Faszination Sternsinger:Der wahre Schatz der Ebersberger Kirche

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Die Freude über ihre Aufgabe steht diesen kleinen Sternsingern auf dem Bild von 2022 ins Gesicht geschrieben - heuer wird es nicht anders sein. (Foto: Kerstin Bockler/oh)

Mehr als 120 bunte Gewänder lagern im Turmzimmer und warten darauf, dass sich einmal im Jahr Ebersberger Mädchen und Buben darauf stürzen, um den Menschen als Sternsinger Freude zu bereiten.

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Wenn sich im Dezember der Heiligabend nähert, gibt es bei vielen kleinen Ebersbergerinnen und Ebersbergern keinen anderen Gesprächsstoff als die Frage: "Welche Farbe wirst du dir aussuchen?" Gemeint sind aber weder Christbaumkugeln noch weihnachtliche Socken, sondern es geht um ganz besondere Gewänder: die der Sternsinger.

45 Stufen führen zum alten Chorprobenraum von Sankt Sebastian hinauf. Martina Schechner aber gerät beim Aufstieg kein bisschen außer Atem. "Ich weiß nicht, wie oft ich die um diese Jahreszeit rauf- und runterrennen muss", sagt die Ebersbergerin. Sie ist die derzeitige Hüterin eines 120 Stücke umfassenden Schatzes im Turm der Ebersberger Kirche. Denn dort, in einem Schrank, lagern sie, die liebevoll selbst genähten Gewänder aus alten Betttüchern, Vorhängen, Altardecken, "kurzum, allem, was man hat und was man nicht vor uns verstecken konnte".

Martina Schechner (links) ist seit 17 Jahren verantwortlich für die Organisation der Sternsinger, auch Kerstin Bockler begleitet stets eine der Gruppen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Seit sie mit den eigenen Kindern vor 21 Jahren begann, in der Sternsingergruppe aktiv zu sein, ist Schechner als gute Seele und Organisatorin des Spendenprojekts "Sternsinger" aktiv, einem Kindermissionswerk für bedürftige Kinder in aller Welt. Vor etwa 17 Jahren hat sie die Federführung in Ebersberg übernommen. Dabei konnten in den vergangenen Jahren pro Aktion zwischen 5000 und 9000 Euro von Kindern für Kinder gesammelt werden.

Doch nicht nur Ministranten dürfen sich beteiligen, sondern alle, die Interesse haben - vom Vorschulkind bis zum Firmling. "Als wir anfing, waren es um die 30 für ganz Ebersberg", erinnert sich Schechner. Mittlerweile sei die Zahl auf 60 bis 80 gestiegen, im bisher besten Jahr hatten sich 120 Freiwillige gemeldet. "Das führte dazu, dass jeder, der wusste, wie man Nadel und Faden hält, die Nadeln glühen ließ, um neue Gewänder herzustellen."

Dieses Gewand hat eine ganz besondere Geschichte: Der Umhang wurde aus ausgemusterten Gardinen eines Geistlichen gefertigt, vermutlich von Pfarrer Johann Grabmeier. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Stoffe werden in der Regel gespendet, sogar Hochwürdens ausrangierte Gardinen gehören dazu - der besonders schöne himmelblaue Umfang hing vermutlich einmal vor den Fenstern des ehemaligen Stadtpfarrers Johann Grabmeier. Knackpunkt seien immer die Spitzen und Borten, die müsse man zukaufen. "Das ist unser teuerster Posten", klagt Schechner.

Borten müssen, ebenso wie Spitzen, oftmals zugekauft werden. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Nun warten die Gewänder also alle im Schrank auf ihren neuen Einsatz - nach Größen gestaffelt und in liebevoller Kleinarbeit sorgfältig mit Nummern bestickt, damit die zusammenpassenden Umhänge und Untergewänder auch wirklich vereint bleiben. "Ich wollte diese Auszeichnungen damals möglichst unsichtbar machen, damit man sie nicht sieht. Das wird mir jetzt leider zum Verhängnis, die Augen ...", seufzt Schechner mit einem Zwinkern.

Alle Gewandteile sind nummeriert, damit die passenden Umhänge und Untergewänder zusammenbleiben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Zuweisung der Gewänder liegt bei der Organisatorin, jedoch dürfen sich die Kinder, wenn irgendwie möglich, in ihrer Lieblingsfarbe einkleiden lassen. Dabei gibt es längst keine feste Zuordnung mehr zu den drei Heiligen Königen, denn manchmal bestehe eine Gruppe auch aus fünf Königen. Oder aber es seien kleine Geschwisterkinder dabei, "dann flitzt da vielleicht noch ein dreijähriger König mit", sagt Schechner und lacht.

