Geschichte im Landkreis Ebersberg:Einmalige Symbiose für den Denkmalschutz

Lesezeit: 3 min

Die Kapelle vom Hof "Utz'n von Haging" stammt aus dem Jahr 1904. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine kleine Holzkapelle in Haging wird überdauern, weil sich junge Studenten ihrer angenommen haben. Und nun gibt es auch noch einen unerwarteten Geldsegen aus München.

Von Anja Blum, Frauenneuharting

Fast scheint es wie ein Wunder: Die Restaurierung einer denkmalgeschützten Holzkapelle in Haging bei Frauenneuharting bekommt Unterstützung in Form eines unerwarteten Geldsegens aus München. Die Klaproth-Stiftung mit Sitz in Nymphenburg wurde durch die Berichterstattung in der Ebersberger SZ auf das ungewöhnliche Projekt aufmerksam und bedenkt es nun mit einer großzügigen Förderung in Höhe von 10 000 Euro.

Tatsächlich ist dies bereits die zweite glückliche Fügung, die der 120 Jahre alten neogotischen Kapelle in Haging zugutekommt. Die erste war, dass der Historiker Bernhard Schäfer aus Frauenneuharting, Vorsitzender des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg, die Idee hatte, Kontakt zur Technischen Hochschule in Rosenheim aufzunehmen - mit Erfolg. Deren Holztechnik-Studenten übernahmen im vergangenen Jahr das Denkmalschutzprojekt und machten es dadurch finanziell überhaupt erst möglich.

Freuen sich über die Fortschritte bei der Renovierung: Susanne Kirschbaum von der Klaproth-Stiftung, Eigentümer Christian Fuchs und Kreisheimatpflegerin Natascha Niemeyer-Wasserer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Landwirt Christian Fuchs, Eigentümer der Kapelle, hätte sich eine fachgerechte Restaurierung des kleinen Holzbaus ansonsten nämlich gar nicht leisten können. Nun aber zahlt er nur das Material und die Arbeitsstunden von Mitarbeitern der Hochschule, die Studenten sind quasi ehrenamtlich am Werk. Inzwischen ist bereits die dritte Seminargruppe an der Restaurierung beteiligt, demnächst sollen die Arbeiten an Sankt Joseph in Haging weitergehen.

Der Auftrag lautet, die Kapelle wieder herzustellen, also morsche Teile auszutauschen durch materialgerechte Rekonstruktionen, dabei aber möglichst viel historische Bausubstanz zu erhalten. Und das alles in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalschutz. Mit an Bord ist mittlerweile außerdem die Fachschule für Farbe und Gestaltung in München, denn im Inneren der Kapelle gibt es eine echte Besonderheit: eine Tapete mit Blumenornamenten rund um den Altar. Dieses Muster soll an der Schule digitalisiert und nachgedruckt werden. Überdies wird der frühere Außenanstrich der Kapelle analysiert und dann ein passendes Farbsystem für die Restaurierung ausgewählt.

Der Altarraum soll wieder eine gemusterte Tapete bekommen. Hier das Original. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Errichtet wurde die hübsche Wegkapelle von Haging vor 120 Jahren. Den Ururgroßeltern von Christian Fuchs stieß damals Schlimmes zu: Ihr Sohn wurde so schwer krank, dass nicht klar war, ob er überleben würde. In seiner Verzweiflung bat das Paar um göttlichen Beistand - und versprach, eine Kapelle zu bauen, sollte das Kind gesund werden. Und so geschah es.

Nun steht im oberbayerischen Idyll aus Alpenpanorama, Kuhstall, grünen Wiesen und dunklen Wäldern eine dem Heiligen Josef geweihte Kapelle aus Holz, behütet von einer inzwischen gewaltigen Linde. Gestaltet ist sie im neogotischen Stil mit Schopfwalmdach, Butzenfenstern und Fachwerkelementen - Stichwort Historismus. Aber auch das Innere des Andachtsortes kann sich sehen lassen: Die Decke ist mit Holzkassetten geschmückt, am Boden liegen rötliche Fliesen aus Italien und "das Gitter ist schöner als in der Frauenkirche". Findet zumindest Eigentümer Fuchs. "Ja, das war eine Hochzeit des Handwerks damals", sagt auch Kunsthistorikerin Natascha Niemeyer-Wasserer. "Das ist alles sehr liebevoll und detailreich gearbeitet."

