Verkehr im Landkreis:Erdbeeren und Marmelade

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Freuen sich sichtlich über die neue Wasserstofftankstelle (von links): Glonns Bürgermeister Josef Oswald, Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß und Busunternehmer Josef Ettenhuber. (Foto: Christian Endt)

Wirtschaftsminister Aiwanger besucht die Wasserstofftankstelle des Busbetriebs Ettenhuber in Schlacht bei Glonn.

Von Jakob Heim, Glonn

Als am Freitagnachmittag die staatsmännische Karosse des bayerischen Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) beim Busunternehmen Ettenhuber vorfährt, ist es nicht das erste Mal, dass ein ganz bestimmtes, auf den ersten Blick eher unscheinbares Bauwerk, Vertreter der bayerischen Politprominenz in die kleine Ortschaft Schlacht bei Glonn lockt. Aiwangers Chef, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Anfang August vorigen Jahres bereits versucht, einen Wahlkampfauftritt mit der Einweihung der ersten Wasserstofftankstelle im Landkreis Ebersberg zu verknüpfen - er musste unverrichteter Dinge wieder abreisen. Denn die Fertigstellung ließ noch bis Dezember auf sich warten.

Nun wird also seinem Stellvertreter diese Ehre zuteil, wenn auch mit nochmaliger Verzögerung. Für Aiwanger hat man nicht gleich die große Halle freigeräumt, die hauseigene Waschanlage bietet ausreichend Platz für das überschaubare Publikum. Der Wildbräu aus Grafing hat einen kleinen Bierstand hineingestellt, für das leibliche Wohl ist also gesorgt. "Wasserstofftankstelle trifft Biertankstelle" lautet das Motto der Einweihungsfeier. Dass sie erst jetzt - fünf Monate nach Inbetriebnahme - stattfindet, erklärt Josef Ettenhuber, Geschäftsführer des Familienunternehmens, habe "organisatorische Gründe". Dass hingegen der zuständige Fachminister diesen Termin wahrnimmt, leuchtet ein, wenn man Aiwangers Einlassungen folgt.

Pünktlich um 14 Uhr hielt Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger seine Rede in Glonn - eine Stunde später ging es schon zum nächsten Termin: der Besuch eines Windparks. (Foto: Christian Endt)

Denn sie dringen schnell in technische Fragen vor. Über Photovoltaik, grünen Ammoniak und die Produktion von Stickstoffdünger trägt der Minister vor, hier sieht er ebenfalls Anwendungspotenzial für Wasserstoff als Ersatz für das bislang genutzte Erdgas. Jetzt geht es allerdings um die Mobilitätswende und die, da ist sich Aiwanger mit Landrat Robert Niedergesäß (CSU) einig, könne nicht nur aus Elektromobilität bestehen. "Ansonsten würden wir dekarbonisieren und gleichzeitig deindustrialisieren", so der Minister.

Also raus zur Tankstelle, bestehend aus mehreren Lagerungsbehältern und einer Zapfsäule, die mit 350 Bar gasförmigen Wasserstoff in jene Busse pumpt, die streng genommen dann eigentlich doch Elektrofahrzeuge sind. Denn eine Brennstoffzelle in ihrem Dach betreibt einen 340 PS starken Elektromotor, der schließlich die Kraft auf die Straße bringt. Wasserstoff wiederum wird unter Einsatz von Strom gewonnen. Im konkreten Fall soll künftig ein Elektrolyseur, den Aiwanger erst Mitte April in Pfeffenhausen im Landkreis Landshut einweihte, die Firma Ettenhuber mit sogenanntem grünem Wasserstoff beliefern. Denn dort wird vornehmlich Solarstrom eingesetzt. "In wenigen Wochen" laufe die Produktion an, verspricht der Minister.

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Die Ebersberger Firma Ettenhuber ist nun mit fünf Wasserstoffbussen im Linienverkehr unterwegs. Die Fahrzeuge sind Teil der Wasserstoffmodellregion "HyBayern" - Abfahrt mit Busfahrer Thomas Fischer.

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Nichtsdestotrotz ist die mehrfache Energieumwandlung - von Strom in Wasserstoff zurück in Strom - Ansatzpunkt für Kritik. Er werde später wieder viele kritische Kommentare unter seinen Social-Media-Posts von dem Termin ernten, sagt Aiwanger voraus. Aussagen in dem Tenor, es sei doch viel besser, den Strom direkt in die Fahrzeuge zu tanken, weil dabei weniger Energie verloren ging. "Ideologisch querschießen" nennt Aiwanger das und erklärt den Nutzen von Wasserstoff an zwei plakativen Beispielen. Im Grunde sei es wie in der Landwirtschaft, wenn man sage "am besten ist das grüne Gras, lass uns das direkt an die Kühe verfüttern, wir brauchen kein Heu daraus zu machen." Oder wie im heimischen Garten, wenn man Erdbeeren pflücke und sage "am besten sind die Erdbeeren, wenn man sie frisch isst." Aber, so Aiwanger, "ich muss eben einen Teil als Marmelade zwischenspeichern, damit ich im Winter auch noch was hab." Ebenso brauche man Wasserstoff, um "in der Überschusszeit" Strom zwischenzuspeichern.

Auch Joseph Ettenhuber zeigt sich überzeugt von der Technologie: "Warum so einen schweren Akku mitschleppen?", fragt der Unternehmer und streicht weitere Vorteile der Fahrzeuge heraus: "Sie sind in weniger als 15 Minuten betankt und haben eine Reichweite von 500 Kilometern." Im Gegensatz zu Elektrobussen, von denen die Firma Ettenhuber neben ihren insgesamt fünf Wasserstofffahrzeugen ebenfalls einige betreibt, böten sie ebenso vielen Fahrgästen Platz, wie die herkömmlichen Dieselfahrzeuge.

Die Anlage der Wasserstofftanks ist ziemlich groß - da muss selbst ein Hubert Aiwanger nach oben blicken. (Foto: Christian Endt)

Ein Knackpunkt seien allerdings noch die Investitionskosten, das hebt auch Aiwanger hervor. Rund 550 000 Euro habe jeder der neuen Busse gekostet, berichtetet Ettenhuber, wohingegen ein Dieselbus nur mit 300 000 Euro zu Buche schlägt. "Wir müssen dahin kommen, dass der Wasserstoffbus ein Massenprodukt wird", sagt Aiwanger dazu, "dann werden auch die Anschaffungskosten sinken". Aiwanger sieht dabei den Bund in der Verantwortung, Brennstoffzellenfahrzeuge stärker zu fördern. Ein derzeit "wegen Geldknappheit" ausgesetztes Programm, das Unternehmen die Erstattung von 80 Prozent der Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen verspreche, müsse dringend wieder aufgenommen werden.

Dass die Busse der Firma Ettenhuber, die bereits seit September im MVV-Linienverkehr zum Einsatz kommen, und die nun eingeweihte Tankstelle zu jeweils 50 Prozent durch den Bund gefördert wurden und "in dem Fall nicht mit bayerischen Geld", räumte Aiwanger bei seiner Begrüßung zwar ein, stellt es aber nun hintenan.

Nach exakt einer Stunde muss der Minister auch weiter. "Nach Altötting, Windräder mit Windkraftgegnern besichtigen. Denen zeigen wir mal wie leise die eigentlich sind." Zeit also wieder in die Limousine zu steigen. Sie trägt ein E-Kennzeichen.

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