Forstinning:Zweites Aufeinandertreffen im Ebersberger Forst

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Im Dauerstreit wegen der geplanten Umfahrung durch den Wald laden die Gegner des Projekts zu einer Führung nach Forstinning ein. Die Befürworter der Straße haben sich bereits angekündigt.

Von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Siegfried Streb kann es nicht mehr hören. "Es mag sein, dass romantische Schilderungen aus dem Wald gut zu verkaufen sind", sagt er. Dem Forstinninger ist die Freude an der Romantik aber vergangen. Der 61-Jährige ist einer jener Einwohner, die im Ortsteil Schwaberwegen an der viel befahrenen Hauptstraße wohnen, sein Zaun steht einen Meter vom Straßenrand weg.

Er findet, dass die kritischen Töne zur geplanten Umgehung durch den Ebersberger Forst zu laut durch den Landkreis posaunt werden: "Es herrscht ein verzerrtes Bild, dass es um einen Naturfrevel nie dagewesenen Umfangs geht". Im Ort gab es hingegen mal einen tödlichen Unfall mit einem Lkw. Streb ist der Ansicht, dass die Leute im Ort wichtiger sind, als das Waldstück am Ortsrand.

Die Umgehung ist das wichtigste Thema im Dorf, und der Ortsteil Schwaberwegen ist deswegen regelrecht gespalten. Zum einen Lager zählen Menschen wie Siegfried Streb, viele von ihnen empfinden den Verkehr im Ort als Zumutung und fordern Entlastung. Ihre Hoffnung: Ein Gemeinderatsbeschluss aus dem Sommer, wonach Forstinning eine Umgehungsstraße bekommen und der Durchgangsverkehr aus dem Ort verschwinden soll.

Die Umfahrungs-Gegner kritisieren genau diese Pläne, auch weil die 2,4 Kilometer-Umfahrung exakt 1085 Meter durch den Ebersberger Forst gehen soll, ein Wald, der seit 200 Jahren bis auf kleinere Ausnahmen unberührt ist. Zu den Gegnern zählen fast alle Schwaberwegener, die am Waldrand wohnen. Sie führen den Schutz des Waldes als Hauptargument gegen die Pläne des Freistaats Bayern und des Forstinninger Gemeinderats an.

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Kommt es wieder zu einer Demo?

Um darauf aufmerksam zu machen, welche "seltene Pflanzen und Tiere" in einem bewirtschafteten Wald vorzufinden sind, laden die Umfahrungskritiker der Bürgerinitiative 2080 um Sprecher Ludwig Seebauer an diesem Samstag zu einer Wanderung durch den Ebersberger Forst ein. Heinz Utschig vom Staatsforstbetrieb Wasserburg führt dann durch das betroffene Waldstück, so ist es geplant. "Wenn es zu einer Demo kommt, kann es aber sein, dass man die Veranstaltung abbrechen muss", so Utschig zur SZ. Treffpunkt am Samstag ist um 11 Uhr am Parkplatz zum Schwaberweger-Hauptgeräumt am Ortsausgang.

Mittlerweile haben sich nämlich auch die Befürworter der Umfahrung für Samstag angekündigt. In einer Stellungnahme an die SZ teilt deren Sprecher Carl Teine mit, dass "mehrere betroffene Anwohner" aus Moos und Schwaberwegen zur Waldbegehung kommen würden. "In unserem Fall werden die Naturschutzverbände instrumentalisiert, um eine alternativlose Umgehung von Forstinning zu verhindern", glaubt Teine. Die Einladung der Bürgerinitiative erfolgt im Rahmen der "BayernTour-Natur", einer Aktion des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, das hier nicht als Organisator, sondern als Schirmherr fungiert.

Im Forst markieren Farbtupfer die geplante Umfahrung. (Foto: Christian Endt)

Es geht um den Wald, aber eben auch um die Menschen. Für Carl Teine und seine Mitstreiter wurde dies zuletzt zu selten thematisiert. Es müsse mehr berücksichtigt werden, "welch große Gefährlichkeit" die Straße durch Schwaberwegen und Moos zunehmend darstelle, etwa für die Kinder, wenn sie morgens an der Bushaltestelle warten. Teine bezieht sich auf Prognosen des Freistaats, der die Forstinninger Umgehung in der Dringlichkeit nach oben stufte und derzeit das Planfeststellungsverfahren für die Straße vorbereitet. Demnach soll der Verkehr im Ort weiter zunehmen - wenn sich nichts ändert.

Wie sehr das Projekt polarisiert, zeigt die jüngste Reaktion aus Rosenheim. Dort entschieden sich die Planer des Staatlichen Bauamts kürzlich zu einem ungewöhnlichen Schritt: sie veröffentlichten eine Stellungnahme, in der sie die Fakten zu dem Millionenprojekt in einer Übersicht zusammenstellten. In dieser Phase sei es sonst "nicht üblich, Planungsdetails einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen", hieß es darin. "Gegenständlich erscheint es uns aber wichtig, Widersprüche, die in der veröffentlichten Meinung kursieren, durch Zahlen und Fakten aufzuklären."

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Was bringen all die Zahlen, wenn so viel Emotionen im Spiel sind?

Anlass dafür könnten Schilder sein, die seit Monaten im Ort hängen. Die Bürgerinitiative hängte Plakate auf, wonach 30 000 Quadratmeter Wald zerstört würden. Aus der Faktensammlung des Straßenbauamts geht hervor, dass insgesamt 31 400 Quadratmeter betroffen sind, allerdings nicht von einer "Zerstörung" sondern von einer "Neuversiegelung" - es sollen also gut drei Hektar Land bebaut und betoniert werden. Den Zahlen zufolge sind davon allerdings nur 20 700 Quadratmeter Wald, der gerodet werden muss. Das Gebiet ist also drei Hektar groß, allerdings nur zu gut zwei Dritteln mit "Wald" bewachsen.

Es geht hier um Details, danach haben auch die Befürworter eine Ungenauigkeit auf einem ihrer Plakate, es hängt an einem Pfahl an der Ortseinfahrt, wenn man aus dem Forst kommt. "16 000 Autos täglich" steht da, darunter die Forderung nach der Umgehung. Es handelt sich hierbei zwar um eine Zahl aus der staatlichen Statistik, allerdings um keine aktuelle, sondern um eine Prognose. Wenn alles bleibt, wie es ist, würden im Jahr 2030 demnach täglich 16 000 Fahrzeuge an der Anschlussstelle zur A 94 Richtung München (und Passau) gemessen werden. In Schwaberwegen südlich der Münchener Straße (ein guter Indikator dafür, wie viele Autos den Ort vom Moos bis Schwaberwegen komplett durchfahren) sind es derzeit nach Messungen des Bauamts 10 400 Fahrzeuge, bis 2030 sollen 1800 weitere dazukommen.

Bleibt die Frage, wie viel es überhaupt bringt, Zahlen einem Faktencheck zu unterziehen und gegeneinander aufzuwiegen, wo doch vor allem Emotionen die Debatte bestimmen, und Statistiken wenig daran ändern. Siegfried Streb sagt, dass er zuletzt mehrfach wüst beschimpft worden sei, weil er sich öffentlich immer wieder für die Umfahrung ausspreche. Zur Waldbegehung will er lieber nicht erscheinen, sagt er, "nicht bei dem scharfen Ton, den einige mittlerweile anschlagen".

Die Waldwanderung "Unbekannte Naturschätze vor der Haustüre Münchens" beginnt am Samstag, 11 Uhr, am Parkplatz zum Schwaberweger-Hauptgeräumt am Ortsausgang von Forstinning. Veranstalter ist die Bürgerinitiative 2080, der Förster Heinz Utschig führt durchs betroffene Waldstück.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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