So sah es in der Kapelle aus, bevor die Renovierung begonnen hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Kreisheimatpflegerin und Fuchs zeigen an diesem Vormittag zwei Vertretern der Klaproth-Stiftung stolz die Kapelle. Wobei, zunächst geht es hinein in Sankt Leonhard, die Steinkirche direkt in Haging, denn dorthin wurde das Interieur der Kapelle ausgelagert. "Hier ist es nämlich klimatisch optimal", sagt Fuchs. In dem kleinen Gotteshaus warten also der Heilige Josef im Nazarener Stil und ein paar Bilder auf ihre Behandlung durch den Restaurator. Susanne Kirschbaum vom Stiftungsvorstand und ein Stiftungsrat für Denkmalpflege zeigen sich schon bei dieser Station begeistert: "wunderschön!", "wie spannend!"

Die Stiftung, von dem Ehepaar Hermann und Ellen Klaproth vor 50 Jahren gegründet, verfolge zwei sehr unterschiedliche Ziele, erklärt Kirschbaum. "Wir unterstützen technische Projekte des Bahnwesens und solche der Denkmalpflege." Eigentlich sei man bundesweit tätig, doch der Schwerpunkt liege in Oberbayern. Besonders gerne unterstütze die Stiftung kleinere Initiativen wie eben die Kapelle in Haging - "denn wenn wir so etwas alleine verwirklichen können, ist das ja viel schöner für uns".

In der Filialkirche St. Leonhard in Haging wartet der Heilige Josef auf seine Restaurierung. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch nicht nur die Vertreter der Stiftung interessieren sich für Sankt Joseph: Beim Tag des offenen Denkmals habe man erstaunlich viele Besucher begrüßen dürfen, erzählt Niemeyer-Wasserer, sogar aus München seien welche angereist. Doch das habe sich auch gelohnt: Landwirt Fuchs habe aus familiärer Sicht von der Kapelle berichtet, sie selbst aus kunsthistorischer, und einer der Studenten habe Einblick gegeben in die Baumaßnahmen. "Aber auch wir haben Interessantes erfahren, zum Beispiel haben mehrere ältere Damen erzählt, dass sie früher in der Kapelle oft ihre Hausaufgaben erledigt hätten."

Heute ist der kleine Holzbau abgesperrt - zu viele Diebstähle und Vandalismus setzen den Kapellen zu. Doch spätestens, wenn die Restaurierung abgeschlossen ist, wird es reichlich Gelegenheit zur Besichtigung geben. Viel ist schon passiert: Das Gebäude hat einen neuen Sockel aus widerstandsfähigem Eichenholz bekommen, außerdem haben die Studenten partiell die vier Eckpfeiler ausgetauscht, so weit wie eben jeweils nötig: Das morsche Holz wurde ersetzt durch frische Fichte. Alt und Neu greifen nun wunderbar ineinander. Das Dach wurde abgetragen, gereinigt und wieder aufgebaut, überdies hat die Kapelle jetzt eine neue Tür, neue Zierleisten und diverse andere Bauteile. Ganz oben trohnt schon wieder die alte stumme Holzglocke.

Die alte Holzglocke hat einen neuen Glockenstuhl bekommen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Trotzdem wartet weiter eine Menge Arbeit auf die jungen Handwerker. Noch so manches Holzstück will erneuert werden, außerdem fehlt bislang der gesamte Innenausbau, vom Gitter über die Fenster bis zur Tapete. Und die neue Farbe. Deswegen ist der Bau nach wie vor von jenem Gerüst umgeben, mit dessen Hilfe die Studenten zu Beginn die Schwelle des Holzgebäudes austauschen konnten: Sie ließen die gesamte Kapelle schweben. Das war es, das eigentliche Wunder von Haging.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusHistorische Kapelle
:Das Wunder von Haging

Drei Studenten versuchen, eine denkmalgeschützte Kapelle zu retten. Dafür müssen sie das kleine Holzgebäude aber zum Schweben bringen.

Von Anja Blum und Peter Hinz-Rosin

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: