefüllt mit einer wilden Mischung an Themen und Techniken der zeitgenössischen Fotografie. So eine Ausstellung kann man chaotisch finden, langweilig ist sie auf keinen Fall. Dieser Glonner Club bietet seinen Mitgliedern alle zwei Jahre die Möglichkeit der freien Entfaltung, sie dürfen nach Lust und Laune experimentieren, dabei auch mal aus dem Rahmen fallen. Und das ist auch gut so - denn auf dem Weg ins Ungewisse liegen meist sehr viele Chancen.

Fotofreunde Glonn: "Spielräume" in der Galerie Klosterschule, Vernissage am Freitag, 19. April, um 19.30 Uhr. Geöffnet samstags, 20./27. April, von 14 bis 18 Uhr und sonntags, 21./28. April, von 10 bis 18 Uhr.

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