Wenn eine Familie bei der Ausgabe der Gewänder meine, das jüngste Mitglied müsse keines haben, ermuntere sie diese nachdrücklich, sich ein kleines Ensemble in Größe 80 geben zu lassen. "Der macht euch sonst die Hölle heiß, wenn die anderen eingekleidet werden und er nicht", weiß sie aus Erfahrung.

Sammelbüchse und Weihrauchfass sind wichtige Ausstattungsstücke für die Sternsinger. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kerstin Bockler, die ebenfalls eine Gruppe begleiten wird, nickt zustimmend. Ihr jüngstes Kind sei damals mit dem Schlitten mitgezogen worden, als das Trüppchen von Tür zu Tür pilgerte, ausgestattet mit Sammelbüchse, Kreide, Weihrauch, Sternen und Rauchfass. Sobald jemand öffnet, singen die Kinder ein Lied, dann fragen sie, ob ein Segen über oder an der Tür gewünscht ist.

"In 90 Prozent der Fälle ist das so, aber ich habe auch schon erlebt, dass sich jemand sehr über den Besuch der Kinder, ihren Gesang und Einsatz freute, aber den Segen als bekennender 'Heide‛ nicht wollte", berichtet Schechner. Bockler kramt derweil Tafelaufkleber heraus: "Die haben wir mittlerweile dabei, weil es bei manchen Kunststofftüren schwer ist, die Markierung anzubringen. Das Gute ist, man kann sie immer wieder neu beschreiben."

Echte Sammler besitzen einen Ausweis

Doch Achtung: Nicht jede Person mit Umhang und Kreide ist auch wirklich ein echter Sternsinger. "Deswegen setzen wir die Kinder meist in ihrer eigenen Wohngegend ein, wo man sich kennt", führt Schechner aus. Vor sieben oder acht Jahren sei aber auch einmal eine Gruppe falscher Sternsinger unterwegs gewesen. "Die hatten schon reiche Beute gemacht, bis sie an eine Familie gerieten, die nach dem Ausweis fragte", erzählt sie. Einen solchen können rechtmäßige Sammler problemlos vorzeigen. "Der sei im Auto, hieß es. Danach waren die Kinder weg und nicht mehr gesehen. Zum Glück hatte die aufmerksame Frau ihnen vorher die Büchse weggenommen. Sie brachte sie dann ins Pfarrhaus, wo wir den Inhalt in die restliche Sammlung integrierten."

Ím kommenden Jahr wird Melanie Riedmaier die Organisation der Sternsinger von Martina Schechner übernehmen. (Foto: privat)

68 Kinder zwischen einem und 15 Jahren seien inzwischen eingekleidet worden. Das berichtet einige Tage später Melanie Riedmaier, die demnächst den organisatorischen Staffelstab übernehmen wird. Die vierfache Mutter schätzt die Tatsache, dass man "als Sternsinger Glauben leben und sich schon als Kind aktiv beteiligen" kann. Auch ist für sie der gemeinsame Einsatz für Bedürftige und mehr Menschlichkeit "ein Teil dessen, was Jesus uns lehren wollte".

Mit Freude und Respekt blicken diese kleinen Sternsinger ihrer Tätigkeit entgegen. (Foto: Kerstin Bockler/oh)

In 15 Gruppen werden die Sternsinger nun bis zum 6. Januar an möglichst viele Ebersberger Türen klopfen. Doch nicht nur Privathäuser werden angesteuert. "Besonders die alten Leute freuen sich wahnsinnig über die Sternsinger", erklärt Bockler. Darum werde man auch im Garten des Betreuten Wohnens ein Lied singen. Ebenso wie in der Kreisklinik, organisiert von einer Mutter, die dort arbeitet, im Rathaus und nach den Ferien in allen Klassen der Schulen.

Am 30. Dezember ist es wieder so weit: Die Aussendung beginnt mit einem Gottesdienst um 10 Uhr. (Foto: Doris Wille/oh)

Eine Frage muss natürlich noch sein: Was heißt denn nun die Aufschrift C+M+B? Beide Frauen können ein Lachen nicht unterdrücken: "Das Gerücht hält sich hartnäckig, dass die Abkürzung Caspar, Melchior, Balthasar bedeutet", sagt Schechner. "Tatsächlich steht sie aber für Christus mansionem benedicat - Christus segne dieses Haus", vervollständigt Bockler.

Die frohe Botschaft: Auch kurzfristig Entschlossene können noch bei den Sternsingern mitmachen. Für die Einkleidung bitte möglichst bald im Pfarrbüro unter (08092) 853390 melden. Am 30. Dezember findet die offizielle Aussendung mit einem Gottesdienst um 10 Uhr statt.

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